Urteile

Urteile zum VW Abgas-Skandal

www.anwalt.de vom 11.05.2023

BGH-Grundsatzurteil – 8. Mai 2023


Der Bundesgerichtshof hat heute über fünf Stunden das Thema "Dieselskandal" mit Verbraucher- und Hersteller-Anwälten verhandelt. Es ging um Motoren der Hersteller Audi, Mercedes Benz und VW.


Im Verfahren mit dem Aktenzeichen VIa ZR 533/21 hatte der Kläger im Mai 2018 von einem Vertragshändler der Audi AG einen Audi SQ5 Allroad 3.0 TDI, der mit einem Motor der Baureihe EA 896Gen2BiT ausgerüstet ist, gekauft. In dem Verfahren mit dem Aktenzeichen VIa ZR 1031/22 hatte der Kläger im Oktober 2017 von der Mercedes-Benz Group AG einen Mercedes-Benz C 220 d, der mit einem Motor der Baureihe OM 651 ausgerüstet ist gekauft. Ferner ging es in einem weiteren Verfahren um einen VW, der den Motor EA288 verbaut hatte.


Der Ausgang der heutigen Verhandlung wurde mit Spannung erwartet, da der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit seinem Urteil vom 21.03.2023 (Aktenzeichen: C-100/21) einem Verbraucher im Streit mit Mercedes-Benz Recht gegeben hatte: Danach muss der Autobauer einem Kunden grundsätzlich Schadensersatz zahlen, weil in dessen Diesel-Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung bei der Abgasreinigung verbaut worden war. Für die Haftung reicht nach den Vorgaben des EuGH bereits einfache Fahrlässigkeit des Herstellers (und nicht erst - was der Bundesgerichtshof bislang verlangt hatte - eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung), wenn ihm durch die Abschalteinrichtung ein Nachteil entstanden ist.


Wie hat der Bundesgerichtshof entschieden?

Heute wurde noch keine Entscheidung verkündet. Die Urteile sollen vielmehr am 26.06.2023 gesprochen werden.


Wie haben sich die Richter in der Verhandlung positioniert?

Die Anwälte der Autohersteller argumentierten heute damit, dass es - wie im Fall von VW etwa - eine uneingeschränkte Typ-Genehmigung durch das KBA gegeben habe und sich die Hersteller darauf verlassen hätten. Der Senat ließ Zweifel erkennen, dass dies ausreiche. Daher sind wir vorsichtig optimistisch, dass die Klagen Erfolg haben werden. Die Vorsitzende ließ durchklingen, dass sie sich der Senat zumindest die Geltendmachung des sog. kleinen Schadensersatzes vorstellen könne.


Der kleiner Schadenersatz beläuft sich auf den Minderwert des gelieferten Autos im Vergleich zu einem Wagen, wie er hätte sein sollen. Dies bedeutet, dass das Fahrzeug nicht zurückgeben werden kann, sondern behalten werden muss. Der großer Schadenersatz hingegen bedeutet faktisch eine Rückabwicklung des Kaufvertrages. Das heißt, der Kunde erhält den Kaufpreis zurück, muss/darf dafür das Auto zurückgeben und eine "Entschädigung" für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer zahlen. Hinzu kommen mögliche Zinsansprüche. 


Sobald der BGH seine Urteile verkündet, werden wir an dieser Stelle darüber berichten.


www.lto.de vom 23.03.2023

EuGH widerspricht BGH im Dieselskandal

Von wegen eindeutige Rechtslage

von Dr. Felix W. Zimmermann


Der EuGH läutet den Dieselskandal 2.0 ein: Auch bei fahrlässiger "illegaler Abschalteinrichtung" müsse es Schadensersatz geben. Der BGH hielt das für völlig abwegig. Doch das EuGH-Urteil vom 21.03.2023, Gz.: C 100/21, hat Überzeugungskraft. 


"Die Rechtslage ist (…) von vornherein eindeutig" (BGH, Urt. vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19). "Weder Vorabentscheidungsersuchen einzelner Landgerichte noch die Stellungnahme der Europäischen Kommission (…) geben Anlass, an der Annahme eines acte clair zu zweifeln" (BGH, Urt. vom 16.09.2021 - VII ZR 190/20), sprach der Bundesgerichtshof (BGH) in völliger Selbstgewissheit.


Schadensersatzansprüche von Diesel-Käufern mit illegalem Thermofenster seien so abwegig, dass nach der acte-clair-Rechtsprechung nicht einmal eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angebracht sei. Ab heute ist klar: Diese Annahme des BGH war ein kolossaler Irrtum.


Millionen Diesel-Fahrer können sich wahrscheinlich bald bei unterinstanzlichen Gerichten bedanken, die weniger arrogant als die zuständigen BGH-Richter:innen sehr wohl Zweifel hatten. "Kann es wirklich richtig sein, dass der Einbau verbotener Abschalteinrichtungen in Diesel-Pkws, die die Abgasreinigung bei in Deutschland völlig üblichen Temperaturen herunterregeln, die Luft verpesten, keinen Schadensersatz für Käufer auslöst?", fragte etwa ein Einzelrichter am LG Ravensburg sinngemäß den EuGH.


Und der entschied jetzt: Ein Käufer eines Kfz hat einen "Anspruch darauf (…), dass dieses Fahrzeug nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet" ist. Denn Normen, die Autoherstellern untersagen, die Gesundheit der Bevölkerung zu schädigen, schützen nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch den Käufer von entsprechenden Pkws, denen die Rechtskonformität des Fahrzeugs durch eine sogenannte Übereinstimmungserklärung versichert wurde. Da Käufer solcher Fahrzeuge aktuell vom Risiko bedroht sind, dass ihre Fahrzeuge stillgelegt werden, eine alles andere als abwegige Ansicht.


Von Arroganz zur Zurückhaltung


Wenn der BGH keinen Drittschutz im Unionsrecht erkennen mochte, ist das angesichts der Normunklarheit in diesem Bereich natürlich gut vertretbar. Nicht nachvollziehbar ist allerdings die nicht zu irritierende Starrköpfigkeit des BGH, wenn die Gegenauffassung von mehreren Landgerichten vertreten wird. Stattdessen haben mehrere BGH-Senate diese nur kurz abgewatscht. Die Begründung des BGH zum mangelnden Drittschutz blieb hingegen selbst eher kursorisch.


Immerhin: In dem Moment als der BGH durch eine entsprechende Stellungnahme des Generalanwalts im Juni 2022 erkannte, dass auch in Luxemburg Zweifel bestehen, wurde die Notbremse gezogen. Laufende Verfahren auf "hold" gesetzt. Und nun will der BGH schon am 8. Mai darüber verhandeln, wie seine Rechtsprechung angepasst werden muss.


Fahrlässige Abschalteinrichtung reicht


Viel Spielraum lässt die EuGH-Rechtsprechung dem BGH wohl nicht. Klar ist: Das Erfordernis einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf Seiten der Autohersteller – diese bejahte der BGH im originären VW-Fall der "Umschaltlogik" im Jahre 2020 – ist keine Voraussetzung mehr. Es genügt für § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. mit dem Unionsrecht einfaches Verschulden, also auch Fahrlässigkeit (siehe § 276 BGB). Demnach muss also nicht einmal die positive Kenntnis einer illegalen Abschalteinrichtung auf Seiten der Automobilhersteller nachgewiesen werden. Eine fahrlässige Annahme der Legalität der Abschalteinrichtung genügt.


Diese dürfte vor dem Hintergrund, dass Abgaswerte im Realbetrieb hoffnungslos gerissen wurden, obwohl bessere Abgastechnik zur Verfügung stand und in vielen Fällen in den USA auch eingebaut wurde, wohl eher schwer zu verneinen sein. Insoweit hätten Hersteller auf Nummer sicher gehen können, hätten sie "up to date"-Abgasreinigungssysteme eingebaut. Genau dies unterblieb – aus Kostengründen.


Vor allem: Wie man ernsthaft davon ausgehen können sollte, eine Abgastechnik sei legal, die weite Teile des Jahres – wenn es kalt oder auch nur kälter ist – nicht funktioniert, dürfte jeden guten Glauben ausscheiden lassen.


Gewinner das Tages sind die Anwälte, auch diejenigen, die heute verloren haben. Denn auch wenn im Bereich der Dieselprozesse teilweise eine ausgewiesene Feindschaft zwischen den Anwälten beider Seiten besteht, von der neu zu erwartenden Klagewelle profitieren beide Lager. Es geht um viele Millionen, mindestens.


Realer Schaden in Sichtweite


"Der Dieselkunde" und damit der Verbraucher wird natürlich ebenfalls frohlocken, angesichts der Möglichkeit, Schadensersatz für ein Auto zu erhalten, was – jedenfalls bislang – ohne jede Einschränkung genutzt werden konnte.


Wenn man ehrlich ist, ist der monetäre Schaden auf Seiten der Diesel-Fahrer bisher eher ein hypothetisches Konstrukt des ungewollten Vertrages, das von einer rechtstreuen Behörde ausgeht, die durchgreift und Betriebsuntersagungen verhängt. Vor diesem Hintergrund war das VW-Urteil des BGH, in dem das Gericht Schadensersatzansprüche bei der VW-Abschaltautomatik bejahte, auch sehr verbraucherfreundlich, denn bekanntlich kam es faktisch selbst bei den VW-Abschalteinrichtung weder zu Betriebsuntersagungen, noch wurde eine Hardwarenachrüstung verlangt, sondern nur ein lächerliches Software-Update, das den Wagen im Regelfall kaum sauberer machte.


Doch nun haben sich die Vorzeichen geändert. Nach einem Urteil des VG Schleswig vom Februar 2023 droht die Stilllegung der Dieselfahrzeuge mit illegalem Thermofenster. Der Schaden der Dieselkäufer könnte also real werden. Auch von daher ist die verbraucherfreundliche Auslegung der Rechtslage durch den EuGH, neben seinem immer wieder betonten Bestreben Umweltschutz durchsetzen, von einiger Überzeugungskraft.


www.anwalt.de vom 25.02.2023

Abgasskandal - Thermofenster sind nach Urteil des VG Schleswig unzulässig


Das Verwaltungsgericht Schleswig hat mit Urteil vom 20. Februar 2023 deutlich gemacht, dass das Software-Update beim VW Golf 6 mit dem Dieselmotor des Typs EA 189 eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt eines Thermofensters enthält (Az.: 3 A 113/18). Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hatte zwar die Genehmigung für das Software-Update erteilt, jetzt muss es auf Anweisung des Gerichts aber erneut tätig werden und VW anweisen, die unzulässige Abschalteinrichtung zu entfernen.


Das heißt, dass sich die betroffenen Fahrzeughalter auf einen verpflichtenden Rückruf einstellen müssen, da das Fahrzeug nachgerüstet werden muss, damit es nicht seine Zulassung verliert. Konkret betroffen ist zunächst der VW Golf mit dem Dieselmotor EA 189. Denn in Folge des VW-Abgasskandals musste bei Fahrzeugen der Konzernmarken VW, Audi, Seat und Skoda bis zwei Liter Hubraum mit dem Dieselmotor EA 189 ein Software-Update aufgespielt werden. Bei diesen Modellen dürfte ein ähnliches Szenario drohen, nachdem das VG Schleswig entschieden hat, dass das Software-Update beim VW Golf rechtswidrig ist.


Nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sind 118 weitere Verfahren anhängig. Die betreffen nicht nur VW-Fahrzeuge mit Software-Update, wie die DUH mitteilt. Es geht auch um Modelle von Audi und Porsche mit größeren Dieselmotoren, um Fahrzeuge von BMW, Mercedes und ausländischen Herstellern mit der Abgasnorm Euro 5 bzw. Euro 6a und 6b. Im Kern steht das umstrittene Thermofenster bei der Abgasreinigung.


Der Europäische Gerichtshof hat schon in mehreren Verfahren erklärt, dass das Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt. Damit hat er der Argumentation der Autohersteller, dass das Thermofenster aus Motorschutzgründen notwendig ist, eine klare Absage erteilt. Das VG Schleswig ist nun der Rechtsprechung des EuGH gefolgt.


Das Urteil des VG Schleswig ist zwar noch nicht rechtskräftig, aber die Konsequenz dürfte sein, dass alle Fahrzeuge mit Thermofenster nachgerüstet werden müssen, damit sie die Grenzwerte für den Stickoxid-Ausstoß einhalten. Gelingt dies nicht, droht den Fahrzeugen am Ende die Stilllegung.

Ob eine technische Nachrüstung bei allen betroffenen Diesel-Fahrzeugen überhaupt möglich und sinnvoll ist, darf angezweifelt werden, denn ein Update kann zu anderen Problemen beim Motor wie höherem Verbrauch, höheren Verschleiß oder weniger Leistung führen.


www.anwalt.de vom 22.02.2023

Abgasskandal: Stilllegung von Dieselfahrzeugen droht


Die Deutsche Umwelthilfe hat vor dem Verwaltungsgericht Schleswig einen Erfolg zu vermelden: Das Kraftfahrt-Bundesamt hat Autos von VW zu Unrecht genehmigt. Nun droht möglicherweise der Rückruf oder die Stilllegung von Fahrzeugen - auch anderer Hersteller, denn die Deutsche Umwelthilfe führt und plant noch weitere Rechtsstreitigkeiten.


Die Abschaltung der Abgasreinigung bei Außentemperaturen unter zehn Grad, wie sie bei Dieselfahrzeugen, die Volkswagen (VW) unter anderem in den Jahren 2008 und 2009 für typgenehmigte zwei-Liter-Motoren des VW Golf, VW Touran verwendet hat, ist rechtswidrig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Schleswig entschieden (Urt. v. 20.02.22, Az. 3 A 113/18).


Die Deutschen Umwelthilfe (DUH) hat angekündigt, Rechtsstreitigkeiten gegen das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). auch gegen BMW, Mercedes-Benz, Volkswagen, Audi, Porsche sowie der ausländischen Dieselhersteller anzustrengen. Es seien bereits Klagen gegen 118 Freigabebescheide von Autos diverser Hersteller anhängig. Dabei geht es um die Freigabebescheide.


Nachdem der EuGH die zuvor streitige Klagebefugnis der Deutschen Umwelthilfe bejahrt hat, steht eine Klagewelle an.


Das VG Schleswig, verneinte bereits die Frage, ob Abschalteinrichtungen notwendig seien, um Beschädigungen am Motor zu verhindern. Der EuGH erfasse mit "Motor" nur die Kraftmaschine. Andere Bauteile seien nur relevant, wenn von deren Beschädigung unmittelbare Risiken für den Motor in Form von Beschädigungen oder Unfällen ausgehen und dies dann auch noch eine unmittelbare Bedrohung für die Betriebssicherheit beinhalte. Ein solche Gefahr bestehe nicht, der Vortrag von VW und dem KBA hierzu betreffe Extremszenarien, bei denen sich das Schadensereignis schon vorher abzeichne, so der Vorsitzende Richter Uwe Karstens in der Urteilsbegründung.


Das Verwaltungsgericht hat sowohl die Berufung als auch die Sprungrevision zugelassen. Es wird also noch einige Zeit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung vergehen.


Dieselfahrer sind gleichwohl schon jetzt gut beraten, ihre Ansprüche im sogenannten Dieselgate oder Abgasskandal geltend zu machen, bevor diese verjähren.


Gerne beraten und vertreten wir Sie bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche gegen Händler und Hersteller und gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt.


Bisher hatte zwar der Bundesgerichtshof eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung verneint und daher Ansprüche abgelehnt, die sich nicht auf die kaufrechtliche Gewährleistung, sondern auf § 826 BGB stützen. Allerdings ist auch hier zu erwarten, dass der EuGH anders entscheiden wird.


www.lto.de vom 14.07.2022

EuGH zum VW-Dieselskandal Thermofenster ist illegale Abschalteinrichtung


Der EuGH hat heute der Argumentation von VW und deutschen Behörden, wonach das Abschalten der Abgasreinigung bei bestimmten Temperaturen aus Motorschutzgründen zulässig sei, eine klare Absage erteilt. Verbraucher haben Ansprüche.


Eine Software für Dieselfahrzeuge, die die Abgasreinigung bei üblichen Temperaturen und während des überwiegenden Teils des Jahres verringert, stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu den sogenannten Thermofenstern entschieden (Urt. v. 14.7.22, Rs.: C-217/20, C-134-20, C-145/20).


Gegenstand der Verfahren ist eine Software von Volkswagen (VW), die aber auch von fast allen anderen Herstellern verwendet wird. Sie ist so programmiert, dass die Einhaltung von Grenzwerten nur im Bereich bestimmter Temperaturen gewährleistet ist - und zwar - laut EuGH - nach Feststellungen von österreichischen Gerichten nur im Bereich zwischen 15 und 33 Grad, das sogenannte Thermofenster. Demnach wird bei in Europa völlig üblichen Temperarturen von unter 15 Grad die Abgasreinigung bereits gedrosselt und dann weiter auf 0 gesenkt. Die Autos stoßen somit viel mehr giftiges und gesundheitsschädliches Stickstoffoxid aus, als gesetzlich vorgesehen. 


21.02.2022

BGH-Entscheidung: Abgasskandal-Rechte lassen sich zehn Jahre lang durchsetzen


Am Bundesgerichtshof (BGH) haben die obersten Zivilrichter Deutschlands heute Zehntausenden PKW-Haltern, die ihre Rechte im Rahmen des VW-Abgasskandals nicht innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist durchgesetzt haben, eine zweite Chance ermöglicht. Die Karlsruher Richter entschieden nämlich, dass Neuwagenkäufer bis zu zehn Jahre nach dem Autokauf sogenannte Restschadensersatzansprüche wegen des Abgasskandals durchsetzen können.


Die Verjährungsfristen im Abgasskandal 


Für zivilrechtliche Ansprüche gilt normalerweise eine dreijährige Verjährungsfrist zum Jahresende. Wer also bereits 2015 im Zusammenhang mit der von VW veröffentlichten Ad-Hoc-Meldung von der Manipulation des eigenen Fahrzeugs erfuhr, konnte bis zum 01. Januar 2019 Schadensersatzansprüche in der Sache geltend machen.


Da die Rückrufbescheide im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal in der Regel erst im Jahr 2016 bei den betroffenen PKW-Haltern eingingen, kann es im Einzelfall auch sein, dass die Verjährung der eigenen Rechtsansprüche erst am 01. Januar 2020 eingetreten ist.


Im Fall von Betrug bzw. sittenwidriger Handlung lassen sich jedoch auch Restschadensersatzansprüche nach § 852 BGB durchsetzen – auf den Tag genau bis zu zehn Jahre ab dem Zeitpunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung. Übertragen auf den Abgasskandal bedeutet dies, dass Restschadensersatzansprüche bis zu zehn Jahre nach dem Fahrzeugkauf bzw. der -übergabe geltend gemacht werden können. Das haben die Richter am Bundesgerichtshof heute bestätigt.


Das sind die Hintergründe der heutigen BGH-Verhandlungen   


Die BGH-Richter haben sich mit den Verfahren zweier Kläger auseinandergesetzt. Beide besitzen ein VW-Auto, das den illegal manipulierten Motor der Baureihe EA189 enthält. Die Kläger haben ihre Fahrzeuge im Juli 2012 bzw. im April 2013 als Neuwagen erworben und sind im Jahr 2020 juristisch wegen des Abgasskandals gegen Volkswagen vorgegangen.


In der Vorinstanz hatten die PKW-Besitzer an den Oberlandesgerichten in Koblenz in Oldenburg keinen Erfolg mit ihren Klagen. Die Gerichte argumentierten, dass ihre Schadensersatzansprüche spätestens zum 01. Januar 2020 verjährt seien. Am Bundesgerichtshof entschieden die verantwortlichen Richter nun jedoch, dass Neuwagenkäufer wegen des Abgasskandals auch Anspruch auf Restschadensersatzansprüche haben. Dementsprechend muss Volkswagen die Kläger nun wegen des Abgasskandals entschädigen

 

So hoch fallen Restschadensersatzansprüche aus


Die Höhe des fälligen Restschadensersatzanspruches berechnet sich grundsätzlich genauso wie die Höhe von herkömmlichen Schadensersatzansprüchen. Demnach haben Verbraucher die Möglichkeit, ihre manipulierten Autos an den verantwortlichen Hersteller zurückzugeben, um im Gegenzug eine finanzielle Entschädigung zu erhalten, die sich an dem ursprünglichen Kaufpreis orientiert.



Betroffene Verbraucher müssen sich lediglich eine sogenannte Nutzungsentschädigung auf Basis der zurückgelegten Laufleistung ihres Autos sowie ggf. die Marge des jeweiligen Vertragshändlers von der fälligen Schadensersatzsumme abziehen lassen. Dafür haben Kläger ab dem Tag, an dem die jeweilige Klage eingereicht wurde, Anspruch Verzugszinsen, die die finale Entschädigungssumme erhöhen. 


BGH-Urteil - VII ZR 38521 -: Verbrieftes Rückgaberecht lässt Schaden nicht entfallen


Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshof hat in einer mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2021 - VII ZR 389/21 - entschieden, dass die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches wegen des Einbaus eines abgasmanipulierten EA896 G2/EA897-Motors in ein von der AUDI AG hergestelltes Fahrzeug bei einem verbrieften Rückgaberecht in einem Darlehensvertrag nicht ausgeschlossen sei. Der Schaden - so der BGH - sei durch Abschluss des ungewollten Kaufvertrages entstanden und entfalle nicht durch ein vertraglich vereinbartes Rückgaberecht. Allerdings konnte der BGH in der Sache nicht über den gegen die Audi AG geltend gemachten Schadensersatzanspruch entscheiden und hat den Rechtsstreit insofern an das OLG Celle zurückverwiesen.


Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger erwarb im Februar 2017 einen von der AUDI AG hergestellten Audi A6 Avant 3.0 TDI (Euro 6) als Gebrauchtfahrzeug zum Preis von 46.800 EUR. In dem Wagen ist ein von AUDI hergestellter Dieselmotor EA 896 G2 oder EA 897 verbaut.


Das - vorinstanzlich zuständige - OLG Celle entschied in seinem Urteil vom 31. März 2021 - 7 U 27/21 - zu Lasten des Klägers, dass ein Schaden in Form eines ungewollten Vertragsschlusses hier nicht mehr angenommen werden könne, weil der Kläger das ihm im Rahmen der Finanzierung gewährte Rückgaberecht nicht ausgeübt habe. Indem er durch bewusste Ablösung der Restschuld das Fahrzeug während des laufenden Berufungsverfahrens freiwillig übernommen habe, anstatt den Pkw zum Ende der Vertragslaufzeit gegen Erstattung des vertraglich vereinbarten Restwerts an die Händlerin zurückzugeben, habe er seine Handlungsfreiheit entsprechend ausgeübt. Da der Kläger nach Vollerwerb des Fahrzeugs den Schadensersatz durch Rückzahlung des Kaufpreises einschließlich der Finanzierungskosten Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs gewählt habe, setze er sich zu seinem eigenen vorherigen Verhalten in Widerspruch.



Dem Bundesgerichtshof lag unter VII ZR 256/21 ein zweiter Fall zum verbrieften Rückgaberecht zur Entscheidung vor. Hier hatte auch in der Berufungsinstanz das OLG Koblenz im Rückgaberecht kein Problem gesehen. In diesem Verfahren hatten die verklagten Audi AG und Volkswagen AG ihre Revision am 15. Dezember 2021 zurückgenommen, so dass das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 27. November 2019 - 2 O 40/19 - rechtskräftig geworden ist.


Abgasskandal: Audi verhindert BGH-Grundsatzurteil vorerst


Eigentlich sollte am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe heute geklärt werden, ob Audi wegen der Entwicklung und Inverkehrbringung von manipulierten Diesel-Motoren Schadensersatz an die betroffenen PKW-Besitzer zahlen muss. Der Ingolstädter Autobauer zog jedoch kurzfristig eine Revision zurück, um ein höchstrichterliches Urteil in der Sache zu verhindern.


Audi bewertet eigene Erfolgschancen vor dem BGH als schlecht


Indem Audi nun einem Kläger Schadensersatz zahlt, verhindert der Autobauer ein Grundsatzurteil durch die BGH-Richter und damit möglicherweise eine Klagewelle. Betroffene Verbraucher sollten dies aber als klares Signal wahrnehmen, dass Audi die eigenen Erfolgschancen vor dem BGH als so gering bewertet hat, dass sie ein Urteil aus der Vorinstanz anerkennen und Schadensersatz zahlen.


Früher oder später wird auch Audi wegen des Abgasskandals höchstrichterlich verurteilt. Betroffenen PKW-Besitzern raten wir daher dazu, sich nicht verunsichern zu lassen und sich stattdessen schnellstmöglich über die eigenen rechtlichen Möglichkeiten in der Sache zu informieren, um keine Verjährung der eigenen Ansprüche zu riskieren.


Gerne stehen wir Verbrauchern diesbezüglich für eine kostenfreie Erstberatung zur Verfügung.

 

Das sind die Hintergründe der heutigen BGH-Verhandlung


Eigentlich hätten sich die obersten Zivilrichter Deutschlands heute mit zwei Verfahren befassen müssen. In beiden Fällen ging es um ein Auto, das einen von Audi entwickelten Diesel-Motor enthält. Die Fahrzeuge wurden wegen des Abgasskandals vor mehreren Jahren von dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zurückgerufen.


Das Besondere an den Fällen war, dass beide Fahrzeuge mit einem Darlehensvertrag finanziert wurden, in dem ein Rückgaberecht verbrieft wurde. Dadurch hatten die Kläger nach der Tilgung des Darlehens die Möglichkeit, ihre Fahrzeuge zu einem vorab festgelegten Kaufpreis an die Audi Bank zurückzugeben.


Weil die Kläger dieses Rückgaberecht nicht genutzt hatten, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Celle in der Vorinstanz, dass deshalb auch keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden könnten. Das OLG Koblenz entschied jedoch zugunsten des Klägers und sprach diesem Schadensersatz zu. In diesem Fall zog Audi nun die Revision zurück und zahlte dem Kläger Schadensersatz.


Dadurch erreichte das Unternehmen, dass sich die BGH-Richter heute ausschließlich mit dem nicht genutzten Rückgaberecht auseinandersetzten. Diesbezüglich entschied der BGH, dass ein ungenutztes Rückgaberecht die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen nicht ausschließt und positionierte sich somit verbraucherfreundlich. Die Richter verwiesen den Fall an das Oberlandesgericht (OLG) Celle zurück, wo sich die dortigen Richter nun mit der Haftungsfrage befassen müssen.


Audi-Abgasskandal betrifft auch Porsche und VW


Bei den manipulierten Audi-Motoren handelt es sich um leistungsstarke 3.0- und 4.2-Liter-Motoren. Die Diesel-Motoren mit den Bezeichnungen EA896, EA897 und EA898 wurden in Fahrzeugen von Audi, Porsche und VW verbaut. Insgesamt wurden bisher allein in Deutschland fast eine halbe Million dieser Autos wegen des Audi-Abgasskandals zurückgerufen.


Im Zuge der Rückrufaktionen soll den Fahrzeugen ein Software-Update aufgespielt werden, um die Abgasreinigung der PKW zu normalisieren. Allerdings klagen viele Fahrzeughalter nach dem Aufspielen eines solchen Updates über Fahrzeugprobleme wie zum Beispiel ein erhöhter AdBlue-Verbrauch oder sogar Motorprobleme. Unter anderem deshalb haben die manipulierten Autos im Vergleich zu nicht-manipulierten Fahrzeugen stark an Wert verloren.

 

Diese Rechte haben betroffene Fahrzeughalter



Die Halter von illegal manipulierten Fahrzeugen haben die Möglichkeit, ihr Auto an den verantwortlichen Hersteller zurückzugeben. Im Gegenzug winkt eine finanzielle Entschädigung, die sich an dem ursprünglichen Kaufpreis orientiert. Alternativ ist es auch möglich, das manipulierte Fahrzeug zu behalten und eine Entschädigung in Höhe eines Teils des Kaufbeitrages durchzusetzen. Dadurch soll der Wertverlust, der durch den Abgasskandal entstanden ist, kompensiert werden.


Urteil vom 16. Dezember 2021 - VII ZR 389/21

BGH stärkt Diesel-Kläger – Haftung von Audi aber weiter ungeklärt


Bundesgerichtshof entscheidet über Schadensersatzansprüche gegen die AUDI AG im Zusammenhang mit einem "verbrieften Rückgaberecht"


Auch die VW-Tochter Audi hat bei ihren Motoren mit den Abgaswerten getrickst. Ob Autokäufer auf Schadenersatz hoffen können, bleibt vorerst offen.

Der Autobauer geht für sich davon aus, dass ein verbrieftes Rückgaberecht Klägerinnen und Klägern in einer niedrigen vierstelligen Anzahl von Verfahren zusteht.

Der Bundesgerichtshof (BGH) stärkt die Position von Diesel-Klägern, die ihr Auto per Ratenkauf finanziert haben. Ihnen kann auch dann Schadenersatz zustehen, wenn sie von einem Rückgaberecht im Darlehensvertrag keinen Gebrauch gemacht haben, urteilten die Karlsruher Richterinnen und Richter am Donnerstag in einem Audi-Fall. Die zentrale Frage, ob der VW-Tochterkonzern für Abgasmanipulationen an eigenen Motoren grundsätzlich haftet, blieb allerdings vorerst unbeantwortet. (Az. VII ZR 389/21)

Die Entscheidung zum sogenannten verbrieften Rückgaberecht ist auf andere vom Dieselskandal betroffene Automarken übertragbar. Es hält Kunden die Möglichkeit offen, das Auto mit Fälligkeit der Schlussrate zu einem festen Preis an den Händler zurück zu verkaufen.


25.11.2021

Schlappe vor BGH


Audi muss erstmals im Dieselskandal zahlen


Volkswagen hat die manipulierten Motoren zugeliefert, Audi hat sie verbaut - und muss auch dafür haften. Das entscheidet nun der Bundesgerichtshof und damit verliert Audi erstmals bei Diesel-Klagen. Die illegale Abgastechnik sei beim Ingolstädter Autobauer bekannt gewesen, erklärt der Richter.


Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Dieselskandal erstmals den Autohersteller Audi zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt. In vier Fällen muss die Volkswagen-Tochter nun Autokäufer dafür entschädigen, dass in ihre Fahrzeuge ein manipulierter VW-Motor eingebaut war. Der BGH bestätigte damit ein entsprechendes Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München und lehnte die von Audi beantragte Revision ab.


Der Vorsitzende Richter Rüdiger Pamp sagte in der Urteilsverkündung: "Das Oberlandesgericht München hat in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass Audi die Motoren in Kenntnis und in Bewusstsein ihrer Unzulässigkeit verwendete."


Die Münchner OLG-Richter waren im Jahr 2020 zu der Überzeugung gelangt, dass zumindest ein Verantwortlicher von Audi wusste, dass die vom Mutterkonzern bezogenen Motoren eine unzulässige Abschalteinrichtung enthielten und die Abgas-Emissionen dadurch manipulierte. Audi sei somit selbst beteiligt gewesen und müsse den Kunden den Kaufpreis des Fahrzeugs abzüglich einer Nutzungsentschädigung zurückzahlen. Diese Argumentation hielt der BGH für tragfähig. Bisher hatte der BGH alle Klagen gegen die VW-Tochter an die Vorinstanzen zurückverwiesen, weil er es nicht für ausreichend belegt hielt, dass führende Audi-Manager über die Manipulationen bei VW Bescheid wussten.


Im jetzigen Verfahren ging es um verschiedene Audi-Modelle, teils Gebrauchtwagen, die vier Käufer zum Preis zwischen 12.000 Euro und 30.000 Euro erworben hatten. In allen war der VW-Motor EA 189 verbaut. Als bekannt wurde, dass die Motoren bewusst manipuliert waren und die Abgaswerte im Straßenverkehr überschritten, wurde ein Software-Update entwickelt, das auch auf die Audi-Fahrzeuge aufgespielt wurde. Die meisten Käufer verklagten VW selbst auf Schadenersatz, manche aber auch Audi. Der Tochterkonzern bestreitet jedoch, etwas von den Manipulationen gewusst zu haben, als er Kauf und Einbau des VW-Dieselmotors beschloss.


Einigen Begründungen, die das OLG München für sein Urteil ebenfalls herangezogen hatte, folgte der BGH allerdings nicht. So verneinte der BGH in seinem Urteil, dass Audi schon deshalb ein Organisationsverschulden treffe, weil das Unternehmen dem Mutterkonzern VW die Typenzulassung des Motors vollständig übertrug. Diese und andere fehlerhafte Begründungen änderten laut BGH aber nichts daran, dass die Haftung von Audi im Ergebnis zu Recht bejaht wurde.


23.09.2021

EuGH-Generalanwalt stuft Thermofenster in Dieselmotoren als gesetzeswidrig ein


Jetzt wird es im Diesel-Abgasskandal für Autobauer, die die Abgasreinigung ihrer Dieselmotoren mit einem sogenannten Thermofenster regeln, sehr eng. Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) Athanasios Rantos bezeichnete Thermofenster als rechtswidrig. Volkswagen droht damit im Rechtsstreit um Abschalteinrichtungen am EuGH eine Schlappe. Der Generalanwalt stufte in einem Gutachten die bei Porsche und VW eingesetzten Thermofenster als gesetzeswidrig ein. Abgassysteme, bei denen die Abgasreinigung außerhalb eines vorgegebenen Temperaturbereichs und ab einer bestimmten Höhenlage gestoppt wird, verstießen gegen europäischer Recht (Az. C-134/20). In der Regel folgt das Gericht den Anträgen des Generalanwalts. Mit einem Urteil ist in einigen Monaten zu rechnen. Bereits im Dezember 2020 hat der EuGH Abschalteinrichtungen generell für illegal erklärt (Az. C-693/18). 

 

Chancen der Verbraucher auf Schadensersatz steigen Dank EuGH


Der EuGH erweist seinem verbraucherfreundlichen Ruf mal wieder alle Ehre. Wenn das Thermofenster in Dieselmotoren vom Gericht für illegal erklärt wird, steigen für Verbraucher die Chancen, ihre berechtigten Ansprüche im Abgasskandal gegen Autobauer wie VW, Daimler, Fiat, BMW und Opel vor Gericht durchzusetzen. In der Regel folgt der Gerichtshof dem Plädoyer des Generalanwalts. Geschädigte müssen durch die Folgen und Auswirkungen des Abgasskandals mit enormen Geldeinbußen kämpfen: Ihnen drohen Fahrverbote, Stilllegungen und Wertverluste, sofern sie die Ansprüche nicht rechtzeitig vor Gericht geltend machen. Verbraucher sollten eine Individualklage erheben. Die Chancen stehen nach aktueller Rechtsprechung sehr gut.


Schon am 17. Dezember 2020 hatte der EuGH in einem französischen Verfahren gegen VW klar gemacht, dass Abschalteinrichtungen generell gegen geltendes Recht verstoßen. In einem neuen VW-Verfahren hat der Generalanwalt diese Sichtweise in seinem Schlussplädoyer für das sogenannte Thermofenster konkretisiert. In dem Verfahren geht es um drei Fälle, die vor österreichischen Gerichten verhandelt wurden, in denen Autos mit einer Software ausgestattet waren, die in einem bestimmten Thermofenster mehr Emissionen von Stickoxid (NOx) zulässt. Wie die ARD-Tagesschau am 23. September 2021 berichtete, fällt nach Ansicht des Generalanwalts das Thermofenster nicht unter die Ausnahme, die für Einrichtungen vorgesehen ist, die den Motor vor Schäden schützen sollen. Das Thermofenster schone vor allem Anbauteile, deren Funktionieren nicht den Schutz des Motors berühre.


VW argumentiert vor Gerichten seit Jahren, dass die Thermofenster dem Schutz des Motors dienen. Nach Angaben des EuGH ließ die Software höhere Stickoxid-Emissionen zu, wenn es kälter als 15 beziehungsweise wärmer als 33 Grad Celsius war oder das Auto in mehr als 1000 Höhenmetern gefahren wurde. Im Straßenverkehr bedeutet das jedoch, dass die Abgasreinigung die meiste Zeit ausgeschalten ist, weil in den vergangenen Jahren die Durchschnittstemperatur in Deutschland und Österreich deutlich unter 15 Grad Celsius lag und Autos vielfach in Höhen von mehr als 1000 Metern unterwegs waren.


Bundesgerichtshof ignoriert bisher Rechtsprechung des EuGH


Sind für den EuGH Abschalteinrichtungen generell illegal, so sieht der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe die Sache etwas anders – besonders beim Thermofenster. In verschiedenen Urteilen zu Daimler-Verfahren hat sich der sechste Senat dahingehend geäußert, dass der Einbau eines Thermofensters alleine keine sittenwidrige und vorsätzliche Schädigung der Verbraucher darstelle. Da müsse mehr dazukommen – zum Beispiel der Genehmigungsbehörde den Einbau der Abschalteinrichtung verschwiegen zu haben (Az.: VI ZR 433/19 vom 19. Januar 2021). Der siebte Senat geht noch einen Schritt weiter und urteilte am 16. September 2021, dass am Thermofenster generell nichts verwerflich sei und es bei Daimler keine Betrugsabsicht gegeben habe (Az. VII ZR 190/20 u.a.).


Am EuGH sind bereits mehrere Vorabentscheidungsverfahren aus Deutschland anhängig, die die bisherige Rechtsprechung des BGH im Abgasskandal auf den Prüfstand stellen sollen. Da geht es vor allem um das Thema Nutzungsentschädigung. Wenn Gerichte Verbrauchern im Abgasskandal Schadensersatz zusprechen, so müssen sie sich eine von Laufleistung und Kilometerstand abhängige Entschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs vom Schadensersatz abziehen lassen. Viele Juristen und auch Gerichte sehen darin eine Übervorteilung des Schädigers.


Verbraucherkanzleien prüfen darüber hinaus derzeit im Hinblick auf die Thermofenster-Entscheidungen des BGH verfassungsrechtliche Schritte. Insgesamt erweckt die BGH-Rechtsprechung in Teilen den Eindruck, als wolle die Justiz die Autoindustrie kostengünstig aus dem Abgasskandal entlassen. Mit dem Thermofenster will übrigens VW den Abgasskandal um dem Motor EA189 aus der Welt schaffen. In dem dazu gehörenden Software-Update soll nach Meinung von Experten ein Thermofenster stecken. Und das wird jetzt wohl vom EuGH für rechtswidrig erklärt. Ein alter Skandal wird so zu neuem Leben erweckt.


Das Thermofenster ist offensichtlich von allen Autobauern in Dieselmotoren eingesetzt worden. Von den Medien wird es jedoch hauptsächlich im Zusammenhang mit dem Daimler-Skandal gesehen. Daimler bestreitet wie auch VW schon jegliches illegales Handeln. Merkwürdigerweise hat Daimler im Abgasskandal ein Bußgeld über 870 Millionen Euro bezahlen müssen. Es geht dabei um die Verletzung der Aufsichtspflicht gegenüber Mitarbeitern. Gerade ist auch ein Prozess gegen Daimler-Mitarbeiter zu Ende gegangen. Hier gab es Strafbefehle in bisher unbekannter Höhe. Die drei Angestellten mussten sich nicht zu den Vorwürfen äußern und werden im Unternehmen weiterbeschäftigt, berichtete am 22. September 2021 die Stuttgarter Zeitung.


29.07.2021

BGH trifft verbraucherfreundliche Entscheidung in Bezug auf die Verjährungsfrage im Dieselskandal


Die Verjährungsfrist im Rahmen des Abgasskandals

Die Richter am Bundesgerichtshof (BGH) haben heute eine verbraucherfreundliche Entscheidung im Rahmen des Abgasskandals getroffen. Demnach hängt die Verjährung von Rechtsansprüchen im Abgasskandal davon ab, wann der jeweilige PKW-Besitzer Kenntnis von der Manipulation seines Fahrzeugs erhielt. Die allgemeine Berichterstattung über den Abgasskandal reiche laut BGH nicht aus, um sämtliche betroffene PKW-Besitzer über die Manipulation ihrer Fahrzeuge zu informieren.


Gleichzeitig gaben die BGH-Richter bekannt, dass die Teilnahme an einer Musterfeststellungsklage die Verjährung von Rechtsansprüchen auch dann hemmt, wenn der Eintrag in das Klageregister möglicherweise erst nach dem Eintritt der Verjährung erfolgte. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Teilnahme an der Musterklage nur erfolgte, um die eigenen Rechte später im Rahmen einer Individualklage durchzusetzen.


Rechtlicher Hintergrund: Die Verjährungsfrist im Rahmen des Abgasskandals

Im Fall von Betrug oder sittenwidriger Schädigung gilt in Deutschland eine Verjährungsfrist in Höhe von drei Jahren zum Jahresende ab Kenntnis der geschädigten Personen. Das bedeutet, dass die Schadensersatzansprüche innerhalb dieses Zeitraumes geltend gemacht werden müssen, da sie ansonsten verjähren.


VW veröffentlichte im Jahr 2015 eine Ad-Hoc-Meldung, in der der Konzern die Öffentlichkeit über die Fahrzeug-Manipulationen informierte. Deshalb verjährten die Rechte von betroffenen Verbrauchern am 01. Januar 2019, wenn diese bereits im Zuge der Ad-Hoc-Mitteilung von dem Abgasskandal wussten. Allerdings wussten nur die wenigsten betroffenen Fahrzeughalter bereits durch die Veröffentlichung dieser Meldung, dass auch ihr Fahrzeug illegal manipuliert wurde.


Mit diesem Sachverhalt haben sich die BGH-Richter befasst

In dem aktuellen Verfahren haben sich die BGH-Richter mit einem VW Tiguan befasst, der 2013 als Gebrauchtwagen gekauft wurde. Der PKW enthält den nachweislich manipulierten VW-Motor mit der Bezeichnung EA 189. Der Kläger schloss sich laut eigenen Angaben im Jahr 2018 der sogenannten VW-Musterfeststellungsklage an. Durch diese Verbandsklage sollte festgestellt werden, ob die Halter von manipulierten VW-Fahrzeugen Anspruch auf Schadensersatz haben.


2019 meldete der Verbraucher seine Teilnahme an der VW-Musterfeststellungsklage wieder ab und ließ seine Rechte individuell gegen VW durchsetzen. Er forderte den Konzern dazu auf, ihn finanziell zu entschädigen. Schließlich hätte er seinen mittlerweile verkauften PKW nicht zu denselben Konditionen erworben, wenn er zum Kaufzeitpunkt von dem Betrug gewusst hätte.


Am Landgericht (LG) Dessau-Roßlau sowie dem Oberlandesgericht (OLG) Naumburg hatte der Kläger keinen Erfolg. Demnach könne er nicht belegen, dass er sich bereits 2018 in das Klageregister eingetragen hatte. Am 01. Januar 2019 seien die Rechte von betroffenen PKW-Haltern hingegen bereits verjährt gewesen. Ohnehin sei die Teilnahme an der Musterfeststellungsklage demnach rechtswidrig gewesen, wenn diese nur erfolgte, um noch im Jahr 2019 eine Individualklage zu erheben.


BGH hebt OLG-Entscheidung auf und positioniert sich verbraucherfreundlich

Die BGH-Richter hoben das Urteil des Oberlandesgerichts nun jedoch auf. Die verantwortlichen Richter entschieden nun, dass sich die Teilnahme an der VW-Musterfeststellungsklage auch dann verjährungshemmend auswirkt, wenn der Eintrag in das Klageregister erst im Jahr 2019 erfolgte. Hierbei spielt es keine Rolle, ob Verbraucher nur an der Musterklage teilnehmen, um anschließend individuell gegen den verantwortlichen Autohersteller vorzugehen.


Darüber hinaus könne laut BGH nicht davon ausgegangen werden, dass sämtliche betroffene Halter bereits 2015 von dem Abgasskandal erfuhren. Insofern müsse der Eintritt der Verjährungsfrist in der Sache von der individuellen Kenntnis jedes Verbrauchers abhängig gemacht werden. Der BGH hat das Verfahren deshalb an das Berufungsgericht zurückverwiesen, wo nun ein verbraucherfreundliches Urteil erwartet wird.


Hunderttausende Verbraucher profitieren von der BGH-Entscheidung

Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass die meisten Verbraucher erst durch den amtlichen Rückruf von der Manipulation ihres Autos erfahren haben. Auch der Bundesgerichtshof hat nun eingesehen, dass die mediale Berichterstattung allein nicht ausreicht, um sämtliche Halter über den Abgasskandal zu informieren.


Die Entscheidung betrifft Hunderttausende Halter von VW-Autos mit manipulierten Motoren der Bezeichnungen EA 288, EA 896, EA 897 und EA 898 sowie die Besitzer manipulierter Autos von Herstellern wie Daimler, Fiat oder Opel. Diese Fahrzeuge wurden größtenteils seit 2018 wegen des Abgasskandals zurückgerufen. Betroffene PKW-Besitzer haben dementsprechend noch mindestens bis zum 01. Januar 2022 Zeit, um ihre Rechtsansprüche in der Sache durchzusetzen.


Restschadensersatzansprüche bestehen bis zu zehn Jahre nach Kauf

Tatsächlich können betroffene VW-Halter unabhängig von der dreijährigen Verjährungsfrist auch heute noch Schadensersatzansprüche geltend machen. Mehrere Oberlandesgerichte bestätigten nämlich bereits, dass im Rahmen des VW-Abgasskandals sogenannte Restschadensersatzansprüche bestehen, die erst zehn Jahre nach dem jeweiligen Kaufzeitpunkt verjähren.

Durch diese Restschadensersatzansprüche sollen betroffene Halter für die wirtschaftliche Bereicherung durch den Skandal entschädigt werden.


19.04.2021

Im Abgasskandal bei VW sind Klagen auch heute noch aussichtsreich Verlängerung im Diesel-Abgasskandal bei VW 

OLG Koblenz verurteilt VW trotz eingetretener Verjährung


Kein Entrinnen in die Verjährung gibt es für VW im Diesel-Abgasskandal um den Motor EA189. Wie bereits die Oberlandesgerichte Oldenburg und Stuttgart so hat auch das Instanzgericht Koblenz am 31. März 2021 (Az. 7 U 1602/20) Volkswagen verurteilt. Und das obwohl die Klage erst im Juli 2020 eingereicht worden war, und der Bundesgerichtshof (BGH) in einem ersten Urteil davon ausgeht, dass bereits Ende 2018 der Abgasskandal verjährt war (Az. VI ZR 739/20). Hintergrund der verbraucherfreundlichen OLG-Urteile ist der Anspruch auf Restschadensersatz. Nach §852 BGB besteht dieser nach der eingetretenen üblichen dreijährigen Verjährung. Der Restschadensersatzanspruch erlischt erst zehn Jahre ab Kauf.


Im Abgasskandal von VW ist noch lange nichts verjährt


Was sich schon seit Monaten an Landgerichten angekündigt hatte, ist nun an den Oberlandesgerichten Koblenz, Oldenburg (Az. 4 O 195/20) und Stuttgart eingetreten. VW ist im Diesel-Abgasskandal trotz bereits eingetretener Verjährung verurteilt worden. Gerichte in Kiel, Magdeburg, Marburg, Hildesheim, Landshut und Trier hatten in den vergangenen Monaten eine Verurteilung nach §852 BGB von VW in Aussicht gestellt, obwohl die Ansprüche auf Schadensersatz aufgrund vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung (§826 BGB) in der üblichen Frist von drei Jahren ( §195, 199 BGB) verjährt sein dürften. Das Landgericht Karlsruhe war am 4. Dezember 2020 als erstes zu einer Verurteilung nach §852 BGB gekommen (Az. 4 O 195/20). Beim Restschadensersatz geht es um den finanziellen Vorteil, den sich der Schädiger – also VW – durch die Täuschung erschlichen hat.


Jetzt hat nach den Oberlandesgerichten Oldenburg und Stuttgart auch Koblenz mit seinem Urteil erneut Fakten in der zweiten Instanz geschaffen. Das Gericht erkannte den Anspruch auf Schadensersatz des klagenden VW-Kunden an. VW hat nach §826 BGB vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt. Allerdings sah das Gericht bereits die Verjährung nach §195, 199 BGB eingetreten. Die Klage war Mitte 2020 eingereicht worden und der VW-Skandal 2015 publik geworden. Nach Ansicht des Gerichts waren die VW-Fälle verjährt. Doch das Gericht erkannte den sogenannten Restschadensersatzanspruch nach §852 BGB an. Der Senat machte deutlich, dass der Verbraucher sich auf diesen Ersatzanspruch berufen kann. So kann der Kläger für seinen VW Polo 1.6 TDI noch mit rund 17.000 Euro rechnen. 2010 hatte er das Fahrzeug für rund 22.000 Euro gekauft. Das OLG Koblenz ließ die Revision zu. Daher ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.



Wer trickst und täuscht muss im deutschen Rechtssystem nicht hoffen, billig mittels Verjährung davonzukommen. Der Bundesgerichtshof hat sich bisher nicht abweisend zu den Ansprüchen aufgrund §852 BGB geäußert. In seinem VW-Urteil zum Thema Verjährung vom 17. Dezember 2020 (Az. VI ZR 739/20) gibt der Senat zu bedenken, dass ein Berufungsgericht die Möglichkeit des Restschadensanspruch nicht von sich aus prüfen müsse. Eine solche Prüfung setze einen Antrag des Klägers voraus. Die Kanzlei rät daher vom Abgasskandal betroffenen Verbrauchern dazu, sich anwaltlich beraten zu lassen. Klagen sind nach wie vor aussichtsreich – auch 2021. Erst recht nach dem OLG-Urteil und den Äußerungen des BGH. Die Fälle werden individuell geprüft, ehe man sich auf ein gemeinsames Vorgehen gegen den Autobauer einigt.


13.04.2021

Im Abgasskandal bei VW sind Klagen heute noch aussichtsreich

BGH fällt verbraucherfreundliches Urteil im Diesel-Abgasskandal

VW muss Kläger Finanzierungskosten erstatten


Der erste Diesel-Abgasskandal bei Volkswagen um den Motor EA189 ist noch längst nicht zu Ende. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 13. April 2020 ein verbraucherfreundliches Urteil zur Erstattung von Finanzierungskosten beim Autokauf verkündet (Az. VI ZR 274/20). Nach Ansicht des BGH sind die Kosten der Finanzierung wie etwa Zinsen und Gebühren dem Verbraucher zu erstatten, wenn seine Klage im Abgasskandal erfolgreich war. Für VW ist der erste Dieselskandal nicht ausgestanden. Erstens ist nichts verjährt. Zweitens gibt es Indizien, wonach das Software-Update zum EA189 unzulässig ist.


Deutliches Signal für mehr Verbraucherschutz durch den BGH


Für Kunden von Autobauern hat der BGH mit seinem vorliegenden Urteil ein verbraucherfreundliches Signal gesetzt. Sind Verbraucher sittenwidrig und vorsätzlich geschädigt worden, haben sie nicht nur ein Anrecht auf Rückabwicklung des Kaufvertrags, sondern auch auf die Erstattung der Finanzierungskosten für das Auto. Rund 65 Prozent der Neuwagen in Deutschland werden von Banken finanziert.


Hier die wichtigsten Eckdaten zum BGH-Urteil:


  • Die Klägerin erwarb im Februar 2013 von einem Autohaus einen gebrauchten VW Golf. Den Kaufpreis bezahlte sie zum Teil in bar, den Rest finanzierte sie mit einem Darlehen der Volkswagen Bank. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet.
  • Die Vorinstanzen haben VW aufgrund vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung nach §826 BGB zu Schadensersatz verurteilt. Strittig war zum Schluss noch die Frage, ob VW auch die Finanzierungskosten des Fahrzeugs in Höhe von 3.275,55 € (Darlehenszinsen und Kreditausfallversicherung) ersetzen muss.
  • Der sechste Zivilsenat urteilte, dass die Klägerin so zu stellen sei, als wäre es nicht zu dem Autokauf gekommen. „Hätte die Klägerin das Fahrzeug nicht gekauft, hätte sie den Kaufpreis nicht mit einem Darlehen der Volkswagen Bank teilweise finanziert. Die Beklagte hat daher neben dem Kaufpreis für das Fahrzeug auch die Finanzierungskosten in voller Höhe zu erstatten“, so der BGH in seiner Begründung. Durch die Finanzierung hatte die Klägerin keinen Liquiditätsvorteil. Dadurch erhöhten die Finanzierungskosten den objektiven Wert des Fahrzeugs nicht und vergrößerten damit auch nicht den Gebrauchsvorteil, den die Klägerin aus der Nutzung des Fahrzeugs gezogen hat. Deshalb lehnte der Senat es auch ab, die Finanzierung in den schadensmindernden Vorteilsausgleich miteinzubeziehen.

20.03.2021

Verjährungsfrist 10 Jahre seit Kauf

OLG Stuttgart verurteilt VW trotz eingetretener Verjährung


Für VW gibt es im ersten Diesel-Abgasskandal um den Motor EA189 kein Entrinnen in die Verjährung. Wie schon das Oberlandesgericht Oldenburg hat auch das Instanzgericht Stuttgart am 9. März 2021 (Az. 10 U 339/20) Volkswagen zur Rücknahme eines VW-Diesels verurteilt, obwohl die Klage erst 2020 eingereicht worden war und der Bundesgerichtshof (BGH) in einem ersten Urteil davon ausgeht, dass bereits Ende 2018 der Abgasskandal verjährt gewesen sein soll (Az. VI ZR 739/20). Hintergrund der verbraucherfreundlichen Urteile ist der Anspruch auf Restschadensersatz. Nach §852 BGB besteht der Anspruch nach der eingetretenen dreijährigen Verjährung. Beim Restschadensersatzanspruch tritt die Verjährung zehn Jahre ab Kauf ein.


Im Abgasskandal von VW ist noch lange nichts verjährt


Was sich schon seit Monaten an Landgerichten angekündigt hatte, ist nun an den Oberlandesgerichten Oldenburg (Az. 4 O 195/20) und Stuttgart eingetreten. VW ist im Diesel-Abgasskandal trotz bereits eingetretener Verjährung verurteilt worden. Gerichte in Kiel, Magdeburg, Marburg, Hildesheim, Landshut und Trier hatten in den vergangenen Monaten eine Verurteilung nach §852 BGB von VW in Aussicht gestellt, obwohl die Ansprüche auf Schadensersatz aufgrund vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung (§826 BGB) in der üblichen Frist von drei Jahren ( §195, 199 BGB) verjährt sein dürften. Das Landgericht Karlsruhe war am 4. Dezember 2020 als erstes zu einer Verurteilung nach §852 BGB gekommen (Az. 4 O 195/20). Beim Restschadensersatz geht es um den finanziellen Vorteil, den sich der Schädiger – also VW – durch die Täuschung erschlichen hat.


Jetzt hat nach dem Oberlandesgericht Oldenburg auch das OLG Stuttgart mit seinem Urteil erneut Fakten in der zweiten Instanz geschaffen. Das Gericht erkannte den Anspruch auf Schadensersatz des klagenden VW-Kunden an. VW hat nach §826 BGB vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt. Allerdings sah das Gericht bereits die Verjährung nach §195, 199 BGB eingetreten. Die Klage war Anfang 2020 eingereicht worden und der VW-Skandal 2015 publik geworden. Nach Ansicht des Gerichts waren die VW-Fälle Ende 2018 bereits verjährt. Doch das Gericht erkannte den sogenannten Restschadensersatzanspruch nach §852 BGB an. Der Senat machte deutlich, dass der Verbraucher sich auf diesen Ersatzanspruch berufen kann. So bekam der Kläger für seinen Anfang 2012 für 20.500 Euro gekauften VW Polo 1.6 TDI immerhin nach Abzug einer Nutzungsentschädigung noch 14.958,92 Euro zugesprochen. Er muss im Gegenzug VW den Polo aushändigen. Das Gericht hatte für den Diesel EA189 eine Laufleistung von 300.000 Euro festgesetzt.


Das Oberlandesgericht Stuttgart vertrat in dem Verfahren die Meinung, dass §852 BGB auch dann angewandt werden kann, wenn der Kläger das Fahrzeug nicht direkt von VW, sondern über einen Vertragshändler gekauft habe. Denn letztlich, so das Gericht, hat VW 85 Prozent des Kaufpreises nicht auf Kosten des Vertragshändlers erlangt, sondern auf Kosten des Käufers. Das Gericht folgte bei der Berechnung der Argumentation des Klägeranwalts. Von diesen 85 Prozent musste sich der Kläger die Nutzungsentschädigung abziehen lassen. Das OLG Stuttgart ließ die Revision zu. Daher ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.


§852 BGB lässt VW im Abgasskandal nicht aus der Verantwortung


Was bedeutet dieser Restschadensersatzanspruch in der Praxis:


  • Die Ansprüche auf eine Geldzahlung können laut § 852 BGB frühestens nach zehn Jahren verjähren. Hierbei handelt es sich um den sogenannten Restschadensersatzanspruch. Wer sich beispielsweise sittenwidrig einen finanziellen Vorteil verschafft hat, muss diesen Vorteil wieder zurückgeben.

  • Im BGB liest sich § 852 dann wörtlich folgendermaßen: „Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an […].“

09.03.2021

Im Diesel-Abgasskandal von VW ist nichts verjährt / OLG Oldenburg verurteilt Konzern trotz eingetretener Verjährung


Das Oberlandesgericht Oldenburg hat im Diesel-Abgasskandal von VW endgültig ein neues Kapitel aufgeschlagen. Noch ist nichts verjährt, lautet die kurze und einfache Botschaft. Obwohl der berechtigte Anspruch auf Schadensersatz nach Ansicht des Gerichts bereits verjährt war, hat der 12. Zivilsenat am 2. März 2021 VW zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt (Az. 12 U 161/20). Hintergrund: Nach §852 BGB besteht nach der eingetretenen Verjährung aus §195, 199 BGB der Restschadensersatzanspruch.


Im Abgasskandal von VW ist noch lange nichts verjährt


Was sich schon seit Monaten an Landgerichten angekündigt hatte, ist nun am Oberlandesgericht Oldenburg eingetreten. VW ist im Diesel-Abgasskandal trotz bereits eingetretener Verjährung verurteilt worden (Az. 4 O 195/20).


Jetzt hat das Oberlandesgericht Oldenburg mit seinem Urteil erstmals Fakten in der zweiten Instanz geschaffen. Das Gericht erkannte den Anspruch auf Schadensersatz des klagenden VW-Kunden an. VW hat nach §826 BGB vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt. Allerdings sah das Gericht bereits die Verjährung nach §195, 199 BGB eingetreten. Die Klage war Anfang 2020 eingereicht worden und der VW-Skandal 2015 publik geworden. Nach Ansicht des Gerichts waren die VW-Fälle Ende 2019 bereits verjährt. Doch das Gericht erkannte den sogenannten Restschadensersatzanspruch nach §852 BGB an. Der Senat macht deutlich, dass der Verbraucher sich auf diesen Ersatzanspruch berufen kann – und zwar in gleicher Höhe wie in der bereits verjährten Höhe. So bekam der Kläger für seinen Anfang 2012 für 25.950 Euro gekauften VW Caddy 2.0 TDI immerhin nach Abzug einer Nutzungsentschädigung noch 16.376,87 Euro zugesprochen.


Der Bundesgerichtshof hat sich bisher nicht abweisend zu den Ansprüchen aufgrund §852 BGB geäußert. In seinem VW-Urteil zum Thema Verjährung vom 17. Dezember 2020 (Az. VI ZR 739/20) gibt der Senat zu bedenken, dass ein Berufungsgericht die Möglichkeit des Restschadensanspruch nicht von sich aus prüfen müsse. Eine solche Prüfung setze einen Antrag des Klägers voraus.



Wir raten daher vom Abgasskandal betroffenen Verbrauchern dazu, sich anwaltlich beraten zu lassen. Klagen sind nach wie vor aussichtsreich. Erst recht nach dem OLG-Urteil und den Äußerungen des BGH. Die Fälle werden individuell geprüft, ehe man sich auf ein gemeinsames Vorgehen gegen den Autobauer einigt.


08.03.2021

Bundesgerichtshof BGH: Audi haftet nicht automatisch für VW-Abgasbetrug


Im Diesel-Skandal verlangen die allermeisten Autobesitzer Schadenersatz von Volkswagen. Es gibt aber auch Betroffene, die gegen die Konzerntochter Audi klagen. Haben sie aufs falsche Pferd gesetzt?


Anmerkung der Kanzlei RA Heimann:

Unsere Mandanten sind hiervon nicht betroffen, da wir von vorneherein auf das richtige Pferd – VW – als Beklagte gesetzt haben.


Karlsruhe - Diesel-Besitzer, die anstelle von Volkswagen die Konzerntochter Audi auf Schadenersatz verklagt haben, dürften eher schlechte Karten haben.


Der Bundesgerichtshof (BGH) setzte in einem Urteil von Montag deutlich höhere Hürden für eine Haftung im Abgasskandal. Dass der von VW entwickelte Skandalmotor EA189 auch von Audi in einigen Modellen eingesetzt wurde, reiche allein noch nicht aus, entschieden die obersten Zivilrichter in Karlsruhe in einem Musterfall aus Sachsen-Anhalt. (Az. VI ZR 505/19)


Bei VW gehen die BGH-Richter davon aus, dass dem Einsatz der illegalen Abgastechnik in Millionen Fahrzeugen eine strategische Entscheidung auf hoher Ebene zugrunde gelegen haben muss. Behörden und Kunden seien systematisch hinters Licht geführt worden. Denn in Wirklichkeit stießen die Autos zu viele Schadstoffe aus - nur im Test sorgte eine Software dafür, dass die Grenzwerte eingehalten wurden.


Deshalb können Kläger, die die Voraussetzungen erfüllen, grundsätzlich ihr Auto an VW zurückgeben. Sie bekommen aber nicht den vollen Kaufpreis wieder, sondern müssen sich die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Vor diesem Hintergrund hat sich VW seit dem Grundsatz-Urteil im Mai 2020 konzernweit in rund 34 000 Verfahren auf einen Vergleich geeinigt, ohne eine gerichtliche Entscheidung abzuwarten. Diese Kläger dürfen ihr Auto behalten.


Außerdem hatten gut 245.000 Betroffene durch einen Mustervergleich zwischen Volkswagen und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen Summen von 1350 bis 6257 Euro bekommen. Darunter sind auch Diesel-Besitzer, die keinen VW fahren, sondern einen Audi.


Verglichen damit richten sich eher wenige Schadenersatz-Klagen direkt gegen Audi. Der Ingolstädter Autobauer spricht von einer niedrigen vierstelligen Zahl laufender Gerichtsverfahren.


Für den Kläger in dem Musterfall war es zunächst gut gelaufen. Zuletzt hatte ihm das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg rund 20.000 Euro Schadenersatz plus Zinsen zugesprochen: Audi habe die unzulässige Abschalteinrichtung mit in Verkehr gebracht und hafte deshalb genauso wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung.


Mit dieser Begründung könnten Schadenersatz-Ansprüche aber nicht bejaht werden, sagte der Vorsitzende BGH-Richter Stephan Seiters bei der Urteilsverkündung. Voraussetzung für eine Haftung sei, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter von Audi den Tatbestand der sittenwidrigen Schädigung persönlich verwirklicht habe. Eine "Wisse

nszurechnung" über die Grenzen der Konzerngesellschaften hinweg ist nach Ansicht des Senats grundsätzlich nicht möglich.

Heißt im Klartext: Die Kläger müssen konkrete Anhaltspunkte dafür liefern, dass Audi an der strategischen Entscheidung im VW-Konzern beteiligt war oder zumindest von dem Abgasbetrug wusste. Das ist sehr viel mehr, als in den Verfahren gegen Volkswagen zu leisten ist. "Deshalb wäre im vorliegenden Fall eine Klage gegen die Muttergesellschaft VW deutlich einfacher gewesen", sagte Seiters.


Der Kläger bekommt zwar noch einmal Gelegenheit, seine Anschuldigungen gegen Audi in Naumburg zu präzisieren. Erst dort wird der Fall dann endgültig entschieden. Das dürfte aber sehr schwierig werden, wie BGH-Sprecherin Dietlind Weinland sagte.


Audi zeigte sich zuversichtlich, dass das OLG nun "unserer Rechtsauffassung folgen wird und einen Anspruch des Klägers verneint". Die Hürden seien hoch, teilte das Unternehmen mit. "Es fehlt aus unserer Sicht klar an einer sittenwidrigen Täuschungshandlung der Audi AG, die den Motor nicht entwickelt hat."


08.03.2021

Im Abgasskandal bei VW sind Klagen heute noch aussichtsreich Im Diesel-Abgasskandal ist noch nichts verjährt

OLG Oldenburg verurteilt VW aufgrund § 852 BGB trotz eingetretener Verjährung


Das Oberlandesgericht Oldenburg hat im Diesel-Abgasskandal von VW endgültig ein neues Kapitel aufgeschlagen. Noch ist nichts verjährt, lautet die kurze und einfache Botschaft. Obwohl der berechtigte Anspruch auf Schadensersatz nach Ansicht des Gerichts bereits verjährt war, hat der 12. Zivilsenat am 2. März 2021 VW zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt (Az. 12 U 161/20). Hintergrund: Nach § 852 BGB besteht nach der eingetretenen Verjährung aus §195, 199 BGB der Restschadensersatzanspruch. Beim Restschadensersatzanspruch tritt die Verjährung zehn Jahre ab Kauf ein.


Im Abgasskandal von VW ist noch lange nichts verjährt


Was sich schon seit Monaten an Landgerichten angekündigt hatte, ist nun am Oberlandesgericht Oldenburg eingetreten. VW ist im Diesel-Abgasskandal trotz bereits eingetretener Verjährung verurteilt worden (Az. 4 O 195/20). Gerichte in Kiel, Magdeburg, Marburg und Trier hatten in den vergangenen Monaten eine Verurteilung nach § 852 BGB von VW in Aussicht gestellt, obwohl die Ansprüche auf Schadensersatz nach der üblichen Frist von drei Jahren verjährt sein dürften. Am Landgericht Karlsruhe war es bereits zu einer Verurteilung nach § 852 BGB gekommen. Zum Beispiel stellte das Landgericht Trier in einer Verfügung vom 8. Oktober 2020 fest, dass nach § 852 BGB ein sogenannter Anspruch auf Restschadensersatz bestehen könnte (Az. 5 O 173/20). Der verjährt erst zehn Jahre nach Kauf des Fahrzeugs. Beim Restschadensersatz geht es um den finanziellen Vorteil, den sich der Schädiger – also VW – durch die Täuschung erschlichen hat. Wir weisen seit Monaten darauf hin, dass im VW-Skandal noch nichts verjährt ist.


Jetzt hat das Oberlandesgericht Oldenburg mit seinem Urteil erstmals Fakten in der zweiten Instanz geschaffen. Das Gericht erkannte den Anspruch auf Schadensersatz des klagenden VW-Kunden an. VW hat nach §826 BGB vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt. Allerdings sah das Gericht bereits die Verjährung nach § 195, 199 BGB eingetreten. Die Klage war Anfang 2020 eingereicht worden und der VW-Skandal 2015 publik geworden. Nach Ansicht des Gerichts waren die VW-Fälle Ende 2019 bereits verjährt. Doch das Gericht erkannte den sogenannten Restschadensersatzanspruch nach § 852 BGB an. Der Senat macht deutlich, dass der Verbraucher sich auf diesen Ersatzanspruch berufen kann – und zwar in gleicher Höhe wie in der bereits verjährten Höhe. So bekam der Kläger für seinen Anfang 2012 für 25.950 Euro gekauften VW Caddy 2.0 TDI immerhin nach Abzug einer Nutzungsentschädigung noch 16.376,87 Euro zugesprochen.


Wer trickst und täuscht muss im deutschen Rechtssystem nicht hoffen, billig mittels Verjährung davonzukommen. Der Bundesgerichtshof hat sich bisher nicht abweisend zu den Ansprüchen aufgrund § 852 BGB geäußert. In seinem VW-Urteil zum Thema Verjährung vom 17. Dezember 2020 (Az. VI ZR 739/20) gibt der Senat zu bedenken, dass ein Berufungsgericht die Möglichkeit des Restschadensanspruch nicht von sich aus prüfen müsse. Eine solche Prüfung setze einen Antrag des Klägers voraus. Wir raten daher vom Abgasskandal betroffenen Verbrauchern dazu, sich anwaltlich beraten zu lassen. Klagen sind nach wie vor aussichtsreich. Erst recht nach dem OLG-Urteil und den Äußerungen des BGH.

 

§ 852 BGB lässt VW im Abgasskandal nicht aus der Verantwortung


Was bedeutet dieser Restschadensersatzanspruch in der Praxis. Gerichte in Marburg, Magdeburg, Kiel und Trier haben eine Verurteilung von VW nach §852 BGB bereits angekündigt oder ziehen es in Betracht. Das Landgericht Karlsruhe hat jetzt VW verurteilt, ebenso das Oberlandesgericht in Oldenburg. 


  • Die Ansprüche auf eine Geldzahlung können laut § 852 BGB frühestens nach zehn Jahren verjähren. Hierbei handelt es sich um den sogenannten Restschadensersatzanspruch. Wer sich beispielsweise sittenwidrig einen finanziellen Vorteil verschafft hat, muss diesen Vorteil wieder zurückgeben.

  • Im BGB liest sich § 852 dann wörtlich folgendermaßen: „Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an […].“

29. Januar 2021

Audi 3,0 l - Positive Urteile für Verbraucher am Landgericht Ingolstadt

Audi AG im Januar 2021 mehrfach zu Schadensersatz verurteilt.


In einem aktuellen Urteil vom 15.01.2021, AZ 41 O 2193/19, hat das Landgericht Ingolstadt einem Kläger, der 2016 einen Audi A6, 3 Liter Diesel mit Euro 6 Norm gekauft hatte, in einer Klage gegen die Audi AG einen Schadensersatz in Höhe von 30.350,00 EUR zugesprochen. In seinen Urteilsgründen stellt das Landgericht Ingolstadt fest: „…das streitgegenständliche Fahrzeug über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfügt, steht zur Überzeugung des Gerichts hinreichend durch den hier aus anderen anhängigen Verfahren gerichtsbekannten (…) Rückrufbescheid des Kraftfahrtbundesamtes für den gegenständlichen Fahrzeugtyp fest. Der Rückruf bezieht sich explizit auf die Entfernung einer unzulässigen Abschalteinrichtung.“


LG Ingolstadt sieht illegale Abschalteinrichtungen bei Audi A6 3 Liter Diesel Euro 6 Fahrzeug als erwiesen an


Tatsächlich sind fast alle 3.0 Liter Diesel-Fahrzeugmodelle der Marken VW, Audi und Porsche mit der Schadstoffklasse Euro 6 bereits wegen illegaler Abschaltvorrichtungen vom Kraftfahrtbundesamt zurückgerufen worden. Weitere Rückrufe ergingen seit Ende 2019 auch bei den 3.0 Liter Modellen des Konzerns der Schadstoffklasse Euro 5. Auch hier gibt es Klagen und Urteile gegen die Autohersteller.


LG Ingolstadt verurteilt Audi AG zu 27.863,00 EUR Schadensersatz bei einem Audi A6 3 Liter Euro 6


Erfolg hatte im Januar 2021 auch eine Klägerin, die ihren Audi A6, 3 Liter Diesel, Euro 6 im Oktober 2018 gebraucht gekauft hatte. Im Urteil vom 19.01.2021 verurteilte das Landgericht Ingolstadt (Az. 81 O 2310/19) die Audi AG in diesem Fall zu 27.863,00 EUR Schadensersatz. Besonderheit bei diesem Fall, der Kauf des Fahrzeugs erfolgte erst nach der Bekanntmachung durch das Kraftfahrtbundesamt im Juni 2018, dass Fahrzeuge dieses Typs zurückgerufen werden. Von der Audi AG wurde die Klägerin im Januar 2019 darüber informiert, dass ein Software Update an ihrem Fahrzeug vorgenommen werden muss. Nach Ansicht des Gerichts waren hier Mitteilungen der Audi AG an Vertragshändler und auch Pressemitteilungen über die Manipulationen an bestimmten Fahrzeugtypen nicht geeignet, den Vorwurf der Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Audi AG gegenüber der Klägerin entfallen zu lassen. Daher sah das Gericht den Anspruch auf Schadensersatz wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch die Audi AG auch bei einem Kauf des PKW erst Ende 2018 als gegeben an.


11. Januar 2021

Wieder Hoffnung in sogenannten Kauf nach Kenntnis Verfahren


Spektakuläres Urteil des OLG Köln.


Der 20. Senat des Oberlandesgerichts Köln (OLG Köln vom 18.12.2020, Az. 20 U 288/19) gibt Käufern von 2 Liter VW, Seat, Audi und Skoda Dieselfahrzeugen, die das Auto erst nach Herbst 2015 gekauft haben, wieder Hoffnung.


Das OLG Köln folgte dem Kläger und wies trotz des Urteils des BGH vom 30. Juli 2015 – VI ZR 5/20 die Berufung der in der ersten Instanz unterlegenen Volkswagen AG ab. In diesem Verfahren ging es um die Klage eines Tiguan-Fahrers, der sein Auto zwar nach der sog. ad-hoc-Mitteilung von VW im September 2015 jedoch bereits mit aufgespieltem Software-Update im Dezember 2016 gekauft hatte.

 

Der BGH schien im letzten Jahr die Tür für Ansprüche von Spätkäufern, die ihr Fahrzeug nach dem 22.09.2015 gekauft haben, zugemacht zu haben. Das OLG Köln hat nun erfreulicherweise gegen die allgemeine Tendenz der Obergerichte, die BGH-Rechtsprechung–blind, also ohne Berücksichtigung des konkreten Vortrags im jeweiligen Einzelfall zu übernehmen, pro Kläger entschieden. Das muss Schule machen, denn das BGH-Urteil beruht auf einem für viele Fälle unzutreffenden, also nicht übertragbaren Sachverhalt.


OLG Köln gibt Spätkäufern, also Käufern, die ihr Dieselfahrzeug erst nach Herbst 2015 erworben haben, wieder Hoffnung


Der BGH hatte im Juli 2020 noch angenommen, dass VW durch diese ad- hoc- Mitteilung reinen Tisch gemacht hatte und Käufer von 2 Liter Fahrzeugen mit Euro 5 Norm nach dieser Mitteilung nicht mehr arglos waren und deshalb kein sittenwidriges Verhalten mehr seitens VW gegeben sei, was aber die Voraussetzung ist, um Schadensersatz fordern zu können.


Das sieht das OLG Köln nun anders. Der 20. Senat spricht in seinem Urteil davon, dass das Software-Update nicht zu einem gesetzeskonformen Zustand des Fahrzeugs geführt und die Volkswagen AG dies durch eine weitere Manipulation des „On Board Diagnosis-Systems“ zu verschleiern versucht habe. Daher sei das von VW an den Tag gelegte Verhalten weiterhin als sittenwidrig zu bewerten und ein Schadensersatzanspruch weiter gegeben.


Software Update beseitigt die Mängel am Fahrzeug nicht und führt nicht zu gesetzmäßigem Zustand


Und die Richter am OLG Köln werden noch deutlicher: Im Gesamtzusammenhang des Verhaltens von Volkswagen zielte die Mitteilung im September 2015 tatsächlich im Gegenteil eher darauf ab, soviel wie möglich von dieser Arglosigkeit (bei den Käufern) zu erhalten, also sie über die Manipulationen an den Fahrzeugen weiter zu täuschen und mit der Zusage eines vom KBA genehmigten Updates, welches angeblich alle Mängel beseitigen würde, weiterhin- auf Deutsch gesagt- für dumm zu verkaufen.


Auch der zweite Satz der ad hoc Mitteilung „Die aktuell in der Europäischen Union angebotenen Neuwagen mit Dieselantrieb EU 6 aus dem Volkswagen Konzern erfüllen die gesetzlichen Anforderungen und Umweltnormen“ erscheint rückblickend wenig glaubwürdig.


Tatsächlich sind fast alle 3.0 Liter Diesel-Fahrzeugmodelle der Marken VW, Audi und Porsche, der Schadstoffklasse Euro 6, bereits wegen illegaler Abschaltvorrichtungen vom KBA zurückgerufen worden. Weitere Rückrufe ergehen derzeit auch bei den 3.0 Liter Modellen der Schadstoffklasse Euro 5.


Und auch da ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Es bestehen auch bei den 2.0 Liter Dieselmodellen des Konzerns berechtigte Zweifel daran, dass der Nachfolger des Skandalmotors EA189- der EA 288- sauber ist. Es gibt auch hier schon 15 Landgerichte, die VW diesbezüglich zu Schadensersatz in erster Instanz verurteilt haben.


18.12.2020

EuGH-Urteil: Abgasskandal holt gesamte Automobilindustrie ein


Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich verbraucherfreundlich im Dieselskandal positioniert. Die verantwortlichen Richter bewerteten Abschalteinrichtungen in Fahrzeugen als illegal, sofern der Schadstoffausstoß dadurch im normalen Straßenbetrieb über den Werten auf dem Prüfstand liegt. Der Abgasskandal holt nun nahezu sämtliche namhafte Fahrzeughersteller ein. Der Automobilindustrie drohen Rekord-Rückruf- und –Klagewellen.


Das Urteil bringt fünf Jahre nach dem Bekanntwerden des Dieselskandals sehr viel Klarheit in die Sache. Schon lange steht fest, dass nicht nur Volkswagen die eigenen Automobile manipuliert hat. Auch weitere große Autobauer wie Daimler, BMW, Volvo und Fiat haben Abschalteinrichtungen in ihren Fahrzeugen verbaut. Nun ist klar: Diese Form der Manipulation war illegal. Für betroffene PKW-Halter standen die Chancen nie besser, erfolgreich Schadensersatzansprüche durchzusetzen.


Bislang rechtfertigten viele Hersteller die Verwendung von Abschalteinrichtungen mit dem Schutz des Motors. Dieser Argumentation folgten die EuGH-Richter jedoch nicht. So sei eine Abschalteinrichtung nur dann erlaubt, wenn der Motor ohne die Abschalteinrichtung unmittelbare Schäden erleidet oder wichtige Funktionen wie die Lenkung ausfallen würden. Im Normalfall schützen Abschalteinrichtungen jedoch höchstens vor dem Verschleiß oder der Verschmutzung des jeweiligen Motors.


Der Abgasskandal wird uns wohl trotz dieses Urteils noch einige Zeit begleiten. Die nationalen Gerichte müssen im nächsten Schritt die Legalität der verschiedenen Abschalteinrichtungen der unterschiedlichen Hersteller einzeln bewerten. Dabei werden sie sich an der verbraucherfreundlichen Rechtsauslegung des EuGH orientieren. 


In Deutschland hat der Bundesgerichtshof diesbezüglich bereits zwei Verfahren angesetzt: Im Februar befassen sich die BGH-Richter mit der Zulässigkeit des VW-Software-Updates, das ebenfalls eine Abschalteinrichtung enthält. Im März steht dann ein Verfahren im Rahmen des Daimler-Dieselskandals an.

 

Deutsche PKW-Halter sollten sich schnell wehren – Verjährung droht


Für betroffene Verbraucher entsteht durch den Abgasskandal ein enormer Schaden. Die Nachfrage nach Dieselfahrzeugen ist in den vergangenen Jahren bereits stark eingebrochen und die Fahrzeuge haben aufgrund des Abgasskandals an Wert verloren. Dieser Wertverlust betrifft nachweislich manipulierte Autos umso mehr. 


Die Halter von manipulierten Fahrzeugen können sich jedoch gegen den Betrug wehren und hohe Entschädigungen durchsetzen. Wir raten betroffenen PKW-Besitzern, ihre Ansprüche schnell geltend zu machen. Der deutsche Bundesgerichtshof positionierte sich nämlich zuletzt nicht sehr verbraucherfreundlich zum Thema Verjährung im Abgasskandal. Wer zu lange mit der Durchsetzung seiner Rechte wartet, hat demnach möglicherweise keinen vollen Schadensersatzanspruch mehr.   


Das sind die Verbraucherrechte im Abgasskandal 


Vom Abgasskandal betroffene Fahrzeughalter können die Auszahlung des vollständigen Kaufpreises ihres Fahrzeuges bei dem jeweiligen Hersteller geltend machen und ihr Auto dafür zurückgeben. Alternativ gibt es auch die Möglichkeit, das Fahrzeug weiter zu nutzen und einen Teil des Kaufpreises als Entschädigung zu erstreiten.   


30.11.2020

BGH terminiert neues Dieselskandal-Verfahren


Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute ein neues Verfahren im Rahmen des Dieselskandals terminiert. Am 23. Februar 2021 wollen die obersten Richter Deutschlands klären, ob Audi für den Einbau des manipulierten VW-Motors EA 189 haftbar gemacht werden kann. Ein Urteil in der Sache wird wenige Tage nach dem Verhandlungstermin erwartet.


Das sind die Hintergründe des Verfahrens


In dem Verfahren geht es um einen Audi A6, der 2015 gekauft und von Audi mit dem nachweislich manipulierten Dieselmotor EA 189 ausgestattet wurde. Dieser Motor wurde von VW entwickelt, aber auch in Fahrzeugen der Tochterunternehmen Audi, Seat, Skoda und Porsche verbaut. 


Dem Kläger in dem aktuell terminierten BGH-Verfahren wurde in den beiden Vorinstanzen am Landgericht Halle sowie dem Oberlandesgericht Naumburg Schadensersatz zugesprochen. Audi soll den manipulierten PKW zurücknehmen und dem Kläger dafür den ursprünglichen Kaufpreis sowie Verzugszinsen auszahlen. Lediglich die bisherige Laufleistung muss sich der Kläger negativ anrechnen lassen. Der Bundesgerichtshof soll nun endgültig klären, ob Audi in der Sache haftbar gemacht werden kann, obwohl der eingebaute Motor von VW entwickelt wurde.


Weitere Abgasskandal-Verhandlungen vor dem BGH



Noch im Dezember befassen sich die Richter am Bundesgerichtshof mit der Verjährungsfrist im VW-Abgasskandal. Am selben Tag soll zudem geklärt werden, ob auch Daimler illegale Abschalteinrichtungen in diversen Mercedes-Benz-Modellen verbaut hat. Am 23. Februar 2021 befassen sich die obersten Richter Deutschlands zudem mit der Frage, ob auch das VW-Software-Update eine illegale Abschalteinrichtung enthält. Zahlreiche manipulierte VW-Fahrzeuge erhielten dieses Update eigentlich, um endlich sauber zu werden.


25.09.2020

Vier Monate nach dem BGH-Urteil: Das ist die aktuelle Lage


Seit genau vier Monaten herrscht für deutsche Verbraucher Rechtssicherheit im Dieselskandal: Am 25. Mai 2020 verurteilten die obersten deutschen Richter am Bundesgerichtshof (BGH) Volkswagen erstmals in der Sache und sprachen dem Kläger Schadensersatz zu. Seitdem haben betroffene Verbraucher hierzulande die Gewissheit, dass sie ihr manipuliertes Fahrzeug für eine hohe Entschädigung an VW zurückgeben können.


BGH-Urteil bringt Rechtssicherheit: Diese Entschädigungen stehen Verbrauchern zu


Vom Abgasskandal betroffene Fahrzeughalter können mit Hilfe einer Rechtsanwaltskanzlei die Auszahlung des vollständigen Kaufpreises ihres Fahrzeuges bei dem jeweiligen Hersteller geltend machen und ihr Auto dafür zurückgeben. Der individuelle Schadensersatz setzt sich aus dem ursprünglichen Kaufpreis des Fahrzeuges abzüglich einer sogenannten Nutzungsentschädigung zusammen. Letztere soll den Wertverlust des jeweiligen Fahrzeugs aufgrund der bisherigen Nutzung darstellen.


Die Höhe der Nutzungsentschädigung berechnet sich aus dem Anteil der bisher zurückgelegten Kilometer an der maximalen Laufleistung jedes Fahrzeuges. Diese maximale Laufleistung wird in der Regel mit etwa 250.000 bis 350.000 Kilometern beziffert. Hat ein Auto also 150.000 Kilometer zurückgelegt und es wird eine Maximalleistung von 300.000 Kilometern angenommen, wird eine Nutzungsentschädigung von 50 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises von der Entschädigungssumme abgezogen. Der Kläger bekäme folglich eine Entschädigung in Höhe der Hälfte des ursprünglichen Kaufpreises.


Verzugszinsen erhöhen die Entschädigungssumme


Während sich die Nutzungsentschädigung negativ auf die jeweilige Entschädigungssumme auswirkt, wird diese durch die Auszahlung von Verzugszinsen erhöht. Diese Zinsen in Höhe von aktuell 4,12 Prozent pro Jahr muss Volkswagen betroffenen Klägern ab dem Tag der Klage-Erhebung auszahlen, denn ab diesem Datum haben die jeweiligen Halter ihr Recht auf die Rückabwicklung ihres PKW geltend gemacht. Sie mussten ihren PKW demnach bis zum Ende des Verfahrens behalten, obwohl sie diesen eigentlich abgeben wollten.


Entschädigung sichern und PKW behalten


Alternativ gibt es auch die Möglichkeit, das Fahrzeug weiter zu nutzen und nur einen Teil des Kaufpreises als Entschädigung zu erstreiten. Dies ergibt vor allem für Vielfahrer Sinn, die bereits mehr als 200.000 Kilometer mit ihrem PKW zurückgelegt haben. In der Regel erhalten die PKW-Besitzer in diesem Fall höhere Schadensersatz-Summen als bei einer Fahrzeugrückgabe. In der Regel können betroffene Halter auf diesem Weg nämlich 20 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises durchsetzen.


Dieselskandal holt zahlreiche Hersteller ein


Bislang gilt das BGH-Urteil nur für VW-Fahrzeuge mit dem Motor EA 189. Doch grundsätzlich gilt es für sämtliche illegal manipulierten PKW und nahezu alle internationalen Fahrzeughersteller haben illegale Abschalteinrichtungen in ihren Fahrzeugen eingebaut. 


Im Oktober muss sich die Mercedes-Benz-Muttergesellschaft Daimler deshalb bereits vor dem Bundesgerichtshof verantworten. Doch auch Autobauer wie BMW, Mitsubishi oder Volvo könnte der Dieselskandal noch in diesem Jahr endgültig einholen: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird wohl noch in diesem Jahr definieren, wann eine Abschalteinrichtung als illegal einzustufen ist. Diese Entscheidung könnte zu mehreren Millionen Fahrzeugrückrufen in ganz Europa führen.


Das sind die Verbraucherrechte im Abgasskandal


Vom Abgasskandal betroffene Fahrzeughalter können die Auszahlung des vollständigen Kaufpreises ihres Fahrzeuges bei dem jeweiligen Hersteller geltend machen und ihr Auto dafür zurückgeben. Alternativ gibt es auch die Möglichkeit, das Fahrzeug weiter zu nutzen und einen Teil des Kaufpreises als Entschädigung zu erstreiten. 


So setzen sich die Entschädigung zusammen



Die jeweilige Entschädigungssumme im Abgasskandal setzt sich aus dem ursprünglichen Kaufpreis des Fahrzeuges abzüglich einer Nutzungsentschädigung zusammen. Letztere ist abhängig von der individuellen Laufleistung des jeweiligen Fahrzeuges. Darüber hinaus erhalten die betroffenen Kläger Verzugszinsen, die die Entschädigungssumme erhöhen. 


07.09.2020

Sensationsurteil im Diesel-Abgasskandal: LG Dortmund verurteilt VW aufgrund des Software-Updates zum EA189 / Kauf ab 2015: Klagen auch nach BGH-Urteil möglich


Der Diesel-Abgasskandal ist für VW noch nicht zu Ende. Erstmals hat ein Gericht VW aufgrund des aufgespielten Software-Updates am Dieselmotor EA189 verurteilt. Das Landgericht Dortmund wertete das Update als illegale Abschalteinrichtung. Denn der Kläger hatte sein Fahrzeug erst nach Bekanntwerden des Abgasskandals erworben. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 30. Juli 2020 (Az. VI ZR 5/20) stünde ihm deshalb kein Anspruch auf Schadensersatz zu. Durch das Software-Update, so das Gericht in seiner Begründung, hat VW den Verbraucher jedoch sittenwidrig getäuscht.


Software-Update am EA189 ist laut Gericht illegales Thermofenster


Das Landgericht Dortmund hat im vorliegenden Fall mit Urteil vom 28. August 2020 (Az. 4 0 53/20) ein neues Kapitel im ersten Diesel-Abgasskandal geschrieben. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst die wichtigsten Fakten zum Urteil zusammen und weist auf Entwicklungen am Europäischen Gerichtshof (EuGH) hin:


  • Der Kläger hatte seinen Audi A4 im Juli 2016 für 23.990 Euro erworben. Im Dieselmotor EA189 ist durch das Software-Update eine illegale Abschalteinrichtung aufgespielt worden. Audi hat den Verbraucher vorsätzlich und sittenwidrig getäuscht. Daher wird Audi aufgrund § 826 BGB für alle Schäden, die durch das Update am Fahrzeug entstehen haftbar gemacht. Dem Kläger steht daher Schadensersatz zu.


  • Auch nach dem Aufspielen des Updates hat das Fahrzeug die Grenzwerte bei der Abgasreinigung nicht einhalten können. Das hat die Deutsche Umwelthilfe mit Untersuchungen zum Software-Update nachgewiesen. Das Update ist ein „Thermofenster“.


  • Mit dem sogenannten „Thermofenster“ wird die Abgasnachbehandlung außerhalb eines Temperaturfensters von 17 °C bis 33 °C reduziert. Letztlich funktioniert die Abgasreinigung deshalb nur an wenigen Monaten im Jahr. Im Hinblick auf Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007 sah das Gericht keine Notwendigkeit für den Einbau eines Thermofensters, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten.


  • Audi, so das Gericht, ist im Verfahren seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen und hat sich weder zur genauen Ausgestaltung noch zur Erforderlichkeit des Thermofensters geäußert.


  • Weitere Ansprüche im Hinblick auf die erste unzulässige Abschalteinrichtung am Motor EA189 wies das Gericht jedoch zurück. „Der Kläger hatte das Fahrzeug erst im Juli 2016 erworben. Insoweit fehlt es aber nach der Rechtsprechung des BGH ab dem 22.09.2015 an der erforderlichen Sittenwidrigkeit, weil die Beklagte mit der Problematik zu diesem Zeitpunkt hinreichend in die Öffentlichkeit gegangen war,“ betonte das Gericht.


  • Durch das Aufspielen des Software-Updates ist ein neuer Tatbestand entstanden. Zu dieser Problematik hatte sich der BGH in seinen vier Urteilen zum VW-Skandal nicht geäußert. Auch zur Verjährung sagten die Richter nichts.


  • Am EuGH in Luxemburg sind am 30. April 2020 in einem Gutachten zum Diesel-Abgasskandal von VW temperaturabhängige Abschalteinrichtungen wie das Thermofenster als unzulässig eingestuft worden. Mit einem richtungsweisenden Urteil wird noch in diesem Jahr gerechnet.



  • Besonders spannend erweist sich auch die EuGH-Vorlage des Verwaltungsgerichts Schleswig (Az. 3 A 113/18). Hier geht es letztlich um die Zulässigkeit des Software-Updates, das Volkswagen in vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge mit dem Motor EA 189 aufgespielt hat. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hatte am 20. Juni 2016 dem Update seinen Segen gegeben. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) reichte gegen den Zulassungsbescheid Klage ein, weil sie das Update weiterhin für eine illegale Manipulation hält. Das VG Schleswig reichte das Verfahren zum EuGH weiter.

30.07.2020

BGH: Software-Update behebt Schaden der Verbraucher im Diesel-Abgasskandal von VW nicht / Klagen sind weiter möglich


Das von der Volkswagen AG im Diesel-Abgasskandal angebotene und aufgespielte Software-Update für den Motor EA189 hat den Schaden der Verbraucher nicht behoben. Daran ließ der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 30. Juli 2020 keine Zweifel (Az. VI ZR 367/19) aufkommen. Damit können weiterhin betroffene VW-Kunden, die sich das Update haben aufspielen lassen, immer noch Schadensersatz von VW vor Gericht einfordern. VW hat die Verbraucher arglistig betrogen. Der BGH hat das bereits am 25. Mai 2020 festgestellt (VI ZR 252/19).


BGH sieht im Software-Update von VW keine Schadensbehebung


Im vorliegenden Verfahren (Az. 7 U 352/18) hatte das Oberlandesgericht Braunschweig die Ansicht vertreten, dass dem Kläger kein Schaden entstanden sei, da er die abgasbeeinflussende Software schon vor der erstmaligen Geltendmachung seines Anspruchs durch das Software-Update habe beseitigen lassen. Dem widersprach der BGH mit deutlichen Worten:


„Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der für einen Anspruch aus § 826 BGB erforderliche Schaden des Klägers nicht dadurch entfallen, dass dieser das von der Beklagten entwickelte Software-Update durchgeführt hat. Liegt der Schaden - wie das Berufungsgericht unterstellt hat - in einem unter Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des Klägers sittenwidrig herbeigeführten ungewollten Vertragsschluss, so entfällt dieser Schaden nicht dadurch, dass sich der Wert oder Zustand des Vertragsgegenstandes nachträglich verändern. Ein solcher Schaden fällt auch unter den Schutzzweck des § 826 BGB.“



Heißt: Der Schaden des Verbrauchers ist in dem Moment entstanden, als er den Kaufvertrag abgeschlossen hat. Niemals hätte er das Fahrzeug erworben, wenn er gewusst hätte, dass die Abgasreinigung auf illegaler Art und Weise manipuliert und das Auto von einer behördlichen Stilllegung bedroht war. VW ist in solchen Fällen nach Ansicht des BGH haftbar und zu Schadensersatz verpflichtet.


09.07.2020
EuGH: Schwere Schlappe für VW
Verbraucher können im Diesel-Abgasskandal auch außerhalb von Deutschland klagen

VW hat im Diesel-Abgasskandal auf europäischer Ebene eine schwere Schlappe einstecken müssen. Verbraucher außerhalb Deutschlands haben nun die Möglichkeit, ihre Rechte gegen den Autobauer in ihren Heimatländern einzuklagen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) fällte am 9. Juli 2020 ein verbraucherfreundliches Urteil (Az. C-343/19). Vom Vergleich zur Musterfeststellungsklage hatte VW Verbraucher außerhalb Deutschlands ausgeschlossen. Mit diesem Trick wollte VW offensichtlich Geld sparen. Normalerweise müssen Klagen im Herkunftsland eines Herstellers geführt werden. Der EuGH definierte nun eine Ausnahme.

Grandioser Erfolg für Verbraucher in Österreich gegen VW

Da hat sich die Volkswagen AG gehörig verrechnet. Im Vergleich zur Musterfeststellungsklage waren Kläger außerhalb Deutschlands kurzerhand noch ausgeschlossen worden. Doch diese Kläger können nun nach einem Urteil des EuGH VW in ihren eigenen Heimatländern zur Rechenschaft ziehen. Konkret ging es in dem Verfahren um 574 Käufer manipulierter VW-Fahrzeuge, die ihre Rechte an den Verein für Konsumenteninformation (VKI) aus Österreich abgetreten hatten. Der VKI brachte im September 2018 am Landesgericht Klagenfurt eine Klage gegen Volkswagen ein. Normalerweise muss eine Klage in dem Land eingereicht werden, in dem der Beklagte seinen Sitz oder Wohnsitz hat. Deshalb hatte das Landesgericht beim EuGH angefragt, ob es überhaupt zuständig sei.
Der EuGH-Generalanwalt Campos Sanchez-Bordona sah bereits am 2. April 2020 in seinen Schlussanträgen für den vorliegenden Fall eine Ausnahme gegeben. Sind die unerlaubten Handlungen und ihre Folgen in verschiedenen Mitgliedstaaten zu verorten, kann der Kläger laut Generalanwalt zwischen zwei Gerichtsständen wählen: dem des Ortes, an dem der Schaden eingetreten ist (Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs) und dem des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist (Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens). Unterm Strich bedeutet das im konkreten Fall: Österreichs Verbraucher können VW in Deutschland und auch in Österreich verklagen.

Der EuGH folgte im Kern dem Antrag des Generalanwalts und entschied grundsätzlich, dass in Fällen wie dem VW-Abgasskandal eine Ausnahme von den sonst üblichen gerichtlichen Zuständigkeiten vorliegt. Der Ort der Verwirklichung des konkreten Schadens liege in Österreich.  Zudem könne ein Autohersteller, der beim Bau eines Fahrzeugs eine unzulässige Manipulation vornimmt, davon ausgehen, dass er vor den Gerichten desjenigen Landes verklagt wird, in dem er die Autos verkauft. Damit kann VW in jedem Land der EU verklagt werden.

Diesel-Abgasskandal: OLG Stuttgart lädt den aktuellen und ehemaligen Porsche-Boss vor / Müller und Blume müssen vor Gericht

Im Diesel-Abgasskandal müssen am 23. September 2020 erstmals Spitzen von VW und Porsche vor Gericht erscheinen. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in einem Verfahren zur Beweiserhebung den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Porsche AG und VW AG, Matthias Müller, den aktuellen Porsche AG Vorstandschef, Oliver Blume, sowie Stefan Fegg, Leiter der Modelreihe Cayenne, und Michael Becker, Leiter Modellreihe Macan, vorgeladen. Die Vorgeladenen (Az. 16a U 186/19) sollen darüber Auskunft erteilen, wer und ab wann Kenntnis darüber hatte, dass in einem Porsche Macan Diesel V6 TDI Euro 3.0 eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut worden war.

VW-Spitze muss im Abgasskandal endlich die Wahrheit preisgeben

Im größten und komplexesten Betrugssachverhalt der deutschen Nachkriegsgeschichte hält sich der Konzern nach wie vor bedeckt und äußert sich vor Gericht nur vage. Die wahren Tatsachen sollen offensichtlich für immer unter Verschluss bleiben. Wer hat den Einbau angeordnet? Wer wusste wann Bescheid? Wer hat die Täuschung organisiert? Waren womöglich auch Behörden involviert? Fragen, die bis heute auf Antworten warten. Die groß angekündigte Veröffentlichung eines internen Untersuchungsberichts der US-Kanzlei Jones Day ist schon lange abgeblasen worden. Der Bericht von Jones Day ist offensichtlich im Giftschrank von VW weggeschlossen. Da lässt sich nur erahnen wie tief wahrscheinlich die Führungsspitze in den Skandal involviert ist.

Der 23. September 2020 könnte jetzt Licht ins Dunkle des Abgasskandals bringen. Der für den Abgasskandal eigens gebildete Spezialsenat 16a des Oberlandesgerichts Stuttgart hat für diesen Termin im Sitzungssaal 2.10 den ehemaligen VW- und Porsche-Vorstandsvorsitzende Matthias Müller und den aktuelle Porsche-Chef Oliver Blume sowie zwei ehemalige Entwicklungsleiter von Porsche vorgeladen. Über folgende Behauptungen der Verbraucher-Kanzlei sollen die Vorgeladenen befragt werden: 

  • Dem Vorstand der Porsche AG war bereits bei der Entwicklung des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps bekannt, dass die von der Audi AG bezogenen Motoren über unzulässige Abschalteinrichtungen verfügten.

  • Denn die Vorstände der Volkswagen AG, der Porsche AG und der Audi AG hatten besprochen, dass die manipulierten Motoren und Motorsteuergeräte aus den Diesel-Audi-Fahrzeugen auch für die Fahrzeuge der Porsche AG verwendet werden sollten.

  • Porsche hat die Motoren der Audi AG für ihre Zwecke modifiziert. Hierzu bedurfte es der Kenntnis der Motorsteuerungssoftware und der darin verbauten Abschalteinrichtungen, weshalb die beteiligten Ingenieure der Porsche AG wussten, welche Abschalteinrichtungen in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut waren.

  •  Die Porsche AG hat bei der Überarbeitung der Motoren auch den Schadstoffausstoß geprüft. Hierbei wurde von Mitarbeitern der Porsche AG erkannt, dass Manipulationen vorliegen.

  • Beide vorstehenden Umstände waren auch dem Vorstand bekannt.

BGH muss über Kauf in Kenntnis des Abgasskandals entscheiden

Im Diesel-Abgasskandal von VW sind nach dem ersten verbraucherfreundlichen BGH-Urteil (VI ZR 252/19) noch wichtige Fragen offen. Der Bundesgerichtshof strebt offensichtlich eine schnelle Klärung an. Für Juli 2020 sind mündliche Verhandlungen in drei weiteren Verfahren terminiert. Für den 28. Juli 2020 ist jetzt ein vierter Termin hinzugekommen. Dabei geht es um Schadensersatzansprüche eines Verbrauchers gegen VW. Der Kläger hatte das Auto nach Aufdeckung des Dieselskandals erworben. Ist VW auch in einer solchen Konstellation haftbar? (Az. VI ZR 5/20) Wer Schadensersatz von VW haben möchte, sollte den Klageweg beschreiten – und zwar jetzt.

Nach dem ersten BGH-Urteil sind vor allem Einzelklagen für Teilnehmer der Musterfeststellungsklage interessant, die den VW-Vergleich nicht angenommen und ihre Fahrzeuge mit dem Motor EA 189 vor dem Beginn des Dieselskandals erworben haben.

Ob Verbraucher bei Kauf eines Fahrzeugs nach dem Bekanntwerden des VW-Skandals - also im September 2015 - ihr Recht gegen den Autobauer durchsetzen können, wird am 28. Juli 2020 vor dem Bundesgerichtshof verhandelt. 

Am 21. und 28. Juli 2020 stehen vier weitere mündliche Verhandlungen in VW-Verfahren vor dem BGH an. Da geht es dann um Zinszahlung ab dem Kaufdatum, den Kauf eines Fahrzeugs nach Bekanntwerden des Abgasskandals und der Frage, ob das Software-Update für den VW-Motor EA 189 den Schaden des Käufers behoben hat oder nicht. Und auch die Frage, wann der Abgasskandal beim EA 189 verjährt ist, steht dabei auf der Tagesordnung. Vor dem Hintergrund des verbraucherfreundlichen BGH-Urteils vom 25. Mai 2020 wird klar, warum sich VW schnell mit weiteren klagenden Kunden vergleichen möchte. Letztlich geht es nur darum, den finanziellen Schaden für den Konzern so gering wie möglich zu halten – auf Kosten der Verbraucher.

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Erstes BGH-Urteil geht zur Überprüfung an EuGH / Richter hält Nutzungsentgelt für VW nicht mit EU-Recht vereinbar

Der Diesel-Abgasskandal lässt berechtigte Zweifel aufkommen, ob die Justiz unabhängig von Politik und Wirtschaft Recht spricht. Ein Richter am Landgericht Erfurt hat seine Bedenken in einem Beschluss vom 15. Juni 2020 zum Ausdruck gebracht (Az. 8 O 1045/18). Er lässt das erste VW-Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. VI ZR 252/19) vom Europäischen Gerichtshof auf dessen europarechtliche Konformität überprüfen. In der Kritik steht der Nutzungsersatz für die vom Verbraucher gefahrenen Kilometer. Auch zitiert der Richter den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dresden, der Kollegen dazu anregt, VW-Verfahren „zurückzustellen“ und Verbraucher-Kanzleien kritisiert.

Der Erfurter Richter Martin Borowsky kritisiert vor allem das BGH-Votum zum Nutzungsentgelt für VW. Am 25. Mai 2020 hatte der BGH ein erstes verbraucherfreundliches Urteil (VI ZR 252/19) gegen VW gefällt. Der Autobauer ist nach § 826 BGB verurteilt worden und muss ein Fahrzeug zurücknehmen. Der Kläger erhält den Kaufpreis zurück – allerdings abzüglich eines Nutzungsentgelts für die von ihm gefahrenen Kilometer. Und genau diesen sogenannten Vorteilsausgleich hält ein Richter am Landgericht Erfurt für europarechtswidrig: Ein solcher Ausgleich bedeute in letzter Konsequenz, dass VW umso weniger Sanktionen zu befürchten habe, je länger sich der Rechtsstreit hinziehe. "Mithin könnte ein starker Anreiz entstehen, die Rechtsverletzung gleichwohl zu begehen und die Anspruchserfüllung ungehörig zu verzögern", fasst der Richter seine Bedenken zusammen. Das verstoße gegen den Effektivitätsgrundsatz und die EU-Grundrechtecharta. Daher hat der Richter das Urteil dem Europäischen Gerichtshof zur Überprüfung vorgelegt.

Mit seiner Kritik an diesem Teil der BGH-Entscheidung steht der Richter aus Erfurt nicht alleine da. Auch Juraprofessor  Michael Heese von der Uni Regensburg schrieb auf seinem Diesel-Blog: Der VI. Zivilsenat fand „leider nicht den Mut zur Rechtsfortbildung, soweit es um die Frage des Nutzungsersatzes geht. Vielmehr hat der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, wonach selbst im Anwendungsbereich des besonderen Haftungsgrundes aus § 826 BGB eine unbegrenzte Anrechnung gezogener Nutzungen im Wege der Vorteilsausgleichung stattfinden soll. Damit ist eine historische Chance verpasst, die Gestaltungskraft des Privatrechts gegen vorsätzlich schädigendes Verhalten effektiv zur Geltung zu bringen“.

Verurteilung von VW aufgrund 10-jähriger Verjährungsfrist angekündigt

§ 852 öffnet Verbrauchern eine neue Tür im Diesel-Abgasskandal

Einen sensationellen Beschluss hat das Amtsgericht Marburg in der Aufarbeitung des Diesel-Abgasskandals von VW am 16. Juni 2020 verkündet (Az. 9 C 891/19). Das Amtsgericht Marburg geht davon aus, dass gegen VW selbst bei verjährtem Anspruch aufgrund des Diesel-Betrugs (§ 826 BGB) ein sogenannter Restschadensersatzanspruch nach § 852 BGB besteht. Dabei tritt die Verjährung frühestens in 10 Jahren ein. Wer sich durch unerlaubte Handlungen auf Kosten eines anderen bereichert, der muss noch 10 Jahre danach den daraus gezogenen finanziellen Vorteil zurückbezahlen. Mit § 852 BGB gibt es für VW-Kunden eine neue Option, Recht zubekommen.

Amtsrichter rügt Klageerwiderung von VW auf das Schärfste

Mit dem Beschluss des Amtsgericht Marburg wird im VW-Skandal endgültig ein neues Kapitel bei der juristischen Aufarbeitung aufgeschlagen. Bisher war VW dadurch aufgefallen, dass der Autobauer zur Aufklärung des Skandals nur wenig beigetragen hat und selbst bis zum ersten Urteil des Bundesgerichtshofs am 25. Mai 2020 behauptete, dass die eigene Vorgehensweise Rechtens war. Mit einer Hinhaltetaktik vor Gerichten erweckt VW den Eindruck, dass man die Verfahren in die Länge ziehen wolle, bis die meisten Fälle verjährt sind.

Das Gericht in Marburg bremst VW jedoch kräftig aus. In einem Beschluß bemängelt der Richter zuerst den unerheblichen Vortrag der VW-Anwälte. Zur Sache seien in dem 80-seitigem Schriftsatz nur wenig zu finden. Auch sei die Erwiderung der Klage offensichtlich nicht für den Rechtsstreit gefertigt worden, empört sich der Richter weiter: „Der eingereichte Schriftsatz von ca. 80 Seiten ist gefüllt mit allgemeinem Vortrag und der Verteidigung gegen einen Feststellungsantrag, den die Klägerseite nicht begehrt; darüber hinaus ist die Entscheidung des BGH (Az.: VI ZR 252/19) nicht berücksichtigt worden, wo der BGH die Beklagte wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB verurteilt hat.“

Und dann der sensationelle Satz zum Thema Verjährung: „Die Beklagtenseite wird vom Gericht gemäß § 139 ZPO darauf hingewiesen, dass die Einrede der Verjährung wohl ins Leere geht, da vorliegend nicht die Regelverjährung von 3 Jahren gemäß §§ 195, 199 BGB einschlägig sein dürfte, sondern die Verjährung gemäß § 852 BGB von 10 Jahren (vgl. BGH Urt. verkündet am 12.05.2016, I ZR48/15).“

Zum Schluss ärgert sich der Richter noch einmal über die Arbeit der VW-Anwälte: „Die Beklagtenseite hat zweimal ein Schriftsatznachlass beantragt und auch erhalten um einen erheblichen Schriftsatz gegen die Klageforderung fertigen zu können. Es kann nicht Aufgabe des Gerichts sein, bei einem Schriftsatz von 80 Seiten sich die möglichen Positionen heraus zu arbeiten von vielleicht 20 Seiten, die dann als erheblicher Sachvortrag angesehen werden können.“

Diesel-Abgasskandal: OLG Koblenz verurteilt VW, obwohl Kläger Auto erst 2016 kaufte

Die juristische Aufarbeitung des Diesel-Abgasskandals der VW AG biegt auf die Zielgerade ein. Während in vier Verfahren vor dem Bundesgerichtshof offene Fragen auf Klärung warten wurde zuletzt am Oberlandesgericht Koblenz ein bemerkenswertes Urteil erstritten. Der 8. Zivilsenat hat VW wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung am 5. Juni 2020 verurteilt, obwohl der Kläger sein Fahrzeug erst 2016 – also nach Bekanntgabe des Abgasskandals - erworben hatte (Az. 8 U 1295/19). Am 28. Juli 2020 wird der BGH über einen ähnlichen Fall entscheiden (Az. VI ZR 5/20). Das Thema „Kauf in Kenntnis“ ist höchst umstritten.

Bundesgerichtshof verurteilt VW im Diesel-Abgasskandal

Dieselgate 2.0 – was ist mit den neuen VW-Motoren EA 288 und den Dieselmotoren von Daimler, BMW und anderer Hersteller?

Sieg für die Verbraucher im Diesel-Abgasskandal. Der Bundesgerichtshof BGH hat VW zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt.

Das Unternehmen hat aus Sicht des Gerichts seinen Kunden unzulässige und damit illegale Motoren verkauft. Bereits der Kauf eines Dieselfahrzeugs mit manipulierter Abgassteuerung stelle eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch VW dar.

Gibt es jetzt eine zwei Klagewelle, die auf VW zukommen wird? Vor allem im Hinblick auf anhängige Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof ist nicht ausgeschlossen, dass auch die neue Motorengeneration mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgerüstet worden ist.

Nicht nur der BGH hat mit seinem Urteil die Rechte der Verbraucher gestärkt. Auch der EuGH äußerte sich bereits verbraucherfreundlich im Diesel-Abgasskandal von VW. Die Schlussanträge der Generalanwältin Eleanor Sharpston gingen am 30. April 2020 jedoch noch weiter als das aktuelle Urteil des BGH. Jetzt könnte es für VW richtig teuer werden. Denn das in neuen VW-Motoren EA 288 eingebaute sogenannte Thermofenster, eine temperaturabhängige Abgasregulierung, ist indirekt in den Schlussanträgen am EuGH als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft worden. Abschalteinrichtungen in Dieselmotoren sind unzulässig – auch wenn das Abgaskontrollsystem temperaturabhängig reguliert wird, heißt es in dem Gutachten.

Wenn das Gericht dem Gutachten folgt, fahren Millionen von Autos ohne rechtmäßige Typengenehmigung auf den deutschen Straßen.

Die Folge: Eine Prozesslawine rollt auf alle betroffenen Autobauer wie VW, Daimler, Opel, Fiat und BMW zu. Die Fahrzeuge könnten behördlich stillgelegt werden. Übrigens auch das Software-Update des VW-Motors EA 189 ist nichts anderes als ein Thermofenster.

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BGH Urteil vom 25.05.2020: VW haftet wegen sittenwidriger Schädigung

Hier die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Urteil zusammengefasst:

  • Das Gericht sieht in dem Einbau einer Abschalteinrichtung eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB.

  • Der Kunde kann gegen Rückgabe des Fahrzeugs die Rückzahlung des Kaufpreises verlangen.

  • Sogar Gebrauchtwagen können VW-Fahrer zurückgeben. Das Argument des Autobauers, er könne gar nicht haftbar gemacht werden, wenn es zu dem Käufer keine Vertragsbeziehung gebe, überzeugte beim BGH nicht.

  • VW muss sich das Handeln leitender Angestellter - auch wenn diese nicht im Vorstand sind - zurechnen lassen.

  • Mit dem Software-Update am EA 189 ist der Schaden nicht behoben. Denn der Schaden ist bei Vertragsschluss über den nur angeblich umweltfreundlichen Wagen entstanden. Ein solches Fahrzeug hätte der Kunde im Nachhinein so nicht gewollt.

  • Der Kläger muss sich eine Nutzungsentschädigung für die Verwendung des Fahrzeuges abziehen lassen. In der Regel geschieht das dadurch, dass die während der Nutzungszeit gefahrenen Kilometer ins Verhältnis gesetzt werden zu der zu erwartenden Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs. An dieser Regelung rüttelte der BGH nicht. VW kommt das Nutzungsentgelt zur Minimierung des Schadensersatzes zugute. Dabei besteht der Verdacht, dass der Autobauer Verfahren in die Länge zieht, um das Entgelt in die Höhe zu treiben und den Schadensersatz zu verringern.

  • Allerdings orientierte sich der BGH bei seiner Entscheidung zur Nutzungsentschädigung an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Dort könnte eine Neubewertung in der Sache durchaus möglich sein. Vor dem EuGH sind etliche Verfahren im Diesel-Abgasskandal anhängig. Dabei steht auch die Nutzungsentschädigung zur Entscheidung an.

    Am 21. und 28 Juli 2020 stehen drei weitere mündliche Verhandlungen vor dem BGH an. Da geht es um Zinszahlung ab dem Kaufdatum, den Kauf eines Fahrzeugs nach Bekanntwerden des Abgasskandals und der Frage, ob das Software-Update für den VW-Motor EA 189 den Schaden des Käufers behoben hat oder nicht. Und auch die Frage, wann der Abgasskandal beim EA 189 verjährt ist, steht dabei auf der Tagesordnung.

Richtungsweisendes BGH-Urteil: VW muss deutschen Diesel-Käufern Schadenersatz zahlen

Volkswagen hat vor dem Bundesgerichtshof (BGH) eine deutliche Niederlage erlitten.

Das Urteil (Az. VI ZR 252/19) verbessert schlagartig die Erfolgsaussichten für alle Volkswagen-Kunden, die immer noch für ihr Recht kämpfen - und um ihr Geld. Die obersten Zivilrichter in Karlsruhe haben am Montag verkündet, dass VW seine Kunden mit der verbauten illegalen Abschalteinrichtung vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat. Somit steht fest: Der Konzern muss klagenden Diesel-Käufern Schadenersatz zahlen. Die Kunden können ihr Fahrzeug zurückgeben und von Volkswagen den Kaufpreis teilweise zurückverlangen - sie müssen sich aber die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen.

Das Urteil gilt als entscheidende Weichenstellung für alle Diesel-Käufer, die immer noch für ihr Recht kämpfen - und um ihr Geld. Es ist das erste höchstrichterliche Urteil im Dieselskandal.

Verhandelt wurde vor dem BGH der Fall von Kläger Herbert Gilbert aus Rheinland-Pfalz. Seinen VW Sharan kaufte er 2014 von einem freien Händler, gebraucht, für knapp 31 500 Euro. Als im Herbst 2015 der Dieselskandal aufflog, fühlte er sich getäuscht. Auch in seinem Auto steckt ein Motor vom Typ EA189, dessen illegale Technik dafür sorgt, dass der Wagen die Abgas-Grenzwerte nur auf dem Prüfstand einhält und nicht auf der Straße. Hätte er das gewusst, hätte er den Sharan nie gekauft, sagte Gilbert.

Bundesweit gibt es viele Tausend ähnlich gelagerte Fälle, die noch nicht rechtskräftig entschieden sind. Dass der BGH Gilbert nun Schadenersatz zugesprochen hat, verbessert die Erfolgsaussichten der anderen Kläger schlagartig - und sorgt endlich für Klarheit. Denn an den höchstrichterlichen Entscheidungen aus Karlsruhe orientieren sich alle Gerichte der unteren Instanzen. Bisher war die Frage, ob VW Schadenersatz schuldet, überall unterschiedlich beantwortet worden.

Nur wer selbst geklagt hat, kann nun profitieren!

Trotz des BGH-Urteils bekommen nun jedoch längst nicht alle betroffenen Diesel-Käufer Schadenersatz. Nur wer selbst geklagt hat, kann überhaupt profitieren. Und Grundvoraussetzung ist auch hier, dass über die Klage noch nicht abschließend geurteilt wurde. Laut VW sind aktuell noch rund 60 000 Verfahren anhängig, also weder rechtskräftig entschieden noch per Vergleich beendet.

Mit dem kundenfreundlichen BGH-Urteil im Rücken können viele Kläger ihr Verfahren nun deutlich schneller zu einem Ende bringen. Ein eigenes Urteil ist aber nach wie vor notwendig. Weiterhin möglich wäre jedoch auch, dass VW sich mit weiteren Klägern auf einen Vergleich einigt, also ohne Urteil Geld zahlt.

Der BGH hat für Juli bereits die nächsten Verhandlungen angesetzt. Denn der Fall Gilbert ist zwar beispielhaft. Es gibt aber auch noch andere Konstellationen. Manche Kläger haben ihr Auto erst gekauft, als der Dieselskandal schon bekannt war. Manche haben nicht gegen VW, sondern gegen ihren Autohändler geklagt. Die einen haben das Software-Update aufspielen lassen, die anderen nicht. Wieder andere haben ihr Auto geleast und nicht gekauft. Und dann gibt es auch noch zahlreiche Klagen gegen andere Autohersteller - etwa gegen Daimler.

Neun Verfahren im Diesel-Skandal am EuGH anhängig

Mittlerweile sind neun Verfahren im Diesel-Abgasskandal am EuGH anhängig – sechs aus Deutschland, zwei aus Österreich und eines aus Frankreich.

• Landgericht Gera: Az. C 663/19;  C 759/19; C 809/19;  C 808/19
Vier Verfahren befassen sich mit ähnlicher Thematik: Hat VW sich eine Typengenehmigung der EU erschlichen? Müssen die Verbraucher eine Nutzungsentschädigung bezahlen?
 
• Verwaltungsgericht Schleswig Az. C 873/19
In diesem Verfahren steht das Software-Update für den Dieselmotor EA 189 zur Prüfung an. Die Deutsche Umwelthilfe will wissen, ob es sich dabei auch um eine Abschalteinrichtung handelt.
 
• Landgericht Stuttgart: Az. 3 O 31/20
Hier steht das sogenannte Thermofenster von Porsche auf dem Prüfstand. Ist die Abgasreinigung in einem eng gefassten Temperaturfenster zulässig? Müssen die Verbraucher eine Nutzungsentschädigung bezahlen?
 
• Oberster Gerichtshof Österreich: Az. 10 Ob 44/19x
Auch hier geht es unter anderem um die Frage, ob das Software-Update von VW rechtskonform ist. Zudem soll geklärt werden, ob der ursprüngliche Mangel als geringfügig anzusehen ist, wenn der Käufer das Fahrzeug im Wissen um den Mangel gekauft hätte.
 
• Landgericht Klagenfurt Österreich: Az. C-343/19
Der EuGH muss klären, an welchem Standort VW verklagt werden kann. Der Generalanwalt hat bereits durchblicken lassen, dass eine Klage auch am Ort möglich ist, an dem der Schaden entstanden ist – also in diesem Fall Österreich.
 
• Tribunal de Grande Instance de Paris: Az. C-693/18
Das Gericht muss klären, ob der EA 189 von VW eine unzulässige Abschalteinrichtung enthält und ob und unter welchen Bedingungen eine regulierte Abgasreinigung zulässig ist. Die Generalanwältin Eleanor Sharpston machte am 30. April 2020 in ihrem Schlussantrag deutlich, dass VW im Diesel-Motor EA 189 eine unzulässige Abschaltreinrichtung verbaut hat. Insgesamt setzte sie für die Zulässigkeit einer regulierten Abgasreinigung enge Grenzen.

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EuGH-Generalanwalt:

VW kann auch in Österreich verklagt werden

Am 30. April 2020 geht es konkret um den Diesel-Betrug

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg EuGH nähert sich dem Diesel-Abgasskandal der Volkswagen AG langsam, aber sicher an. Nach einem am 2. April 2020 vorgelegten Gutachten des EuGH-Generalanwalts Campos Sanchez-Bordona dürfen Käufer, die einen Volkswagen mit manipulierter Abgas-Software erworben haben, im Land des Autokaufs auf Schadensersatz klagen. Damit hält der EuGH-Anwalt im vorliegenden Fall Klagen gegen VW in Österreich für möglich. Die Anträge des Generalanwalts sind für die obersten EU-Richter nicht verbindlich, jedoch folgt der EuGH häufig seiner Empfehlung. Das Urteil wird in Kürze erwartet. Bereits am 30. April 2020 will sich die Generalanwältin Eleanor Sharpston dazu äußern, ob Motoren des Typs EA 189 von VW eine unzulässige Abschalteinrichtung bei der Abgasreinigung enthalten und mit dem Einbau dieser Einrichtung die Autokäufer getäuscht wurden (EuGH, Az. C-693/18).

EuGH-Verfahren im Diesel-Abgasskandal von VW aus Frankreich

Ein französisches Gericht lässt vor dem EuGH wichtige Fragen im Zusammenhang mit unzulässigen Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung klären (Az.: C-693/18). Dem Verfahren gegen VW haben sich 1200 Nebenkläger angeschlossen.

Im Mittelpunkt steht die Abgasreinigung der Fahrzeuge. Autohersteller versuchen mit einem Rückführsystem bei der Abgasreinigung die Stickoxid-Emissionen zu senken. Die Rückführung der Abgase in den Verbrennungsprozess wird über ein Ventil geregelt. Untersuchungen von französischen Gutachtern haben ergeben, dass dieses Ventil nur im Prüfmodus dafür sorgt, dass die Abgaswerte und Zulassungsbedingungen erfüllt werden. Im normalen Fahrbetrieb hingegen kommt es zu einem erhöhten Stickoxid-Ausstoß. Die Fahrzeuge stellen eine Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier dar, heißt es in dem Ersuchen. Die Fahrzeuge hätten nicht die Zulassung erhalten dürfen, da sie die Abgasnormen im Normalbetrieb nicht eingehalten haben.

Für die französische Justiz ist klar, dass laut der EG-Verordnung 715/2007 jeder Hersteller sein Fahrzeug mit der Abgasnorm Euro 5 und Euro 6 so konstruieren muss, dass die zulässigen Emissionswerte unter normalen Betriebsbedingungen eingehalten werden. Abschalteinrichtungen sind daher unzulässig. Außer sie dienen zum Schutz des Motors.

Die Verhandlung ist bereits dreimal verschoben worden. Im Kern des Verfahrens muss der EuGH nun zu folgenden Sachverhalten Stellung beziehen:

1. Hat der Autohersteller eine unzulässige Abschalteinrichtung bei der Abgasrückführung verwendet?
2. Sind die Käufer dadurch über wesentliche Merkmale des Fahrzeugs getäuscht worden?
3. Hat die Abschalteinrichtung zu einem erhöhten Stickoxid-Ausstoß im realen Straßenverkehr geführt?
4. Welche Bedingungen müssen gelten, damit die Abschalteinrichtung zum Schutz des Motors aktiviert werden darf?

EuGH-Entscheidung wirkt sich auf BGH-Rechtsprechung aus

Der EuGH könnte, falls bereits am 30. April 2020 ein Urteil fallen sollte, den Verhandlungen in VW-Verfahren vor dem Bundesgerichtshof BGH vorgreifen. In Karlsruhe stehen Termine am 5. Mai, 21. und 28. Juli 2020 zum Diesel-Abgasskandal von VW an.

Die Automobilindustrie wehrt sich derzeit mit Händen und Füßen dagegen, dass der EuGH im Diesel-Abgasskandal Stellung bezieht, obwohl es sich bei der Typengenehmigung um europäisches Recht handelt. Gerade hat die Daimler AG ein Ersuchen des Landgerichts Frankenthal um eine Vorabentscheidung um das Thema „Thermofenster“ wohl mit einem Vergleich beendet. Für Experten stellt das sogenannte „Thermofenster“ ebenfalls eine unzulässige Abschalteinrichtung dar.

Dabei ist die Abgasreinigung von der Außentemperatur abhängig und nur an wenigen Monaten des Jahres funktionstüchtig. Bemerkenswert ist bei Daimler und Opel die Tendenz, für die Autohersteller negative Urteile mit Vergleichen zu verhindern.

Österreichs Verbraucher stehen vor EU-weitem Erfolg gegen VW

Im VW-Vergleich zur Musterfeststellungsklage in der Bundesrepublik waren ausländische Verbraucher ausgeschlossen. Die Äußerungen des EuGH-Generalanwalts Campos Sanchez-Bordona zum Gerichtsstandort lassen die Verbraucherschützer in Österreich und der EU hoffen. Folgt das Gericht den Ausführungen des Generalanwalts, dann können Verbraucher in der Europäischen Union auch in ihren Heimatländern VW zur Rechenschaft ziehen.
 
Konkret ging es in den Schlussanträgen des EU-Generalanwalts um 574 Käufer manipulierter VW-Fahrzeuge, die ihre Rechte an den Verein für Konsumenteninformation (VKI) abgetreten hatten. Der VKI brachte im September 2018 am Landesgericht Klagenfurt für sie eine Klage gegen Volkswagen ein. Normalerweise muss eine Klage in dem Land eingereicht werden, in dem der Beklagte seinen Sitz oder Wohnsitz hat. Deshalb hatte das Landesgericht beim EuGH angefragt, ob es überhaupt zuständig ist. Der Generalanwalt, dessen Gutachten eine wesentliche Grundlage der späteren EuGH-Entscheidung ist, sieht im vorliegenden Fall aber eine Ausnahme gegeben. Sind die unerlaubte Handlung und ihre Folgen in verschiedenen Mitgliedstaaten zu verorten, kann der Kläger laut Generalanwalt zwischen zwei Gerichtsständen wählen: dem des Ortes, an dem der Schaden eingetreten ist (Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs) und dem des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist (Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens). Unterm Strich im konkreten Fall: Österreichs Verbraucher können VW in Deutschland und auch in Österreich verklagen.

Endspurt beim VW-Vergleich:  Ausgeschlossene Verbraucher haben gute Chancen auf Schadensersatz

Die verlängerte Frist zur Annahme im VW-Vergleich tickt. Bis zum 30. April 2020 haben Teilnehmer der Musterfeststellungsklage noch die Möglichkeit, sich dem ausgehandelten Vergleich anzuschließen. Rund 200.000 teilnehmende Verbraucher schauen jedoch in Röhre. Und auch jene geschädigten Verbraucher, die sich nicht an der Musterklage beteiligt haben, gehen finanziell leer aus und haben Grund, auf VW sauer zu sein. Doch die Chancen gegen VW vor Gericht zu bestehen, sind gut. Die Rechtsprechung hat sich zugunsten der Verbraucher gedreht. Höchstrichterliche Entscheidungen stehen an – vermutlich verbraucherfreundlich.

Was können vom VW-Vergleich ausgeschlossene Verbraucher tun?

Wir raten geschädigten Verbraucher nach wie vor dazu, gegen VW gerichtlich vorzugehen. Das trifft auch auf die vom VW-Vergleich ausgeschlossenen Teilnehmer der Musterfeststellungsklage zu. Die Chancen stehen besser denn je. 20 von 24 Oberlandesgerichten in Deutschland haben VW im Diesel-Abgasskandal wegen vorsätzlicher sittenwidriger Täuschen nach § 826 BGB verurteilt. Am 30. April verhandelt der Europäische Gerichtshof EuGH und am 5. Mai 2020 der Bundesgerichtshof BGH über den Fall VW. Alles deutet darauf hin, dass es zu verbraucherfreundlichen Urteilen kommen wird. Denn die Diesel-Fahrzeuge sind durch die Manipulation am Abgaskontrollsystem in ihrem Wert eindeutig gemindert.

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Der Bundesgerichtshof entscheidet im Diesel-Abgasskandal von VW

Am Bundesgerichtshof BGH beginnen am 5. Mai 2020 die ersten VW-Verfahren. Wichtige Fragen im Diesel-Abgasskandal warten auf höchstrichterliche Entscheidungen. Im Vorfeld der ersten Verhandlung hat eine Wende in der Rechtsprechung stattgefunden. Unstrittig ist, dass VW vorsätzlich und sittenwidrig Verbraucher und Behörden getäuscht und geschädigt hat. Die Nutzungsentschädigung, mit der VW den zu zahlenden Schadensersatz minimieren konnte, steht auf der Kippe. Sogenannte deliktische Zinsen ab Kaufdatum könnten VW in Rechnung gestellt werden. Und das würde richtig teuer werden. Selbst, wer nach Bekanntwerden des Skandals sein Fahrzeug erworben hat, bekommt vor Gerichten der zweiten Instanz Schadensersatz zugesprochen.

Folgende Verfahren stehen aktuell an:

1. Verfahren am 5. Mai 2020  - Az. VI ZR 252/19
Hat VW im Sinne von § 826 BGB den Verbraucher vorsätzlich und sittenwidrig getäuscht und geschädigt?
Erhält der Autobauer vom klagenden Verbraucher eine Entschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs?
Das Oberlandesgericht Koblenz verurteilte am 12. Juni 2019 (Az. 5 U 1318/18) die Volkswagen AG zur Zahlung von 25.616,10 Euro nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs. Zur Begründung hat das Oberlandesgericht ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu (§ 826 BGB). Nach Anrechnung der vom Kläger gezogenen Nutzungen (Vorteilsausgleich) ergebe sich der ausgeurteilte Anspruch.
 
2. Verfahren am 21. Juli 2020  - Az. VI ZR 354/19
Die Revision betrifft ein Urteil des Oberlandesgerichtes Braunschweig. Braunschweig lehnt bisher generell einen Haftungsanspruch gegenüber VW ab. Wie schon im ersten Verfahren geht es wiederum um die Fragen, ob VW im Sinne von § 826 BGB den Verbraucher vorsätzlich und sittenwidrig getäuscht und geschädigt hat, und ob dem Autobauer eine Nutzungsentschädigung zusteht.

Das Oberlandesgericht Braunschweig wies die Klage gegen VW mit Urteil vom 20. August 2019, (Az. 7 U 5/19) zurück. Das OLG sah den Betrugstatbestand nicht erfüllt. Daher bestünden keine Ansprüche des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB. Außerdem sei der Kaufpreis vollständig aufgezehrt, wenn der Verbraucher einen Vorteilsausgleich für die Nutzung des Fahrzeugs bezahlen müsste. Der Verbraucher habe schließlich das Fahrzeug zu seinem Vorteil nutzen können. Die Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs legte das Gericht auf 250.000 km fest. Schließlich stehe auch einem Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB der Umstand entgegen, dass der Kläger durch die Fahrzeugnutzung keinen Schaden mehr habe. Dabei spielte es für das Gericht keine Rolle, ob die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch VW zulasten des Klägers überhaupt schlüssig dargelegt worden sei.
 
3. Verfahren am 21. Juli 2020  - Az. VI ZR 367/19
Die vorliegende Revision betrifft wieder ein Verfahren vor dem Oberlandesgericht Braunschweig. Muss ein vom Diesel-Abgasskandal geschädigter Verbraucher vor Gericht schlüssig darlegen, welche Person ihn bei der Volkswagen AG sittenwidrig getäuscht hat?
Ist mit dem Software-Update der Schaden behoben?

Das Oberlandesgericht Braunschweig wies die Berufung des Klägers mit Urteil vom 13. August 2019 (Az. 7 U 352/18) zurück. Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen dem Kläger Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte nicht zu. Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB, § 826 BGB schieden aus, weil der Verbraucher für das Gericht nicht schlüssig dargelegt habe, welche konkrete Person bei der VW AG den Betrug verwirklicht bzw. den Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe. Zudem vertrat das OLG die Meinung, dass dem Kläger kein Schaden entstanden sei, da er die abgasbeeinflussende Software schon vor der erstmaligen Geltendmachung seines Anspruchs durch das Software-Update habe beseitigen lassen.
 
4. Verfahren am 28. Juli 2020 - Az. VI ZR 397/19
Dass VW im Diesel-Abgasskandal gegenüber den klagenden Verbrauchern schadensersatzpflichtig ist, davon geht mittlerweile die Mehrheit der Oberlandesgerichte aus. Strittig hingegen ist die Frage, ob VW im Falle einer Verurteilung dem Kläger einen sogenannten deliktischen Zins ab Kaufdatum zu bezahlen hat.

Das Oberlandesgericht Oldenburg verurteilte am 2. Oktober 2019 (Az. 5 U 47/19) VW mit der Begründung zu Schadensersatz, die Klägerin ist vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden. Die Klägerin müsse sich im Wege des Vorteilsausgleichs die gezogenen Nutzungen anrechnen lassen. Dabei sei von einer Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs von 200.000 km auszugehen. Ab Zahlung könne die Klägerin von VW gemäß § 849 BGB zudem sogenannte "Deliktszinsen" verlangen


Landgericht Hof will Nutzungsentgelt für VW im Abgasskandal kürzen

Kurz vor dem ersten Verhandlungstermin im Diesel-Abgasskandal vor dem Bundesgerichtshof am 5. Mai 2020 verdichten sich die Hinweise, dass VW offensichtlich Abstriche beim Nutzungsentgelt künftig machen muss. Das Landgericht Hof hat am 24. März 2020 mit einem Hinweis in einer Verfügung (Az. 33 O 470/19) klargemacht, dass es mit der bisher am Gericht gängigen Praxis des Vorteilsausgleichs brechen wird. Das Gericht will bei einer möglichen Verurteilung nach § 826 BGB dem Autobauer die Nutzungsentschädigung kürzen.

Tendenzen pro Verbraucher vor BGH-Termin am 5. Mai 2020

Nicht nur die Verurteilung VW nach § 826 BGB setzt sich durch. Besonders erfreulich ist auch die Tendenz der vergangenen Monate, dass an Oberlandesgerichten die Sinnhaftigkeit der Nutzungsentschädigung für VW in Zweifel gezogen wird. Diesem Trend konnte sich auch das Landgericht Hof nicht entziehen. Das Hanseatische Oberlandesgericht regte am 13. Januar 2020 an, dass die Dieselfahrer weniger für die Nutzung ihrer Fahrzeuge zahlen sollten (Az. 15 U 190/19). Auch am Oberlandesgericht Brandenburg gibt es massive Zweifel daran, warum VW vom Diesel-Abgasskandal durch eine Nutzungsentschädigung profitieren sollte. Mit der Entschädigung reduziert sich der von VW an die Kläger zu zahlende Schadensersatz. Auch in der Literatur mehren sich die Stimmen, VW überhaupt keine Entschädigung zuzugestehen. Die Argumentation geht sogar so weit, dass VW ab Kaufdatum dem Kläger Zinsen zu zahlen hat.

LG Hof schließt sich Oberlandesgericht Hamburg an

Das Landgericht Hof erwägt im vorliegenden Fall im Hinblick auf den Beschluss des OLG Hamburg vom 13. Januar 2020 (Az. 15 U 190/19) zukünftig Nutzungen im Rahmen des Vorteilsausgleichs nicht mehr oder nur bedingt zu berücksichtigen. Dem Gericht in Hamburg missfiel vor allem die Taktik der Volkswagen AG, Verfahren in die Länge zu ziehen. Dies führt unterm Strich zu einem höheren Nutzungsentgelt. Das sorgt wiederum dazu, dass sich der Schadensersatz vermindert, zu dem VW in der Regel verurteilt wird. VW, so das Gericht weiter, „zwingt“ den Kläger zur Weiternutzung des Fahrzeugs, so dass die Anrechnung der Nutzungsvorteile zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führen könnte.

Das Landgericht Mannheim ging in einem Urteil (Az. 9 O 258/19) sogar noch weiter. Es lehnte eine Nutzungsentschädigung komplett ab, „weil eine Gewährung dem mit § 826 BGB verbundenen Zweck der Steuerung sozialen Verhaltens zuwider läuft und darauf hinausliefe, dem Geschädigten eine auf vorsätzliche Weise sittenwidrig herbeigeführte Fahrzeugmiete aufzudrängen“. Das Gericht sah darin auch keine Überkompensation zugunsten der Klägerin, weil die keine Verzinsung nach § 849 BGB verlangen könne. Diese sogenannte deliktische Verzinsung berechnet sich ab dem Zeitpunkt des Kaufs. Es gibt auch Gerichte, die diese Verzinsung VW aufbrummen. Der Trend in der Literatur geht hin zur Verweigerung der Nutzungenschädigung und sogar zur Gewährung von deliktischen Zinsen.

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Diesel-Abgasskandal: OLG Hamburg und Brandenburg ziehen Nutzungsentschädigung für VW in Zweifel

Im Diesel-Abgasskandal wird es für die Volkswagen AG vor Gericht immer enger. Das Hanseatische Oberlandesgericht regt an, dass die Dieselfahrer weniger für die Nutzung ihrer Fahrzeuge zahlen sollten.

Auch am Oberlandesgericht Brandenburg gibt es massive Zweifel daran, warum VW vom Diesel-Abgasskandal durch eine Nutzungsentschädigung profitieren sollte.

Mit der Entschädigung reduziert sich der von VW an die Kläger zu zahlende Schadensersatz. Die Hinweise aus Hamburg und Brandenburg lassen rund drei Monate vor der ersten Verhandlung zum Diesel-Skandal vor dem Bundesgerichtshof BGH am 5. Mai 2020 aufhorchen.

Der 15. Zivilsenat am Hanseatischen Oberlandesgericht stellte in einem Hinweisbeschluss vom 13. Januar 2020 (Az. 15 U 190/19) in Aussicht, dass die Klägerin gegenüber VW einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß Paragraph 826 BGB hat. Damit sieht das OLG die vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung als gegeben an und schließt sich der Mehrheit der deutschen OLG an. Spannend ist es in Hamburg beim Thema Nutzungsentschädigung geworden. Gewinnen Diesel-Fahrer gegen VW vor Gericht, müssen sie in der Regel eine sogenannte Entschädigung für die Benutzung der Fahrzeuge bezahlen. Dies führt dazu, dass der erstrittene Schadensersatz gemindert wird. Und diese simple Gleichung macht sich VW zunutze, indem der Autobauer die Verfahren in die Länge zieht, um so die Entschädigung in die Höhe zu treiben und die Zahlung an den Verbraucher zu minimieren. Diesen Umstand rügten die Richter in Hamburg in ihrem Beschluss ausdrücklich. Sie regten an, dass im aktuellen Fall der Kläger nur für den Zeitraum bezahlen müsse, bis er VW zur Rückabwicklung des Kaufs aufgefordert hat. Eine darüberhinausgehende Zahlung führe zu einer "unbilligen Entlastung des Beklagten" - zumal dieser den Kunden vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt habe. Zudem dürfe der Kläger nicht unverhältnismäßig belastet werden.

Das Oberlandesgericht Brandenburg zweifelt in einem Gütetermin (Az. 3 U 61/19) vom 17. Dezember 2020 ebenfalls an der Nutzungsentschädigung. Der Senat sieht gute Argumente, die Entschädigung nicht zu gewähren. Der Kläger habe den Kaufvertrag durch die Täuschung von VW unfreiwillig abgeschlossen. Die Nutzungsentschädigung würde VW Kapital in die Hände spielen, das sich der Autobauer durch Täuschung erschlichen hat. Der Senat stellte daher die Überlegung an, dass dem Geschädigten im Falle des Abzugs einer Nutzungsentschädigung ebenfalls eine Kompensation zusteht. Jedenfalls dürfe die Nutzungsentschädigung nicht aus dem vollen Kaufpreis berechnet werden, da das Fahrzeug aufgrund des gravierenden Mangels von Anfang an einen Minderwert in sich trug. Demzufolge müsste man den Kaufpreis "fiktiv" ansetzen. Die abschließenden Beratungen dauern noch an. Der Trend beim Thema Nutzungsentschädigung hat sich jedoch gegen VW gewandt...

Achtung: Verjährung Ende 2019?

Im Zuge der Einführung der Musterfeststellungsklage zum 1.11.2018 ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Ansprüche der Käufer gegen Volkswagen bereits zum Ende des Jahres 2018 verjähren würden.

Diese Annahme war indes unzutreffend, vgl. Rechtsprechung:
LG Trier, Urt. v. 19.9.2019 – 5 O 417/18, BeckRS 2019, 24472: kein Beginn des Laufs der Verjährungsfrist vor Klärung der Rechtslage durch BGH.

Fahrzeugkauf nach Ad-hoc-Mitteilungen September 2015?

Auch wenn Sie nach diesem Datum Ihr Auto gekauft haben, haben Sie noch gute Chancen auf Schadensersatz.

Gerichte, die die Haftung aus § 826 BGB ungeachtet des Fahrzeugerwerbs nach Ad-hoc-Mitteilung durch VW bzw. nach Beginn der Presseberichterstattung zum Dieselskandal im September 2015 – zutreffend – bejaht haben:

LG Aurich, Urt. v. 5.3.2019 – 1 O 696/18 (unveröffentlicht): Erwerb am 28.7.2018.
LG Bonn, Urt. v. 6.3.2019 – 13 O 90/18, BeckRS 2019, 12836 Rn. 23: Erwerb am 26.10.2017.
LG Stuttgart; Urt. v. 21.6.2019 – 16 O 480/18 (unveröffentlicht): Erwerb am 8.11.2017.

Zinsen schon ab Kaufpreiszahlung?

Auch besteht Uneinigkeit im Hinblick auf die Verzinsung des Kaufpreisschadens. Überwiegend gehen die (ganz mehrheitlich) verurteilenden Instanzgerichte auf der Grundlage von §§ 849, 246 BGB davon aus, dass die Hersteller Zinsen nicht erst ab Verzug bzw. Rechtshängigkeit schulden, sondern iHv. 4 % bereits ab dem Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung. Voraussetzung dafür, dass sich die Gerichte mit diesem Zinsanspruch befassen, ist aber ein entsprechender Antrag des Klägers.

Instanzgerichte, die eine Anwendung von § 849 BGB befürworten:

Oberlandesgerichte:
OLG Köln, Urt. v. 17.7.2019 – 16 U 199/18, BeckRS 2019, 20644 (rechtskräftig).
OLG Koblenz, Urt. v. 16.9.2019 – 12 U 61/19, BeckRS 2019, 21606, aber unter Beschränkung der Verzinsung des Kaufpreises in Höhe des Minderwerts des manipulierten Fahrzeugs, in casu geschätzt 10% (gegenteilig anderer Senat, s. unten); ebenso LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 29.10.2019 – 9 O 2719/19, BeckRS 2019, 26959.
OLG Oldenburg, Urt. v. 2.10.2019 – 5 U 47/19, BeckRS 2019, 23205 (nicht rechtskräftig).

Nutzungsentschädigung zugunsten der Hersteller?

Uneinigkeit besteht [im Fall der Vertragsrückabwicklung] lediglich darin, ob von dem gezahlten Kaufpreis im Wege der Vorteilsausgleichung Nutzungen nach der bei der Rückabwicklung von Fahrzeugkäufen üblichen Berechnungsformel abzuziehen sind. In der Instanzrechtsprechung wird diese Vorteilsausgleichung überwiegend unkritisch durchgeführt, teilweise aber auch – zutreffend – umfänglich abgelehnt, da das Schadensrecht in den vorliegenden Fällen des arglistigen systematischen „Absatzbetrugs“ andernfalls seine Präventionsfunktion verfehlen würde.

In mehreren Urteilen vertrat die 9. Zivilkammer des LG Nürnberg-Fürth den Standpunkt, dass der Nutzungsersatz zugunsten des beklagten Herstellers auf den Zeitraum zwischen Kenntniserlangung und Rückabwicklungsverlangen beschränkt ist, da der Käufer das Fahrzeug nur in diesem Zeitraum in Kenntnis der wahren Umstände vorbehaltslos genutzt habe. Zwischenzeitlich hat die 9. Zivilkammer diesen Standpunkt allerdings wieder aufgegeben.

LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 16.4.2019 – 9 O 8773/18, BeckRS 2019, 7977, Rn. 22 ff. = juris; s. auch Urt. v. 9.4.2019 – 9 O 8478/18, BeckRS 2019, 26166 Rn. 22 ff.; Urt. v. 29.10.2019 – 9 O 2719/19, BeckRS 2019, 26959 Rn. 20 ff.; ohne Begründung gegenteilig aber Urt. v. 13.8.2019 – 9 O 8650/18 und Urt. v. 16.8.2019 – 9 O 6056/18 (unveröffentlicht).

OLG-Rechtsprechung pro Herstellerhaftung VW EA 189

Deutschland ist in 24 Oberlandesgerichtsbezirke aufgeteilt, die den 115 Landgerichten übergeordnet sind. Von diesen 24 Oberlandesgerichten haben sich inzwischen 14 Gerichte zum Grundfall des Dieselskandals (Haftung von VW für Inverkehrbringen des Motors EA 189 und Erwerb vor September 2015) geäußert. Lediglich das OLG Braunschweig hat eine Haftung von VW abgelehnt. Die anderen 13 OLGs haben VW durchweg nach § 826 BGB verurteilt oder eine entsprechende Verurteilung angekündigt.

VW-Abgasskandal: OLG Düsseldorf hält Abschaltautomatik wie der BGH für Mangel

31.10.2019
Der spektakuläre Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofes vom 8. Januar 2019 (Az.: VII ZR 225/17) im VW-Abgasskandal wirkt weiter in die Rechtsprechung hinein. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat jetzt einen Autohändler dazu verurteilt, ein vom Diesel-Abgasskandal betroffenes Auto zurückzunehmen und den Kaufpreis plus Zinsen zurückzuzahlen (AZ.: 13 U 106/18). Der VW Passat war nach Ansicht der Richter in Düsseldorf durch den Einbau einer unzulässigen Abschaltautomatik „mangelhaft“. Das Gericht verweist bei seiner Argumentation explizit auf den BGH-Hinweisbeschluss und ein Urteil des OLG Karlsruhe (Az.: 13 U 144/17). Auch hier argumentierte das Gericht am BGH-Beschluss entlang und ordnete sogar noch die Neulieferung eines typengleichen Nachfolgemodells an.
 
OLG Düsseldorf lässt keine Revision zu

Der Kläger im Düsseldorfer Fall hatte 2013 für 27.000 Euro einen VW Passat Variant gekauft. Nach dem Bekanntwerden des Diesel-Abgasskandals klagte er auf Rückabwicklung des Kaufvertrages. In erster Instanz scheiterte er damit am Landgericht Düsseldorf. Am Oberlandesgericht bekam er nun Recht. Der Autohändler muss das Auto zurücknehmen, weil es gemäß Paragraph 434 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 BGB mangelhaft war. Der Kläger erhält den Kaufpreis zurück. Da sich der Autohändler seit Juni 2016 mit der Rücknahme des Passats in Verzug befindet, muss er dem Kläger Zinsen in Höhe von jährlich vier Prozent bezahlen. Das Gericht sprach dem Händler jedoch eine Nutzungsentschädigung vom Kläger zu. Das OLG ließ für das Urteil keine Revision zu.
 
Zinsen und Nutzungsentschädigung bleiben strittig

Der „Nutzungsvorteil“ oder die „Nutzungsentschädigung“ ist derzeit in der Rechtsprechung strittig. Das Thema Nutzungsentschädigung gehört zu den zentralen Punkten bei der Abwicklung des Diesel-Abgasskandals. Die VW AG versucht die einzelnen juristischen Verfahren gegen sie in die Länge zu ziehen, um auf diese Weise eine mögliche Nutzungsentschädigung in die Höhe zu treiben und so den zu zahlenden Schadensersatz zu minimieren. Die Landgerichte Mühlhausen (Az.: 6 O 647/17)und Kiel (Az.: 11 O 243/18) haben VW eine derartige Zahlung verweigert. Mit einer Nutzungsentschädigung, heißt es beispielsweise im Kieler Urteil, „würde die Beklagte im Ergebnis einen geldwerten Vorteil aus ihrem sittenwidrigen Verhalten ziehen. Ein solches Ergebnis ist nicht hinnehmbar“.
Auch umstritten ist der Anspruch auf eine Verzinsung des Kaufpreises. Am Oberlandesgericht Oldenburg herrschen dazu unterschiedliche Meinungen. Da Richter unabhängig sind, sind sie nicht an die Auffassung der Kollegen aus dem Parallelsenat gebunden. Der 13. Zivilsenat entschied sich gegen eine Verzinsung, weil der Kläger für sein gezahltes Geld bis zur Rückgabe des Autos das Fahrzeug tatsächlich täglich nutzen haben können. Der 5. Zivilsenat hatte Anfang Oktober (Az. 5 U47/19) VW dazu verurteilt, für die Zeit ab Vertragsschluss Zinsen auf den Kaufpreis zu zahlen (§ 849 BGB). Denn die Klägerin habe ihr Geld, das sie ja für das Auto ausgegeben habe, nicht anderweitig nutzen können. Die Vorgehensweise bei der Nutzungsentschädigung und Verzinsung werden daher höchstwahrscheinlich vom Bundesgerichtshof entschieden werden müssen.


www.spiegel.de vom 12.09.2013
Köln muss wegen Luftverschmutzung Fahrverbote verhängen

Kölns Luftreinhalteplan reicht nicht aus - das hat das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht geurteilt. Damit drohen der Stadt jetzt Fahrverbote für alte Diesel.

Der Luftreinhalteplan für Köln ist laut einem Urteil des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Münster rechtswidrig. Nach derzeitigem Stand müssten Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge in den Luftreinhalteplan aufgenommen werden, um eine zügigere Einhaltung der Grenzwerte für die Luftverschmutzung zu erreichen, urteilte das Gericht.

Zuvor hatte das OVG intensiv über ein Dieselfahrverbot für einzelne Straßen beraten. An vier Straßen mit besonders hoher Schadstoffbelastung werde der Grenzwert der Prognose der Stadt zufolge erst in drei bis vier Jahren eingehalten, sagte der Senatsvorsitzende Max-Jürgen Seibert bei der Verhandlung in Münster. Das sei ein sehr langer Zeitraum.

Umfang der Fahrverbote unklar

Noch nicht entschieden ist, in welchem Umfang Fahrverbote verhängt werden müssen. Das Oberverwaltungsgericht hält eine komplette Fahrverbotszone nicht für zwingend erforderlich. Streckenbezogene Fahrverbote für die vier betroffenen Straßen (Justinianstraße, der Clevische Ring, Neumarkt und die Luxemburger Straße) könnten ausreichen, um die Grenzwerte zumindest im Jahr 2020 einzuhalten.

In dem Verfahren ging es um die Berufung des Landes NRW gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln. Das hatte nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe eine weiträumige Sperrzone für die Millionenstadt verhängt. Umgesetzt wurde sie bislang nicht.

Auch der überarbeitete Luftreinhalteplan für Köln, der am 1. April in Kraft getreten war, verzichtete bisher auf diesen drastischen Schritt. Stadt und Bezirksregierung wollten die Luftverschmutzung mit anderen Maßnahmen senken: So gilt seit dem vergangenen Monat in der Kölner Innenstadt ein Durchfahrverbot für Lastwagen, die mehr als 7,5 Tonnen wiegen.

www.suedeutsche.de vom 10.09.2019
OLG Hamm verurteilt VW zu Schadenersatz

Mit dem Oberlandesgericht Hamm hat ein weiteres Gericht den Volkswagen-Konzern zu Schadenersatz verurteilt. Der 13. Zivilsenat gab der Käuferin eines VW-Beetle am Dienstag recht, die sich durch manipulierte Abgaswerte an dem Fahrzeug durch den Autobauer getäuscht fühlte. Sie hatte das Auto im November 2016 bei einem VW-Vertragshändler in Bochum gekauft. Die Klägerin aus Sarstedt in Niedersachsen könne wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung von der Volkswagen AG den Kaufpreis abzüglich der Nutzungsentschädigung und die Freistellung der noch zahlenden Kreditraten gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen, heißt es in der Urteilsbegründung, wie das OLG Hamm mitteilte. "Die Volkswagen AG habe durch das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit der manipulierten Motorsteuerungssoftware ihre Kundin getäuscht." Das Oberlandesgericht Köln hatte bereits im Januar ein vergleichbares Urteil verkündet.

Seit 2015 sind am OLG Hamm knapp 3000 Berufungsverfahren im Abgasskandal gegen den VW-Konzern eingegangen. In vielen Fällen kam es nicht zu einem Urteil, weil sich Kläger und VW zuvor auf einen Vergleich einigen konnten. In der ersten Instanz an den Landgerichten sind noch tausende Verfahren anhängig. Das jetzt veröffentlichte Urteil vom Dienstag ist noch nicht rechtskräftig. Das OLG ließ Revision durch den Bundesgerichtshof in Karlsruhe zu (Az.: 13 U 149/18).


www.presseportal.de vom 17.07.2019
Musterfeststellungsklage gegen VW:

OLG Braunschweig erteilt dem wichtigsten "Ziel der Klage" eine vorläufige Absage

In dem Musterfeststellungsklageverfahren gegen VW wies der 4. Zivilsenat des OLG Braunschweig im Vorfeld des Verhandlungstermins am 30.09.2019 darauf hin, dass das wichtigste Feststellungsziel bereits unzulässig sein könnte. Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) als Musterfeststellungskläger hatte als Ziel die Feststellung ausgegeben, dass Volkswagen Käufer vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat und daher Schadensersatz schuldet. "Eben dies hält das OLG Braunschweig nach seinen aktuellen Hinweisen für nicht zulässig. Stichtag für eine negative Bindungswirkung ist bereits der 30.09.2019", warnen Dr. Marcus Hoffmann und Mirko Göpfert, Partner der im Verbraucherschutzrecht tätigen Kanzlei Dr. Hoffmann & Partner Rechtsanwälte aus Nürnberg.

Mehr als 400.000 Fahrzeugbesitzer der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit Dieselmotoren des Typs EA 189 haben sich der Musterfeststellungsklage angeschlossen. Das ausgegebene Ziel des vzbv ist die Feststellung, dass Volkswagen Käufer vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat und daher Schadensersatz schuldet.

Das OLG Braunschweig wies in seinem bislang augenscheinlich völlig unbeachtet gebliebenen Beschluss vom 03.07.2019 darauf hin, dass sich "die Musterfeststellungsklage nicht auf die Feststellung von Ansprüchen - auch nicht dem Grunde nach - erstrecken sollte", was bereits aus den Gesetzgebungsmaterialien hervorgehe. Nach zutreffender Ansicht entspreche es vielmehr der Funktion der Musterfeststellungsklage, dass es um das gesamte Rechtsverhältnis oder den gesamten Anspruch erst im nachfolgenden Individualverfahren geht.

"Nach der vorläufigen Auffassung des Senats geht die Klage also gerade in ihrem wichtigsten Feststellungsziel über das gesetzlich Zulässige hinaus. Ob ein Schadensersatzanspruch gegen VW grundsätzlich besteht, wird das OLG Braunschweig daher aller Voraussicht nach überhaupt nicht klären", erläutert Rechtsanwalt Dr. Marcus Hoffmann. Nach Auffassung der Nürnberger Rechtsanwälte steht somit zu erwarten, dass die hoch gelobte Musterfeststellungsklage den Verbraucher am Ende "bestenfalls" viel Zeit kostet.

Darüber hinaus steckt in ihr auch ein ganz erhebliches Gefahrenpotential. Wenn das OLG Braunschweig in einzelnen Fragen negative Feststellungen trifft, beispielsweise, dass keine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt, sind alle Betroffenen hieran gebunden. Schadensersatzansprüche können sodann auch nicht mehr erfolgsversprechend vor anderen "verbraucherfreundlicheren" Gerichten, die in aller Regel diesen Umstand bislang zu Lasten von VW unterstellten, geltend gemacht werden.

Dieser zunehmenden Gefahr können Verbraucher nur durch eine rechtzeitige Rücknahme ihrer Anmeldung zur Musterfeststellungsklage begegnen. Die Abmeldung kann allerdings nur bis zum 30.09.2019 erklärt werden. Ab dem Tag der Rücknahme sollten Autokäufer binnen sechs Monaten eine Einzelklage erheben, um eine potentielle Verjährung sicher auszuschließen. Wer schnell und tatsächlich angemessen entschädigt werden will, sollte seine Ansprüche sehr kurzfristig individuell geltend machen.


www.presseportal.de vom 12.07.2019
LG Essen: Autokäufer müssen sich beim Abgasskandal keine Nutzungsvorteile anrechnen lassen

Das Landgericht Essen hat mit Urteil vom 19.06.2019 - 3 O 439/18 - entschieden, dass sich der Käufer eines Dieselfahrzeugs, das mit einer Schummelsoftware ausgestattet ist, keine Nutzungsvorteile für die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen muss. Vorher hatten bereits das LG Augsburg, LG Halle und das LG Frankfurt/Oder das so gesehen. Die Klägerin aus Monheim am Rhein erwarb im Jahre 2013 einen gebrauchten VW Golf VI Cabriolet 2,0 TDI zu einem Kaufpreis von 23.925,00 Euro. Infolge der Abgasmanipulation durch die beklagte Volkswagen AG erlitt sie einen erheblichen Wertverlust.

Das Landgericht ist dabei der Argumentation … gefolgt, dass die Klägerin sich keinen Nutzungswertersatz für gefahrene Kilometer anrechnen lassen muss. Zu beachten sei, so das Gericht, dass der Schadensausgleich nicht die Präventivfunktion des Deliktrechts, insbesondere der einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung, unterlaufen dürfe. Im Fall einer vorliegenden vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung, die noch dazu solche gravierenden Ausmaße annimmt, ist unter Berücksichtigung einer wertenden Betrachtung der vermeintlichen Vorteile des Geschädigten ausnahmsweise kein Vorteilsausgleich dem Schädiger zuzubilligen.
Der Klägerin wurde durch das Landgericht vollumfänglich Schadensersatz zugesprochen. Dieser Schadensersatz beinhaltet neben dem Kaufpreis auch die Finanzierungskosten, insbesondere den Zinsaufwand.

www.presseportal.de vom 09.07.2019
Ohrfeige für VW - OLG Köln beabsichtigt Berufung ohne mündliche Verhandlung abzuweisen


Der erkennende 27. Senat beabsichtigt das Verfahren ohne eine mündliche Verhandlung durch Urteil zu beenden, da die vom VW-Konzern vorgetragenen Argumente offensichtlich zu keinem anderen Ergebnis führen konnten, als die in der ersten Instanz festgestellten vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung der betroffenen Dieselfahrer durch den Wolfsburger Weltkonzern zu bestätigen (Beschluss vom 01.07.2019, Az. 27 U 7/19).

Es geht hier um einen im Jahr 2013 für knapp 20.000 EUR gebraucht gekauften Audi A4 Avant.

Daran, dass es sich bei der verwendeten Software um eine illegale Abschalteinrichtung handelt, ließ der Senat keinen Zweifel. Bevor ein Kraftfahrzeughersteller berechtigt sei, ein Fahrzeug für die Nutzung im Straßenverkehr auf den Markt zu bringen, habe er die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren erfolgreich zu durchlaufen. Der Kunde ginge aufgrund des Inverkehrbringens des Fahrzeugs davon aus, dass dieses die technischen und die rechtlichen Voraussetzungen der Zulassung erfüllt und dass der Hersteller die für den Fahrzeugtyp erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen nicht durch eine Täuschung erwirkt habe.

Dieses Vorgehen bewertet der Senat als klar sittenwidrig. Sittenwidrig handele nämlich derjenige, der eine Sache, von deren Mangelhaftigkeit er weiß, in der Vorstellung in den Verkehr bringt, dass die betreffende Sache von dem Erwerber in unverändert mangelhaftem Zustand an einen ahnungslosen Dritten, der in Kenntnis der Umstände von dem Geschäft Abstand nähme, veräußert werden wird. Der Kunde könnten gesetzeskonformes Verhalten des Herstellers erwarten.

Aus der Heimlichkeit des Einsatzes der Software gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt, den beteiligten Stellen und den potentiellen Kunden gegenüber ergebe sich schließlich mit hinreichender Sicherheit, dass die beteiligten Mitarbeiter bei Volkswagen auch in der Vorstellung handelten, dass der Einsatz der Software zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Typengenehmigung und der Betriebszulassung der so ausgestatteten Fahrzeuge führen könnte und dass potentielle Kunden Fahrzeuge, die derart mit rechtlichen Unsicherheiten belastet waren, nicht ohne weiteres erwerben würden. Einziger Zweck des Vorgehens war nach Überzeugung des Senats die Gewinnmaximierung. Andere Gründe als eine Kostensenkung und eine damit verbundene Gewinnmaximierung seien nicht denkbar. Es erscheine lebensfremd, dass man bei VW eine Software auf Motoren installiere, verbunden mit dem Risiko, die Zulassung der mit diesen Motoren versehenen Fahrzeuge nicht zu erhalten und sich strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen, ohne dass man sich hiervon einen wirtschaftlichen Nutzen verspreche.

Im Hinblick auf das hierfür eingesetzte Mittel, nämlich die Täuschung einer öffentlichen Stelle und der potentiellen Kunden in einer immensen Zahl von Fällen, sei das Verhalten der Verantwortlichen Akteure bei Volkswagen als besonders verwerflich anzusehen. Dass es sich hier um ein gebraucht gekauftes Fahrzeug handelte, änderte am Schadensersatzanspruch nach Ansicht des Gerichts nichts. Auch an der Kenntnis des damaligen Vorstandes hatte das Gericht keinen Zweifel. Hinzu komme, dass der umfangreiche Vortrag des Klägers eine sogenannte sekundäre Darlegungslast beim beklagten Konzern ausgelöst habe, wonach dieser hätte Farbe bekennen müssen, dies jedoch nicht tat.


www.presseportal.de vom 05.07.2019
VW-Abgasskandal: OLG München stellt sich auf die Seite der Geschädigten

In einer Verfügung des OLG München vom 04.07.2019, Az. 18 U 4761/18, bejaht der erkennende Senat das Vorliegen einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung durch VW.

In diesem … geführten Prozess ging es um einen Audi mit dem Skandalmotor "EA189".

Bereits das Inverkehrbringen eines derartigen Fahrzeugs stelle eine konkludente Täuschung des Endkunden dar, so der Senat.

Ein konkretes Einwirken von VW auf das Vorstellungsbild des Klägers bei Erwerb des Fahrzeugs sei nicht erforderlich. Ebenso wenig könne sich Volkswagen darauf berufen, dass es sich hier um einen Gebrauchtwagen gehandelt hat.

Der Schaden des Käufers sei bereits mit Abschluss des zustande gekommenen Kaufvertrages über den der Manipulationssoftware ausgestatteten Wagen eingetreten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stelle eine bewusste arglistige Täuschung regelmäßig zugleich einen Verstoß gegen die guten Sitten dar. Die im Prozess von Volkswagen geäußerte Ansicht, dass die Verwendung einer dem Endkunden gegenüber nicht offengelegten Abschaltautomatik nicht gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoße, wurde vom Senat nicht geteilt.

Dass die Verwendung der Software ein "Verhaltensexzess eines untergeordneten Mitarbeiters", der den Vorstand bzw. Repräsentanten, der den Einsatz der Motorsteuerungssoftware genehmigt hat, ebenfalls getäuscht haben müsste, hielt der Senat für höchst unwahrscheinlich und kommt zum Schluss, dass eine tatsächliche Vermutung dafür bestehe, dass ein Vorstand oder Repräsentant den Einsatz der beanstandeten Motorsteuerungssoftware gekannt und gebilligt hat.

Den Vortrag der VW AG, sie habe trotz Bemühungen nicht ermitteln können, wer für die Entwicklung und den Einbau der streitgegenständlichen Software verantwortlich sei, bewertete das Gericht als unsubstantiiert und widerspreche jeder Lebenserfahrung.

Jetzt ist klar: Jedenfalls die Oberlandesgerichte München, Köln, Karlsruhe und Oldenburg sehen Klagen aus vorsätzlich sittenwidriger Schädigung als begründet an. Weitere Oberlandesgerichte werden sich zeitnah anschließen.

www.bild.de vom 26.06.2019
Hammer-Urteil des EuGH zu Fahrverboten

Anwohner können auf Abgas-Messungen klagen

Drohen jetzt noch mehr Diesel-Fahrverbote in unseren Städten?

Dieses Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) wird den Streit über Diesel-Fahrverbote noch verschärfen: Die Luxemburger Richter kamen zu dem Schluss, dass bei der Luftschadstoff-Messung schon vereinzelte Überschreitungen der Grenzwerte gegen EU-Recht verstoßen.
  • Entscheidend seien die Werte an individuellen Messstationen, nicht die Mittelwerte, urteilte der Europäische Gerichtshof am Mittwoch.
  • Außerdem können Gerichte künftig die Platzierung von Messstationen für Luftschadstoffe prüfen und neue Stationen anordnen. Das bedeutet im Umkehrschluss: Belastete Anwohner können künftig auf die Errichtung von Messstationen klagen!
  • Die EU-Regeln sehen zudem vor, dass Messstationen so einzurichten sind, dass sie Informationen über die am stärksten belasteten Orte liefern, erklärten die Richter. Die Standorte müssten so gewählt werden, dass die Gefahr unbemerkter Überschreitungen von Grenzwerten minimiert werde.
Neue Klagewelle droht

Das Urteil dürfte weitreichende Folgen für Deutschland haben. Diverse Städte müssen sich jetzt auf Klagen der Deutschen Umwelthilfe einstellen. Die DUH kritisiert auf Basis eigener Messungen seit Langem, dass viele offizielle Stationen NICHT an den am schlimmsten belasteten Punkten stünden und es deshalb noch mehr Fahrverbote geben müsste.

Darum ging es im ursprünglichen Streit

In dem Verfahren streiten mehrere Einwohner der Region Brüssel sowie die Umweltorganisation ClientEarth mit der Regionalverwaltung darüber, ob die Luftqualität ausreichend kontrolliert wird. Aus ihrer Sicht tut die belgische Hauptstadt zu wenig. Sie klagten deshalb auf Einrichtung der aus ihrer Sicht erforderlichen Messstationen.

Welche Bedeutung ist von dem Urteil zu erwarten?

Die Auslegung des EU-Rechts durch den EuGH gilt für alle Mitgliedsstaaten. Das Gericht stärkt die Rechte von Menschen, die unter zu hoher Schadstoffbelastung leiden, etwa Anwohner vielbefahrener Straßen.

Für Dieselfahrer ist das Urteil keine gute Nachricht: Wenn nichts anderes hilft, werden oft Fahrverbote für Diesel debattiert, die für Stickoxide verantwortlich gemacht werden.

Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte mehrmals Zweifel an den Standorten von Messstationen geäußert. Es könne nicht sein, dass die Geräte direkt an Kreuzungen oder Busbahnhöfen aufgebaut würden. Die Befürchtung war, dass Messergebnisse fälschlicherweise zu hoch ausfallen könnten und auf dieser Grundlage unnötig Fahrverbote erwogen würden.

Teilsperrungen statt flächendeckender Verbote

Die Union setzt sich weiter dafür ein, flächendeckende Fahrverbote wann immer möglich zu vermeiden. „Messstationen müssen dort aufgestellt sein, wo die Bürger den Schadstoffen ausgesetzt sind und wenn Grenzwerte überschritten werden, muss gehandelt werden. Allerdings stelle ich mir die Frage, warum einige Kommunen bei Grenzwertüberschreitungen an einer Messstelle mit flächendeckenden Fahrverboten reagieren, statt möglichst begrenzte, straßenbezogen Einschränkungen vorzunehmen“, sagte Marie-Luise Dött, umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu BILD. Die Stickoxid-Problematik dürfe laut Dött nicht zu ideologisch motivierten Einschränkungen des motorisierten Individualverkehrs missbraucht werden.

Wie ist die Situation im Moment?

Die Luft ist in einigen Städten besser geworden – und doch wurde der EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid 2018 immer noch in 57 Städten überschritten, wie das Umweltbundesamt Mitte Juni verkündete. Ein Jahr zuvor waren es noch 65 Städte und 2016 sogar 90.

Der EU-Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm NO₂ pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel. Die bundesweit höchste Belastung hatte im vergangenen Jahr Stuttgart mit 71 Mikrogramm. Darmstadt kam auf 67, München auf 66 Mikrogramm.


Oberlandesgericht Koblenz vom 12.06.19: Dieselkläger erzielen wichtigen Sieg gegen VW

Schlappe für Volkswagen im Abgasskandal: Der Konzern muss dem Fahrer eines Sharan 26.000 Euro zahlen, entschieden Richter in Koblenz. Damit wachsen die juristischen Risiken für das Unternehmen weiter.

VW hat im Abgasskandal vor dem Oberlandesgericht (OLG) Koblenz eine schmerzhafte Niederlage erlitten. Der 5. Zivilsenat des OLG verpflichtete das Unternehmen am Mittwoch, "wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung" Schadensersatz zu zahlen.

Erstmals hat damit ein Oberlandesgericht den Autokonzern selbst verurteilt. Bisher waren zweitinstanzliche Urteile nur für einige VW-Händler verloren gegangen, was für den Konzern weniger gefährlich ist. Das Verfahren geht nun wohl zum Bundesgerichtshof (BGH). Der hatte sich bereits in einem sogenannten Hinweisbeschluss äußerst kritisch zu Volkswagens Motormanipulationen geäußert. Munition liefert das Urteil auch den rund 400.000 VW-Kunden, die sich an einer Musterfeststellungsklage beteiligt haben.

Sharan-Fahrer soll 26.000 Euro bekommen

Der Kläger aus dem Kreis Bad Kreuznach soll von VW 26.000 Euro erhalten. Er hatte vor Bekanntwerden der Abgasmanipulationen einen gebrauchten VW Sharan mit einem Dieselmotor EA 189 für gut 31.000 Euro gekauft und später von Volkswagen den vollen Kaufpreis zurückgefordert. Dieses Ansinnen hatte das Landgericht Bad Kreuznach in erster Instanz abgewiesen. Den übrigen Betrag zogen die Richter als Nutzungsvorteil für die gefahrenen Kilometer ab.

Das OLG hielt VW vor, den Sharan "unter bewusstem Verschweigen der unzulässigen Softwareprogrammierung in Verkehr gebracht" zu haben. Mit dieser bestehe "die Gefahr der Betriebsuntersagung und Fahrzeugstilllegung". Das sei ein Schaden. Bei einem Weiterverkauf gebe es einen Wertverlust. VW habe sittenwidrig gehandelt.

Das OLG betonte, "dass staatliche Behörden, Wettbewerber und Endverbraucher in großer Zahl systematisch zur Profitmaximierung getäuscht" worden seien. Es sei daher ausgeschlossen, dass der VW-Vorstand oder zumindest der Leiter der Entwicklungsabteilung die Manipulationen nicht gekannt hätten.

VW-Deutung verschleiert mehr, als sie erklärt

Bundesweit sei damit zum vierten Mal ein zweitinstanzliches Urteil gegen den Autobauer gefällt worden, relativierte ein VW-Sprecher den Richterspruch. 25 OLG-Urteile seien dagegen zugunsten von Volkswagen oder VW-Händlern ausgegangen.

Diese Deutung verschleiert allerdings mehr, als sie erklärt. Tatsächlich waren zuvor OLG-Urteile lediglich gegen VW-Händler gefallen. Sie bergen für den Autobauer weniger Risiken, als wenn er wegen eigener Verfehlungen verurteilt wird. Hinter den 25 Urteilen zugunsten VWs verstecken sich ebenfalls fast ausschließlich Richtersprüche für Händler. Zugunsten des Konzerns urteilte einzig das OLG Braunschweig.

Der OLG-Spruch aus Koblenz trifft den VW-Konzern schwer, weil er weit gewichtigeren Klagen frische Munition liefert. In diesen sind nicht Händler von VW im Visier, sondern das Unternehmen und dessen Delikthaftung selbst.

VW allerdings will den Richterspruch so nicht akzeptieren. "Wir halten das Urteil für rechtsfehlerhaft und werden dagegen Revision einlegen", teilte der VW-Sprecher mit Blick auf das Koblenzer Urteil mit. Damit ginge das Verfahren zum Bundesgerichtshof (BGH).

Der Autokäufer, der vor dem OLG Koblenz gewonnen hat, zeigte sich mit Blick darauf "vorsichtig optimistisch". VW habe ihm vor der OLG-Entscheidung auch die Rückabwicklung des Sharan-Kaufs für gut 21.000 Euro angeboten - das habe er aber ausgeschlagen. Der VW-Sprecher ergänzte: "Klarheit zu bestimmten Rechtsfragen erwarten wir erst durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs." Noch gibt es keine abschließende BGH-Entscheidung im VW-Abgasskandal.


Sensationsurteil LG Halle vom 05.03.2019, Gz.: 5 O 109/18

Keine Nutzungsanrechnung für gefahrene Kilometer

Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.300 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten seit dem 12.12.2017 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges VW Caddy Comfortline 1.6 TDI mit der Fahrgestellnummer W… zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der vorgenannten Zug-um-Zug-Leistung in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1789,76 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.12.2017 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 19.300 € festgesetzt.

Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatz im Zusammenhang mit dem sogenannten VW-Abgasskandal.

Die Klägerin kaufte am 22.05.2015 bei einem Autohändler einen PKW VW Caddy mit der aus dem Tenor ersichtlichen Fahrgestellnummer als Gebrauchtfahrzeug mit 14.452 km zu einem Kaufpreis i.H.v. 19.300 €. Im Zeitpunkt unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung (11.02.2019, 12.02 Uhr) beträgt der Kilometerstand des Fahrzeugs 67.462 km.

Nach Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin stellte sich heraus, dass das Fahrzeug über einen von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA 189 verfügt, der mit einer Software versehen ist, die erkennt, ob sich das Fahrzeug in einem Prüfzyklus befindet und in diesem Fall, anders als im normalen Fährbetrieb, verstärkt Abgase in den Motor zurückleitet, um eine Verringerung der Stickoxidwerte zu erreichen.

Mit Bescheid des Kraftfahrtbundesamtes vom 15.10.2015 gegenüber der Beklagten wurde diese aufgefordert, diese als unzulässige Abschalteinrichtungen bezeichnete Software zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung des vorschriftsmäßigen Systems zu ergreifen. Im Falle der Nichtbefolgung wurde vollständiger oder teilweiser Widerruf bzw. Rücknahme der Typ-Genehmigung angedroht. Die Beklagte entwickelte ein Software-Update, das durch das Kraftfahrtbundesamt als geeignete Maßnahme in vorstehendem Sinne betrachtet wurde. Die Klägerin folgte der Rückrufaktion zum Aufspielen der Software nicht.

Die Klägerin forderte die Beklagte durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 03.12.2017 (Anlage K 10) zum Schadensersatz (Rückzahlung des Kaufpreises) Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs unter Fristsetzung bis zum 11.12.2017 vergeblich auf.

Die Klägerin meint, das Fahrzeug verfüge nicht über die Voraussetzungen für die Typ-Genehmigung und habe einen erheblich höheren Schadstoffausstoß als von der Beklagten angegeben. Der Marktwert des Fahrzeugs sei erheblich gesunken. Das Fahrzeug sei nicht technisch einwand- und manipulationsfrei. Das entwickelte Software-Update beeinträchtige die Gebrauchstauglichkeit und führe zu weiteren Mängeln, insbesondere einer Erhöhung des Kraftstoffverbrauchs, der Immissionswerte und von Verschleißerscheinungen. Die Beklagte habe eine Manipulation an der Software des Motors vorgenommen, damit sittenwidrig gehandelt und über die tatsächlichen Schadstoffemissionen in betrügerischer Art und Weise und arglistig getäuscht. Denn die Beklagte habe gewusst, dass sie mit dem massenhaften Einbau der Software einen zulassungsrechtlich illegalen Zustand herbeiführte, die Klägerin ein Fahrzeug erhalte, das folglich mit einem entsprechenden Schaden belastet sei. Ohne das Verheimlichen dieser Software und der dadurch entstehenden Probleme hätte sie das Fahrzeug nicht gekauft.

OLG Oldenburg, Gz.: 5 U 151/18 vom 08.05.2019 (mündliche Verhandlung)

"Kauf nach Kenntnis-Fälle"

Auch Käufer von betroffenen Fahrzeugen, die sie nach der Aufdeckung des Dieselabgasskandals  erwarben, können Schadensersatzansprüche zustehen.

Köln (ots) - Wieder ein Paukenschlag aus Niedersachsen, dem Heimatland des VW-Konzerns. …

Nachdem eine Fülle von Klagen betroffener Dieselbesitzer von Landgerichten bundesweit mit dem lapidaren Hinweis abgewiesen worden waren, die Kläger hätten doch wohl von dem Abgasskandal gewusst oder zumindest wissen müssen, hat ausgerechnet ein übergeordnetes Gericht aus dem Heimatbundesland des VW-Konzerns eine vollkommen andere Marschrichtung vorgegeben.

In dem Verfahren 5 U 151/18 kam es am 08. Mai 2019 zur mündlichen Verhandlung, weil die Volkswagen AG sich in Fällen, die sie selbst "Kauf nach Kenntnis-Fälle" nennt, siegessicher zeigt und daher keine der ansonsten üblichen Vergleichsangebote unterbreitet. Diesmal hatten sich die Strategen der Kanzlei Freshfields, der Hauptbevollmächtigten in Abgasskandalfällen des VW-Konzerns, offensichtlich verspekuliert: "Sehr deutlich folgte der erkennende Senat unserer Argumentation, wonach genau zu hinterfragen sei, wer wem was wann mit welcher Konsequenz mitgeteilt haben soll, was zu einer vollständigen und richtigen Aufklärung des Klägers über die Betroffenheit seines individuellen Fahrzeugs vom Abgasskandal, der Verfügbarkeit und Wirkung eines Softwareupdates und dessen Folgen geführt haben soll", so Rechtsanwalt Niephaus, der den Termin für Rogert & Ulbrich wahrnahm. Die Rechtsanwälte hatten auch darauf hingewiesen, dass diesbezüglich die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet sei, so Niephaus.

Zudem habe der Senat anklingen lassen, ein Sachverständigengutachten über die negativen Folgen des Software-Updates einholen zu wollen. Ein Umstand, den VW so fürchtet, weil dann ans Licht käme, dass das Update nicht geeignet ist, einen rechtskonformen Zustand herzustellen und gar neue Abschalteinrichtungen in diesem Zuge implementiert wurden.

"Der Senat gab ebenfalls zu bedenken, dass ein pauschaler Vortrag für eine Annahme positiver Kenntnis der Betroffenheit seines individuellen Fahrzeugs ebenso wenig ausreiche wie ein pauschales Bestreiten negativer Auswirkungen durch das Softwareupdate bzw. die Nichtherstellung des vertraglich ursprünglich vereinbarten Zustands", erläutert Rechtsanwalt Prof. Dr. Rogert, geschäftsführender Partner der Klägeranwälte.
 

Urteile zum Thema Rücknahme der Fahrzeuge zuzüglich Zahlungen von Zinsen der Volkswagen AG an die jeweiligen Kläger:

  • LG Itzehoe, Gz.: 6 O 154/18 vom 05.11.2018
  • LG Ellwangen, Gz.: 4 O 180/18 vom 15.11.2018
  • LG Nürnberg-Fürth, Gz.: 9O6661/18 vom 06.09.2018
Verzinsung des Anspruchs aus deliktischer Haftung – hier § 826 BGB

LG Kiel vom 30.01.2019, Az.: 6 O 299/18 - Leitsätze:

1. Der Käufer eines in den Verkehr gebrachten Fahrzeugs mit einem Motor mit rechtswidrig programmierter Motorsteuerungssoftware  hat einen Anspruch gegen den Motorhersteller aus § 826 BGB.

2. Der deliktische Anspruch ist gemäß §§ 288, 291 BGB mit 4 % zu verzinsen.

Aus www.lto.de vom 05.03.2019
OLG Karlsruhe bejaht sittenwidrige Schädigung

Der BGH hat es vorgemacht, nun zieht das OLG Karlsruhe nach:

In einem Hinweisbeschluss erklärt das Gericht, VW habe Diesel-Kunden sittenwidrig geschädigt. Der Wind scheint sich weiter gegen den Autobauer zu drehen.


Für den niedersächsischen Autobauer wird es zunehmend eng in der Abgasaffäre. Erst kürzlich tat der Bundesgerichtshof (BGH) etwas Ungewöhnliches und ging, nachdem sich einmal mehr ein Verfahren durch Vergleich erledigt hatte, mit dem Hinweisbeschluss, der dem Vergleich zugrunde lag, an die Öffentlichkeit. Der Bundesgerichtshof erklärte, bei der unzulässigen Abschalteinrichtung in den VW-Diesel-Fahrzeugen handele es sich nach bisheriger Bewertung um einen Mangel (Az. VIII ZR 225/17). Ein deutliches Signal zwar, aber doch für viele VW-Kunden noch nicht hilfreich. Denn das Verfahren vor dem BGH betraf nur kaufrechtliche Ansprüche gegen Händler, nicht gegen den Hersteller. Diese dürften, sofern nicht schon geltend gemacht, in den meisten Fällen zwischenzeitlich an der Verjährung scheitern.

Am Dienstag nun meldete sich auch das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit einer Pressemitteilung zu Wort. Auch deren Titel verheißt Spannung: "Termin in einer Klage wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen die Volkswagen AG am 12. April 2019 und ausführlicher Hinweisbeschluss".

Die Karlsruher Zivilrichter halten in dem Berufungsverfahren, für das der Termin anberaumt wurde (13 U 142/18), Schadensersatzansprüche eines VW-Kunden für begründet.

Dabei ging es nicht etwa, wie noch vor dem BGH, um einen Prozess gegen einen VW-Händler. Die Aussage des OLG bezieht sich vielmehr auf den behaupteten Anspruch eines Käufers direkt gegen den Hersteller, den er auf eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch den Einbau der Abschaltvorrichtung stützt, die dafür sorgt, dass das Auto auf dem Prüfstand andere Messwerte auswirft als im Echtbetrieb. Grundlage dafür ist §§ 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Deliktische Ansprüche mit längerer Verjährungsfrist


Käufer von VW-Dieseln dürften nun aber aufmerken. Sollte sich die Auffassung des Karlsruher 13. Zivilsenats durchsetzen, würden ihnen damit neue Vorgehensmöglichkeiten eröffnet.

Denn im Gegensatz zum Kaufrecht, wo in derartigen Fällen eine zweijährige Verjährungsfrist gilt, bewegt man sich hier im Deliktsrecht mit einer dreijährigen Frist.


Zudem beginnt diese nicht schon bei Lieferung des Pkw zu laufen, sondern gem. § 199 Abs. 1 BGB erst dann, wenn der Käufer von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt.
 

Alleine steht der Senat mit seiner Auffassung im Übrigen nicht. Schon das OLG Köln hatte im Januar eine sittenwidrige Schädigung durch VW bejaht und auch diverse Landgerichte (LG), u. a. in Heilbronn und Frankfurt, haben § 826 BGB schon für einschlägig befunden.

Aus www.mdr.de vom 30.01.2019:
Sensationsurteil des OLG Köln
VW muss Schadenersatz für Schummel-Diesel zahlen

Das Urteil dürfte viele Besitzer von Diesel-Pkw der Volkswagengruppe mit manipulierter Motorsoftware aufhorchen lassen: Volkswagen muss einem Käufer eines Audi TDI den Großteil des Kaufpreises erstatten – trotz einer inzwischen neu aufgespielten Software.

Die Volkswagen AG muss einem Autokäufer wegen der manipulativen Software am Dieselmotor den Kaufpreis abzüglich der Nutzungsentschädigung erstatten. Das hat das Oberlandesgericht Köln entschieden.

Der Zivilsenat des OLG bestätigte damit eine Entscheidung des Landgerichts Köln und wies eine Berufung des Autokonzerns zurück. Eine Revision wurde nicht zugelassen. (Az: 18 U 70/18)

Entschädigung trotz Software-Update

Eine Besonderheit in dem Fall ist, dass die Entschädigung gezahlt werden muss, obwohl VW bereits ein Software-Update an dem Fahrzeug durchgeführt und übernommen hatte.

Der Kläger aus dem Raum Köln machte jedoch geltend, dass er das Fahrzeug nicht gekauft hätte, wenn er bei Vertragsschluss den tatsächlichen Schadstoffausstoß gekannt hätte. Er bezweifelt zudem die Wirksamkeit des Updates. Zudem seien schädliche Auswirkungen auf den Motor zu befürchten.

Vorsätzliche Schädigung 

Laut Urteil hat sich VW durch den Verkauf des Diesel-Pkw mit betrügerischer Software einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung schuldig gemacht. Über die Motormanipulation sei auch der Konzernvorstand informiert gewesen. VW habe im Verfahren die Vorwürfe "nicht einmal ansatzweise" ausräumen können.

Der Schaden sei bei dem Kläger schon mit dem Erwerb des Fahrzeugs eingetreten. Der Schadensersatzanspruch sei nicht dadurch erloschen, dass ein Software-Update aufgespielt wurde.

weitere Urteile zum Thema Dieselgate

Verwaltungsgericht Müchen, 29.01.2018:
Kommt jetzt Fahrverbot?

Das Verwaltungsgericht München hat dem Freistaat Bayern dreiste Missachtung eines Gerichtsurteils vorgeworfen, weil er die Planung eines Diesel-Fahrverbots in München ablehnt.

Der bayerische Verwaltungsgerichtshof habe den Freistaat zu einem Konzept für Fahrverbote verpflichtet, damit der Stickoxid-Grenzwert eingehalten werden könne, kritisierte die Vorsitzende Richterin Martina Scherl am Montag. Es sei völlig neu „und auch ein Unding“, dass eine öffentliche Körperschaft Urteile missachte.

Für den Antrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) deshalb in Haft zu nehmen, bis der Freistaat Fahrverbotspläne vorlegt, sah die Kammer aber keine Grundlage. Stattdessen erwägt sie ein erneutes Zwangsgeld von 4000 Euro. Die Entscheidung sollte am Nachmittag gegen 14.00 Uhr den Parteien zugestellt und dann veröffentlicht werden.

Die Luft in München sei seit 2010 viel besser geworden, und eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig über die Zulässigkeit von Fahrverboten werde auch erst Ende Februar erwartet, so Scherl. Aber der Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid sei an mehreren Straßenabschnitten in München immer noch über dem Grenzwert. Um schnell Abhilfe schaffen zu können, habe der Verwaltungsgerichtshof deshalb ein vollzugsfähiges Konzept für Fahrverbote verlangt - noch keine Fahrverbote, betonte die Richterin. Im neuen Luftreinhalteplan sei das aber nicht enthalten. „Mit allgemeinen Blabla“ und „so einer halben Larifari-Seite“ im Luftreinhalteplan sei es nicht getan, kritisierte sie.

Online Magazin Österreich derStandard.at vom 23.11.2017:
Welser Gericht verpasst VW Dämpfer in Abgasskandal

Das Landesgericht attestiert VW arglistige Täuschung und entscheidet zugunsten des Klägers, der Autokonzern zieht damit erstmals den Kürzeren Wels/Wien – Der an Gerichtsurteilen zweiter Instanz eher arme VW-Abgasskandal ist um einen relevanten Spruch reicher: Das Landesgericht Wels hat ein abschlägiges Urteil des Bezirksgerichts Gmunden zugunsten des Klägers umgedreht – und damit erstmals nicht zugunsten von VW entschieden. Der VW-Händler muss den im Juli 2015 erworbenen Gebrauchtwagen VW Touran zurücknehmen, weil aufgrund der Abgasmanipulationssoftware ein nicht geringfügiger Mangel und "beachtlicher Geschäftsirrtum" vorliege, so das Berufungsgericht in seiner Urteilsbegründung vom 21. November (22 R 201/17s).

Auf eine Debatte, ob das VW-Modell die Abgaswerte auf dem Rollenprüfstand tatsächlich einhält oder nicht, ließ sich das Gericht gar nicht ein, auch ein technisches Gutachten wurde nicht in Auftrag gegeben. Der Irrtum sei von der beklagten Partei veranlasst worden. Ob sie von der Manipulation wusste – VW-Organe behaupten ja, sie hätten nichts gewusst -, sei irrelevant.

Das Bezirksgericht Gmunden war – wie das Landesgericht Linz in zahlreichen Fällen – davon ausgegangen, dass der Pkw weiter verwendet werden kann und die Verbesserung durch Software-Update relativ einfach möglich ist. Nach einem Update drohe kein Entzug der Zulassung, der Mangel sei geringfügig, daher sei der Vertrag zu Wandeln, gab das Erstgericht dem durch VW haftungsfrei gestellten Händler recht.

Kein Zwangsupdate

Ungewöhnlich am Spruch des Berufungsgerichts ist, dass der VW-Besitzer mit seinem Touran – entgegen der Anweisung der Erstzulassungsbehörde, also des deutschen Kraftfahrtbundesamts – nicht zum Software-Update verpflichtet wird. "Allein die Tatsache, dass ein betroffener Kfz-Halter nun verpflichtet ist, von dem Unternehmen, das eine Manipulationssoftware in sein Auto integriert hat, eine weitere Software zur Rückgängigmachung der Manipulation entgegenzunehmen, um nicht den Verlust der Zulassung zu riskieren, stützt die hier vertretene Rechtsansicht der Mangelhaftigkeit des Pkw", heißt es.

Damit argumentiert der Welser Richtersenat unter Vorsitz von Wolfgang Pramendorfer ähnlich wie das Landesgericht Hildesheim im Jänner 2017 als Erstgericht in einer VW-Causa: Es bejahte eine vorsätzliche Schädigung und den Tatbestand des Betrugs durch Manipulation der Motorsteuerung und verpflichtete VW – nicht rechtskräftig – zur Erstattung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Wagens.
VW Abgas-Skandal

Das Wochenende vom 19./20.09.2015 brachte für den Volkswagen-Konzern eine Zeitwende mit sich.

Seitdem beschäftigt die Abgasaffäre – auch als Dieselgate bezeichnet – die internationalen Medien, die Behörden, die Politik, die Anleger und Aktionäre und auch Millionen von Dieselfahrern.

Eine Software in der Motorsteuerung von bestimmten Dieselmotoren kann in Testsituation die Abgaswerte manipulieren. Der Schadstoffausstoß im Normalverkehr weicht von den manipulierten Werten ab. Der Stein wurde von der US-Umweltbehörde EPA ins Rollen gebracht. Das Amt warf dem Autobauer vor, dass über Jahre hinweg die Abgaswerte von Dieselfahrzeugen gezielt verfälscht worden sein sollen. Am 20.09.2015 räumte VW gegenüber der US-Behörde ein, dass die Vorwürfe zutreffend seien.

Das Eingeständnis bildete den Auftakt für zahlreiche weitere Enthüllungen und Ereignisse.

VW Skandal – aktuelle Urteile zugunsten der Kläger


Landgericht Bochum (Urteil vom 13.09.2017, I-4 O 102/16):

Im VW Abgasskandal hat das Landgericht Bochum mit Urteil vom 13.09.2017, I-4 O 102/16 einen Händler dazu verurteilt, einen neuen Skoda Superb Combi aus der aktuellen Serienproduktion gegen Rückgabe des alten, vom Abgasskandal betroffenen Skoda Superb Combi nachzuliefern ohne Zahlung einer Nutzungsentschädigung.

Mit Kaufvertrag vom 03.06.2014 erwarb die Klägerin bei einem Händler einen Skoda Superb Combi 2,0l TDI Green Tec 125 KW. Als sie feststellen musste, dass das Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen ist, verlangte sie von dem Händler die Nachlieferung eines neuen Fahrzeugs gegen Rückgabe des manipulierten Fahrzeugs. Da dies außergerichtlich abgelehnt wurde, erhob die sie vertretende Kanzlei Klage beim Landgericht Bochum.

Das Landgericht Bochum verurteilte nunmehr den Händler zur Lieferung eines neuen Skoda. Zunächst stellte das Gericht fest, dass die Abgasmanipulation durch VW zu einem Mangel des Fahrzeugs führt. Deshalb kann der Käufer nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Da sich die Klägerin nach ihrem Wahlrecht für die Nachlieferung entschied, muss der Händler einen neuen Skoda liefern. Die Nachlieferung ist nach Ansicht des Landgerichts Bochum nicht unmöglich, weil auch der Skoda aus der neuen Serienproduktion vom Kaufvertrag umfasst ist. Der Händler kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Neulieferung im Vergleich zur Nachbesserung unverhältnismäßig ist. Der Händler hatte geltend gemacht, dass das Softwareupdate lediglich 100 € kostet und die Nachlieferung mindestens 20.000 €. Darauf muss sich die Klägerin jedoch nicht verweisen lassen, weil sich ein Minderwert des Fahrzeugs nicht belastbar ausschließen lässt. Es liegt daher keine Unverhältnismäßigkeit vor. Eine Nutzungs-entschädigung ist nicht geschuldet, weil das Gesetz ausdrücklich eine solche ausschließt.

Landgericht Nürnberg-Fürth (Urteil vom 23.08.2017, 12 O 407/17):

Im VW Abgasskandal hat das Landgericht Nürnberg-Fürth mit Urteil vom 23.08.2017, 12 O 407/17 einen Händler dazu verurteilt, einen neuen Skoda Octavia 2,0l TDI aus der aktuellen Serienproduktion gegen Rückgabe des manipulierten und vom Abgasskandal betroffenen Skoda Octavia zu liefern. Eine Nutzungsentschädigung muss der Geschädigte nicht bezahlen.

Der Kläger erwarb am 28.12.2012 von einem Skoda Händler einen Skoda Octavia. Als er feststellen musste, dass sein Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen ist, verlangte die ihn vertretende Kanzlei in seinem Namen von dem Händler die Neulieferung eines Skoda Octavia verlangte. Da dies außergerichtlich abgelehnt wurde, erhob die Kanzlei für den Kläger Klage beim Landgericht Nürnberg-Fürth.

Das Landgericht führt in seiner Entscheidung aus, dass das vom Abgasskandal betroffene Fahrzeug mangelhaft ist. Aufgrund des bestehenden Kaufrechts kann der Kläger gemäß § 439 Abs. 1 BGB nach seiner freien Wahl Nachlieferung oder Nachbesserung verlangen. Da er Nachlieferung verlangte, hat das Landgericht diesen Anspruch zugesprochen. Es teilte insbesondere mit, dass die Nachlieferung nicht unmöglich ist. Auch das neue Modell des Skoda Octavia sei vom ursprünglichen Kaufvertrag umfasst. Der Händler kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Neulieferung unverhältnismäßig sei, weil der Mangel für unter 100 € behoben werden könne. Auf die Unsicherheit der Nachbesserung müsse sich der Geschädigte nicht einlassen. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil das Softwareupdate vom VW-Konzern stammt, der auch die Manipulationen vorgenommen hat. Nutzungsersatz schuldet der Kläger nicht, weil das Gesetz dies ausdrücklich ausschließt in § 474 BGB.

Landgericht Mainz (Urteil vom 16.08.2017, Az.: 5 O 411/16):

Das Landgericht Mainz stellte darauf ab, dass VW sittenwidrig gehandelt habe, als zugunsten „einer Kostensenkung rechtlich und technisch einwandfreie, aber teurere Lösungen der Abgasreinigung“ vermieden worden seien „und mit Hilfe der scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Dies erfolgt eben zum Nachteil der Umwelt, aber auch zum Nachteil des jeweiligen Käufers der solch ein Fahrzeug erwirbt. Zu berücksichtigen ist ferner der von dem Beklagten zu 2) [Anm. die Volkswagen AG] betriebe Aufwand, bei dem für einen Laien aber auch für einen Fachmann es ohne weiteres zu erkennende Möglichkeit was diese Software genau bewirkt, um ihr Ziel zu erreichen. Ein solches die Verbraucher täuschendes Verhalten ist auch bei Anwendung eines durchschnittlichen, nicht übermäßig strengen Maßstabs als sittenwidrig anzusehen und verwerflich. Das Verhalten der Beklagten wiegt umso schwerer, als es sich beim Kauf eines PKW für viele Verbraucher um eine wirtschaftliche Entscheidung von erheblichem Gewicht mit oft deutlichen finanziellen Belastungen handelt, die durch das unredliche Verhalten der Beklagten zu 2) nachteilig beeinflusst worden ist.“

Landgericht Aachen (Urteil vom 21.08.2017, Az.: 11 O 189/16):

Das Landgericht Aachen verwies darauf, dass es überzeugt sei, dass in den EA 189-Motoren die „eingebaute Softwareprogrammierung nicht gesetzeskonform“ sei. Die verbotene Abschalteinrichtung führe zu „erheblichen Nachteilen für den Kläger“, weil u.a. das Risiko bestehe, dass das Kraftfahrtbundesamt die Stilllegung des Fahrzeug betreiben könnte. VW habe hier auch aus eigensüchtigen Motiven gehandelt. Das sittenwidrige Handeln sah das Landgericht Aachen deshalb als erfüllte an, weil „die Beklagte in großem Umfang und mit erheblichem technischen Aufwand im Profitinteresse zentrale gesetzliche Umweltschutzvorschriften ausgehebelt und zugleich ihre Kunden getäuscht hat.“

Landgericht Heilbronn (Urteil vom 15.08.2017, Az.: 9 O 111/16):

Das Landgericht Heilbronn hat einen Audi Händler zur Rücknahme eines Audi Q 3 verurteilt, Zug um Zug gegen Kaufpreisrückzahlung abzüglich einer Nutzungsentschädigung. Das Fahrzeug ist vom VW Abgasskandal betroffen. Das Landgericht Heilbronn ist davon überzeugt, dass das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) aus einer politischen Motivation und zum Schutz des systemrelevanten Motorenherstellers (VW-Konzern) heraus die Genehmigung für das Softwareupdate erteilt habe.

Der Kläger erwarb im Jahre 2014 von dem Autohändler das Fahrzeug und bezahlte den Kaufpreis. Im September 2015 musste er dann feststellen, dass das Fahrzeug vom VW Abgasskandal betroffen ist und eine Software beinhaltet, die den Schadstoffausstoß manipuliert. Er wollte deshalb keine Nachbesserung hinnehmen, sondern das Fahrzeug gegen Zahlung des Kaufpreises zurückgeben. Nachdem der Händler diesen Rücktritt nicht akzeptierte, erhob er vor dem Landgericht Heilbronn Klage gegen den Händler. Das Landgericht gab ihm nunmehr recht und fand deutliche Worte. Zu stellte das Landgericht fest, dass die Ansprüche nicht verjährt sind. Sodann teilt das Landgericht Heilbronn mit, dass das Fahrzeug mit einem Mangel behaftet ist.

Drei Urteile rechtskräftig
Konkret handelt es sich dabei um folgende Urteile:

LG Arnsberg, Urteil vom 12.5.2017, Az. I-2 O 264/16

Tenor auszugsweise:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 37.007,31 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.04.2016 Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs A mit der Fahrgestellnummer ###### abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von EUR 14.221,60 zu zahlen;

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte spätestens seit dem 26.04.2016 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstandes in Annahmeverzug befindet;

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.229,27 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.04.2016 zu zahlen;

LG Bayreuth, Urteil vom 12.5.2017, 23 O 348/16

Leitsätze auszugsweise:
1 Ein Pkw, der die Abgasgrenzwerte für Stickoxide (aufgrund einer speziellen Software) nur bei standartisierten Abgastests, nicht jedoch unter realen Fahrbedingungen einhält, ist mangelhaft, weil der Kaufgegenstand nicht die Beschaffenheit aufweist, die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

2 Ein durchschnittlicher Käufer kann davon ausgehen, dass ein Pkw zumindest den für eine Typengenehmigung erforderlichen Test unter den gesetzlich festgelegten Laborbedingungen ohne Zuhilfenahme einer Abschalteinrichtung zur Reduzierung der Stickoxidwerte erfolgreich absolviert. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

3 Die Nacherfüllung ist für den Käufer unzumutbar, wenn die Einhaltung der Grenzwerte unter serienmäßiger Verwendung einer dafür konzipierten Software für den vorgesehenen Rollenprüfstand mit Abschaltvorrichtung für den normalen Straßenverkehr eine systematisch für eine Vielzahl von Fällen angelegte verdeckte Vorgehensweise darstellt, die von vorneherein auch auf eine Täuschung der Kunden gerichtet ist. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
 

LG Wuppertal, Urteil vom 26.4.2017, Az. 3 O 156/16


Tenor auszugsweise:
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 30.714,66 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.04.2016 Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer XXX zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 2) seit dem 21.04.2016 im Annahmeverzug mit der Rücknahme befindet.

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung i.H.v. 1.832,01 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.04.2016 zu zahlen.

11. Juli 2017
Landgericht Osnabrück verteilt Audi-Händler zur Rücknahme eines Audi A6 und VW-Händler zur Rücknahme eines VW Golf

Gleich in zwei Verfahren gaben die Richter des Landgerichts Osnabrück den Klagen von Kunden statt, die wegen des Abgasskandals von ihren Kaufverträgen zurückgetreten sind. Mit Urteil vom 16.06.2017 verurteilte die vierte Zivilkammer einen Audihändler zur Rücknahme eines Audi A6 (Urteil vom 16.06.2017, Aktenzeichen 4 O 2220/16, nicht rechtskräftig). Zwölf Tage später verurteilte die fünfte Zivilkammer einen VW-Händler dazu einen VW Golf zurückzunehmen (Urteil vom 28.06.2017, Aktenzeichen: 5 O 2341/16, nichts rechtskräftig). In letzterem Urteil wurde zusätzlich von dem Gericht festgestellt, dass die Volkswagen AG verpflichtet sei, Schadensersatz für Schäden wegen der manipulierten Software zu zahlen. Beide Kläger wurden von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer vertreten.

7. Juli 2017
VW Skandal: Landgericht Augsburg stuft Mehrverbrauch von Adblue nach Softwareupdate als nicht behebbaren Mangel ein

Erneuter Gegenwind von Gerichten für das Softwareupdate: Das Landgericht Augsburg entschied im Urteil vom 30.06.2017 (Aktenzeichen: 030 O 753/16, nicht rechtskräftig), dass der vom Softwareupdate hervorgerufene Mehrverbrauch von AdBlue ein unbehebbarer Mangel sei. Für alle vom Abgasskandal betroffenen Autos, die mit einem AdBlue-Tank ausgestattet sind, ist das Urteil ein echter Meilenstein. Kein Käufer müsse sich darauf einlassen, dass die Probleme bei der Abgasbehandlung nach dem Softwareupdate in anderer Form weiterleben, ist die Quintessenz des Augsburger Richterspruchs. Das Urteil wurde für einen Mandanten der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer erzielt.

4. Juli 2017
VW Skandal: Landgerichte Frankfurt und Münster geben Rücktrittsklagen gegen Volkswagen AG und Vertragshändlern statt

Ende Juni 2017 gaben zwei weitere Gerichte Autokäufern recht, die sich wegen des Abgasskandals von ihren Autos trennen möchten. Die Landgerichte Frankfurt am Main und Münster entschieden in zwei Prozessen, dass jeweils die Volkswagen AG und der Vertragshändler gemeinsam verpflichtet sind, die gekauften Fahrzeuge zurückzunehmen und den Klägern den Kaufpreis (abzüglich einer Nutzungsentschädigung) zurückzuzahlen (Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 27.06.2017 – 2-31 O 110/16 und Urteil des Landgerichts Münster vom 28.06.2017 – 02 O 165/16, beide nicht rechtskräftig). VW wurde jeweils wegen sittenwidriger Schädigung zur Rücknahme der Autos verpflichtet. Beide Verfahren wurden für Mandanten der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer geführt.

3. Juli 2017
VW Skandal Sensation - OLG München nicht überzeugt von der Wirksamkeit des Updates, Beweispflicht beim Händler

Ist das Softwareupdate geeignet, um den Mangel wegen der Abgaswerte zu beheben? Das Oberlandesgericht München hat sich zu dieser in zahlreichen Gerichtsprozessen wegen des Abgasskandals heiß umstrittenen Frage geäußert. Der achte Senat des Gerichts äußerte sich in gleich fünf Berufungsverfahren, dass er davon derzeit nicht überzeugt sei.

20. Juni 2017
Landgericht Saarbrücken verurteilt VW-Händler und Volkswagen AG zur Rücknahme eines Tiguan

Ein weiteres Landgericht hat einem vom Abgasskandal betroffenen VW-Fahrer das Recht zugesprochen, vom Kaufvertrag zurückzutreten. Im Urteil vom 14.06.2017 (Aktenzeichen: 12 O 104/16, nicht rechtskräftig) verpflichtet das Gericht sowohl den Verkäufer – ein VW-Autohaus – als auch die Volkswagen AG zur Rücknahme eines Tiguan gegen Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich einer Nutzungsentschädigung).

19. Juni 2017

VW Skandal: Landgericht Landau: Audihändler muss Käufer eines Audi A1 (BJ 2011) ein aktuelles Serienmodell liefern

Das „Kleingedruckte“ gab den Ausschlag: Das Landgericht Landau verurteilte einen Vertragshändler dazu, einen vom Abgasskandal betroffenen Audi A1 (Baujahr 2011) zurückzunehmen und ein neues und mangelfreies Fahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion zu liefern (Urteil vom 13.06.2017, Aktenzeichen: 2 O 259/16, nicht rechtskräftig).

16. Juni 017
Rückruf von ca. 14.000 Audi A8 und A7 von Kraftfahrtbundesamt angeordnet

Erneut ordnet das Kraftfahrtbundesamt eine Rückrufaktion wegen auffälliger Abgaswerte an. Betroffen sollen V6- und V8-Dieselmodelle der Oberklassewägen Audi A7 und Audi A8 sein, bei welchen von Audi selbst überhöhte Stickoxidwerte festgestellt wurden. Dies berichten mehrere Medien, u.a. der MDR und das Manager Magazin Online.

14. Juni 2017
VW Skandal: Landgerichte Offenburg und Aachen spricht Tiguan und Touran-Käufer trotz „Modellwechsels“ die Lieferung eines neuen Autos zu

In zahlreichen Prozessen wegen des Abgasskandals wird aktuell um die Frage stritten, ob die von Autokäufer eingeforderte Neulieferung eines mangelfreien Serienfahrzeugs an einem „Modellwechsel“ scheitert oder nicht. Denn seit dem Bekanntwerden des Abgasskandals hat der VW-Konzern bei zahlreichen Fahrzeugen eine neue Baureihe eingeführt. Die Landgericht Offenburg und Aachen haben in zwei aktuellen Urteilen entschieden, dass sich die aktuellen Modellreihen sich nicht so deutlich von den Vorgängerbaureihen unterscheiden, dass die Nachlieferung eines neuen Autos daran scheitern würde (Urteil des Landgerichts Aachen vom 08.06.2017, Aktenzeichen: 12 O 347/16 (Tiguan) und Urteil des Landgerichts Offenburg vom 09.06.2017, Aktenzeichen: 3 O 240/16 (Touran))
 
14. Juni 2017
VW Skandal - VW erneut vom Landgericht Hildesheim zu Schadensersatz verurteilt wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung

Für die Volkswagen AG gab es in den vergangenen Tagen einige juristische Niederlagen. Der Autobauer wurde von mindestens drei Gerichten wegen sittenwidriger Schädigung verurteilt worden. Eines dieser Urteile fällte am 13.06.2017 das Landgericht Hildesheim (Aktenzeichen: 3 O 297/16, nicht rechtskräftig). Eine Caddy-Käuferin kann ihr Fahrzeug an den Händler zurückgeben und den Kaufpreis des Gebrauchtwagens zurückerhalten (abzüglich einer Nutzungsentschädigung). Für die Schäden, die aus der Manipulation des Kastenwagens resultieren, muss der Hersteller VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und wegen Betrugs einstehen.

EU-Parlament will Abgas-Entschädigungen für Autofahrer
04.04.2017 um 16:21 Uhr

STRASSBURG (dpa-AFX) - Autohersteller müssen nach Ansicht des Europaparlaments die Käufer von Fahrzeugen mit manipulierten Abgaswerten finanziell entschädigen. Rückrufprogramme könnten "nicht als ausreichende Form des Schadenersatzes betrachtet" werden, heißt es in einem Beschluss der EU-Abgeordneten vom Dienstag in Straßburg. Das Parlament forderte auch, nationale Stellen und EU-Behörden müssten härter gegen Abgasbetrügereien durchgreifen. Unter anderem seien einheitliche Regeln für die Typ-Zulassung von Autos, die neu auf den Markt kommen, nötig.

Bei den Beschlüssen handelt es sich um Handlungsempfehlungen für die EU-Kommission, die zunächst noch keine Gesetzeskraft haben. Die Kommission wurde aufgefordert, ein "System zur kollektiven Rechtsdurchsetzung" vorzuschlagen, um die Verbraucherrechte zu stärken. Die Abgeordneten forderten, falls einem Auto die Typgenehmigung wegen Nichteinhaltung von Vorschriften entzogen werde, so müssten "die Besitzer der betroffenen Fahrzeuge für den Fahrzeugkauf vollständig entschädigt" werden. Auch falls durch Nachbesserungen die Leistung oder der Spritverbrauch von Autos nachteilig beeinflusst werde, sollten die Verbraucher "Anspruch auf eine angemessene Entschädigung" haben.

Volkswagen hat Entschädigungen für deutsche Kunden stets abgelehnt und argumentiert, die rechtliche Situation sei völlig anders als in den USA, wo erhebliche Entschädigungszahlungen geleistet wurden.

Die tatsächliche Anwendung von Zulassungsregeln in den einzelnen EU-Staaten und die Arbeit nationaler Testzentren sollten von der EU-Kommission besser und genauer als bisher überprüft werden, beschlossen die Abgeordneten. Die Empfehlung eines Untersuchungsausschusses zur Gründung einer EU-Agentur, die die Arbeit der nationalen Typgenehmigungsbehörden kontrolliert, wurde jedoch abgelehnt.

"Die Kommission und die Mitgliedstaaten hätten klarere Regeln durchsetzen und früher aktiv werden müssen", sagte der CDU-Abgeordnete Jens Gieseke in einem Bericht über die Abgasmessungen. Die aktuellen Abgasregeln böten "zu viel Interpretationsspielraum". Die EU brauche eine einheitliche Umsetzung von Zulassungsvorschriften. Er hatte sich gegen eine Entschädigungspflicht ausgesprochen: "Wenn man eine solche Forderung erhebt, dann sollte man auch ehrlich sein: Nämlich dass am Ende Hunderttausende Jobs in der Autoindustrie gefährdet sind."

Der niederländische Liberale Gerben-Jan Gerbrandy sagte, die EU-Regierungen hätten die Autoindustrie "nicht hart anpacken" wollen und deswegen "ein Auge zugedrückt": "Das Interesse der 500 Millionen EU-Bürger war nicht entscheidend." EU-Binnenmarktkommissarin Elzbieta Bienkowska übte heftige Kritik an der Autoindustrie: "Die Haltung der Industrie hat sich nicht grundlegend geändert. Ich höre oft, dass es sich um Einzelfälle handelt. Das stimmt nicht." Auch die EU-Regierungen hätten Nachholbedarf: "Einige Staaten haben ernsthafte Maßnahmen ergriffen, aber andere wollen das Problem immer noch nicht wahrhaben."/eb/DP/jha

06. Februar 2017 - Frankfurter Allgemeine
Erster Großkunde verklagt VW in Abgasaffäre

Die Fischmanufaktur Deutsche See verklagt als erster Großkunde VW auf Schadenersatz. Der Vorwurf: Der Autobauer habe „arglistig getäuscht“.

Erstmals hat ein deutscher Großkunde im Abgasskandal Klage gegen Volkswagen eingereicht. Der Fischverarbeiter Deutsche See fordert von VW 11,9 Millionen Euro Schadenersatz, wie ein Deutsche-See-Sprecher am Sonntag sagte. Das Unternehmen hatte den Schritt bereits im Sommer angekündigt. Nun habe das Unternehmen am Landgericht Braunschweig wegen arglistiger Täuschung Klage erhoben, bestätigte der Sprecher. Zuvor hatte die „Bild am Sonntag“ über die Klageeinreichung berichtet.

Bei der Deutschen See sind nach Unternehmensangaben etwa 500 Autos von den Abgasmanipulationen betroffen. „Wir sind tief enttäuscht über VW und fühlen uns hingehalten und betrogen“, sagte Deutsche-See-Chef Egbert Miebach. Ein Sprecher des Fischverarbeitungskonzerns ergänzte: „Umweltfreundliche Mobilität war der Grundgedanke der Partnerschaft.“ Das sei auch schriftlich so festgehalten worden.

Ein VW-Sprecher wollte sich zu der Klage zunächst nicht äußern, da sie dem Autobauer noch nicht vorliege. Es wäre die erste Einzelklage eines Großkunden gegen Volkswagen, wie der VW-Sprecher bestätigte. Die Umrüstung aller betroffenen Fahrzeuge sei aber problemlos möglich.

In Deutschland laufen mehrere hundert Verfahren, in denen Fahrer von VW-Dieseln auf Schadenersatz gegen Händler oder den Konzern klagen. In Amerika können Fahrer betroffener Autos mehr als 5000 Dollar (4635 Euro) Entschädigung bekommen. Für Kunden in Europa plant VW keine solche Entschädigung.

 
05. Februar 2017 - Wirtschaftswoche online
Abgasaffäre - Großkunde Deutsche See verklagt VW


Deutsche See verklagt als erster Großkunde Volkswagen wegen des Dieselskandals auf Schadensersatz. Laut Medienberichten fordert das Fisch-Handelsunternehmen 11,9 Millionen Euro.

Das Fisch-Handelsunternehmen Deutsche See verklagt als erster Großkunde Volkswagen wegen des Dieselskandals auf Schadenersatz. Das Unternehmen habe beim zuständigen Landgericht Braunschweig Klage wegen "arglistiger Täuschung" eingereicht, teilte Deutsche See mit. Die Firma habe ihre gesamte Flotte von knapp 500 Fahrzeugen 2010 auf VW-Fahrzeuge umgestellt, um sie umweltfreundlicher zu machen.

Laut "Bild am Sonntag", die zuerst über die Klage berichtete, fordert Deutsche See, dass VW 11,9 Millionen Euro für Leasingraten und Wartungskosten erstattet. Das Unternehmen wollte sich nicht zur Höhe der Forderungen äußern. VW lehnte eine Stellungnahme ab. "Da die Klage der Volkswagen AG noch nicht zugestellt worden ist, kann sich die Volkswagen AG zu deren Inhalt noch nicht äußern", sagte ein Sprecher.

Volkswagen habe über die Schummelsoftware in Dieselfahrzeugen nicht aufgeklärt und damit gegen den Geist der gemeinsamen Vereinbarungen verstoßen, erklärte Deutsche See. Zudem seien Projekte wie der Einsatz von Elektro-Fahrzeugen ausschließlich von der Deutschen See umgesetzt worden.

17. Januar 2017
VW Skandal - Volkswagen AG erstmals zum Schadensersatz verurteilt; sittenwidrige Schädigung, Betrug

Erstmals ist ein Urteil gegen die Volkswagen AG als Hersteller des manipulierten Motors ergangen: Das Landgericht Hildesheim hat mit Urteil vom 17.01.2017, Az. 3 O 139/16 die Volkswagen AG zum Schadensersatz verurteilt.

Danach muss die Volkswagen AG einen manipulierten Skoda Yeti zurück-nehmen und den Kaufpreis erstatten.

Der Kläger hatte im Jahre 2013 von einem Autohaus in Gifhorn einen Skoda Yeti erworben. Das Fahrzeug war mit dem Motor EA 189 ausgestattet.

Das Landgericht Hildesheim sah es als erwiesen an, dass die Volkswagen AG durch die Manipulation in unzulässiger Weise die einschlägigen Vorschriften umgangen hat. Durch diese Manipulation habe die Volkswagen AG gegen die guten Sitten verstoßen und dabei dem Kläger einen Schaden zugefügt. Darüber hinaus sei der Tatbestand des Betruges verwirklicht. Der Anspruch wird auf § 826 BGB (Sittenwidrige vorsätzliche Schädgung)  gestützt. Das Landgericht geht davon aus, dass die Volkswagen AG vorsätzlich gehandelt hat. Insbesondere habe die Volkswagen AG in dem Verfahren nicht hinreichend aufgeklärt, wie es zur Entwicklung und zum Einbau der Software gekommen sei. Das Landgericht ist der Ansicht, dass kaum anzunehmen sei, dass die Volkswagen AG die Entscheidung für die Manipulation von einem am unteren Ende der Betriebshierarchie angesiedelten Entwickler in eigener Verantwortung habe treffen lassen. Das Delikt sei auch kein Kavaliersdelikt, vielmehr handele es sich um eine Verbrauchertäuschung, die ebenso verwerflich einzustufen sei wie in der Vergangenheit etwa die Beimischung von Glykol im Wein oder von Pferdefleisch in Lasagne.

Das Landgericht Hildesheim hat die Volkswagen AG dazu verurteilt, den Kaufpreis zu erstatten und nicht nur den etwaigen Minderwert. Die technischen Folgen der Softwaremanipulation seien nicht abzuschätzen. Das Risiko eines erhöhten Wartungsaufwandes oder von vorzeitigen Motorschäden sei nicht auszuschließen. Gegenteilige Erklärungen habe die Volkswagen AG nicht abgegeben. Deshalb müsse die Volkswagen AG das Fahrzeug zurücknehmen.

Es handelt sich um einen weiteren Meilenstein in der Rechtsprechung bzgl. des VW Abgasskandals. Nachdem zwischenzeitlich zahlreiche Händler zur Neulieferung und zur Rückabwicklung verurteilt wurden, folgen nunmehr auch die ersten Urteile gegen die Volkswagen AG direkt. Die Besonderheit dieses Urteils liegt darin, dass hier die Volkswagen AG nicht Verkäuferin war, sondern lediglich Herstellerin des Motors. In einem Urteil vom 29.12.2016 hat das Landgericht Braunschweig, Az. 6 O 58/16 die Volkswagen AG bereits verurteilt, ein Fahrzeug zurückzunehmen. In dem dortigen Fall war jedoch die Volkswagen AG auch die Verkäuferin des Fahrzeuges.

4. Januar 2017
VW Skandal - Sensationsurteil: Geschädigter kann Lieferung eines neuen Fahrzeugs verlangen ohne Nutzungsentschädigung zahlen zu müssen

Erstmals hat ein Gericht (Landgericht Regensburg, Urteil vom 04.01.2017, 7 O 967/16, nicht rechtskräftig) im VW Skandal in einem geführten Klageverfahren einen Händler zur Nachlieferung eines Neuwagens aus der aktuellen Serienproduktion mit Euro- 6-Norm verurteilt. Der Kläger hat im Gegenzug seinen vom Abgasskandal betroffenen Seat Alhambra zurück zu geben und zwar ohne eine Nutzungsentschädigung bezahlen zu müssen!

3. Januar 2017
VW Skandal - EU-Recht: Berufung vor dem Oberlandesgericht Braunschweig und München anhängig gemacht

Dieses Verfahren wird wegweisend sein für weitere Entscheidungen im VW Abgasskandal, wenn es um Klagen gegen VW direkt geht. Das Verfahren vor dem OLG Braunschweig hat deshalb besondere Brisanz, weil ein Rechtsdienstleister angekündigt hat, Ansprüche für 100.000 Geschädigte geltend zu machen. Eine erste Klage soll durch den Rechtsdienstleister nach Presseberichten am 03.01.2017 vor dem Landgericht Braunschweig eingereicht worden sein. Erstmals müssen sich jetzt auch Obergerichte wie das OLG Braunschweig und das OLG München mit dieser Frage befassen.

23. Dezember 2016
VW Skandal- WGV Rechtsschutz durch Landgericht Stuttgart verurteilt

Das Landgericht Stuttgart, 22 O 73/16 (nicht rechtskräftig) hat die WGV Rechtsschutz-Schadenservice GmbH im VW Abgasskandal verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen und gerichtlichen Rechtsverfolgung hinsichtlich der Gewährleistungsansprüche eines Geschädigten gegen das Autohaus sowie Schadensersatzansprüche gegenüber der Volkswagen AG zu tragen.

6. Dezember 2016:
VW-Abgasskandal: Landgericht Aachen verurteilt VW-Vertragshändler zur Rücknahme eins manipulierten Tiguan

Aachen/Trier. Das Landgericht Aachen hat mit Urteil vom 06.12.2016, Az. 10 O 146/16 einen VW-Vertragshändler aus Aachen zur Rücknahme eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Tiguan verurteilt. Das Fahrzeug ist nach Überzeugung des Gerichts mangelhaft. Denn der verbaute Motor hält die gesetzlichen Vorgaben nur deshalb ein, weil eine Software verbaut ist, die im Prüfstandlauf regulierend einwirkt und die Motorsteuerung in einen NOx-optimierten Modus schaltet.

24. November 2016
VW Skandal - Urteil des Landgerichts München II: Abschalteinrichtung illegal, Betriebserlaubnis erloschen

Das Landgericht München II hat in seinem Urteil vom 15.11.2016, 12 O 1482/16 einen Händler zur Rücknahme eines manipulierten VW Golf verurteilt. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Betriebserlaubnis von Gesetzes wegen erloschen sei und dass der Vortrag von VW, es würde keine illegale Abschalteinrichtung verwendet werden, offensichtlich falsch sei. Es liegt eine illegale Abschalteinrichtung vor, urteilt das Gericht.

12. Oktober 2016

VW Skandal - Landgericht Braunschweig verurteilt Händler zur Rücknahme eines Skoda Fabia

Das "Hausgericht" von VW in Braunschweig, das Landgericht Braunschweig, 4 O 202/16 (nicht rechtskräftig) hat einer Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrages betreffend eines Skoda Fabia 1,6 Liter TDI stattgegeben. Das Landgericht Braunschweig hat einen Autohändler zur Rückzahlung des Kaufpreises unter Abzug einer Nutzungsentschädigung, Zug um Zug gegen Übergabe des Pkws verurteilt.

16. September 2016

VW Skandal zwei Urteile - Landgericht Krefeld verurteilt einen Händler zur Rücknahme eines Audi A1 und A6

Das Landgericht Krefeld hat in 2 noch nicht rechtskräftigen Urteilen unter den Az. 2 O 83/16 und 2 O 72/16 einen Händler verurteilt, einen Audi A1 bzw. einen Audi A6 gegen Zahlung einer Nutzungsentschädigung zurück zu nehmen. Das Landgericht Krefeld findet in seinen Urteilen klare Worte für das Verhalten von VW.

6. September 2016

VW Skandal - Landgericht Oldenburg: nächstes Urteil für Geschädigten, der sein Fahrzeug zurückgeben darf

Laut Presseberichten ist ein weiteres Urteil gegen einen Händler im VW Abgasskandal ergangen. Das Landgericht Oldenburg, 16 O 790/16 hat in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil entschieden, dass ein Geschädigter des VW Abgasskandals berechtigt ist, sein manipuliertes Fahrzeug zurück zu geben. Dafür erhält er den Kaufpreis erstattet gegen Zahlung einer Nutzungs-entschädigung. Der Kläger hatte das Fahrzeug im Frühjahr 2014 bei einem Autohaus gekauft. Es stellte sich heraus, dass das Fahrzeug manipuliert ist.

6. September 2016
VW Skandal Lieferung eines neuen Fahrzeuges - OLG Hamm entscheidet zugunsten eines Geschädigten

Das Oberlandesgericht Hamm, 28 W 14/16 gibt einem VW Geschädigten Recht im VW Abgasskandal und hebt damit eine Entscheidung des Landgerichts Essen auf. Das Verfahren betrifft die Neulieferung eines nicht manipulierten Fahrzeuges.
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