www.anwalt.de vom 11.05.2023
BGH-Grundsatzurteil – 8. Mai 2023
Der Bundesgerichtshof hat heute über fünf Stunden das Thema "Dieselskandal" mit Verbraucher- und Hersteller-Anwälten verhandelt. Es ging um Motoren der Hersteller Audi, Mercedes Benz und VW.
Im Verfahren mit dem Aktenzeichen VIa ZR 533/21 hatte der Kläger im Mai 2018 von einem Vertragshändler der Audi AG einen Audi SQ5 Allroad 3.0 TDI, der mit einem Motor der Baureihe EA 896Gen2BiT ausgerüstet ist, gekauft. In dem Verfahren mit dem Aktenzeichen VIa ZR 1031/22 hatte der Kläger im Oktober 2017 von der Mercedes-Benz Group AG einen Mercedes-Benz C 220 d, der mit einem Motor der Baureihe OM 651 ausgerüstet ist gekauft. Ferner ging es in einem weiteren Verfahren um einen VW, der den Motor EA288 verbaut hatte.
Der Ausgang der heutigen Verhandlung wurde mit Spannung erwartet, da der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit seinem Urteil vom 21.03.2023 (Aktenzeichen: C-100/21) einem Verbraucher im Streit mit Mercedes-Benz Recht gegeben hatte: Danach muss der Autobauer einem Kunden grundsätzlich Schadensersatz zahlen, weil in dessen Diesel-Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung bei der Abgasreinigung verbaut worden war. Für die Haftung reicht nach den Vorgaben des EuGH bereits einfache Fahrlässigkeit des Herstellers (und nicht erst - was der Bundesgerichtshof bislang verlangt hatte - eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung), wenn ihm durch die Abschalteinrichtung ein Nachteil entstanden ist.
Wie hat der Bundesgerichtshof entschieden?
Heute wurde noch keine Entscheidung verkündet. Die Urteile sollen vielmehr am 26.06.2023 gesprochen werden.
Wie haben sich die Richter in der Verhandlung positioniert?
Die Anwälte der Autohersteller argumentierten heute damit, dass es - wie im Fall von VW etwa - eine uneingeschränkte Typ-Genehmigung durch das KBA gegeben habe und sich die Hersteller darauf verlassen hätten. Der Senat ließ Zweifel erkennen, dass dies ausreiche. Daher sind wir vorsichtig optimistisch, dass die Klagen Erfolg haben werden. Die Vorsitzende ließ durchklingen, dass sie sich der Senat zumindest die Geltendmachung des sog. kleinen Schadensersatzes vorstellen könne.
Der kleiner Schadenersatz beläuft sich auf den Minderwert des gelieferten Autos im Vergleich zu einem Wagen, wie er hätte sein sollen. Dies bedeutet, dass das Fahrzeug nicht zurückgeben werden kann, sondern behalten werden muss. Der großer Schadenersatz hingegen bedeutet faktisch eine Rückabwicklung des Kaufvertrages. Das heißt, der Kunde erhält den Kaufpreis zurück, muss/darf dafür das Auto zurückgeben und eine "Entschädigung" für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer zahlen. Hinzu kommen mögliche Zinsansprüche.
Sobald der BGH seine Urteile verkündet, werden wir an dieser Stelle darüber berichten.
www.lto.de vom 23.03.2023
EuGH widerspricht BGH im Dieselskandal
Von wegen eindeutige Rechtslage
von Dr. Felix W. Zimmermann
Der EuGH läutet den Dieselskandal 2.0 ein: Auch bei fahrlässiger "illegaler Abschalteinrichtung" müsse es Schadensersatz geben. Der BGH hielt das für völlig abwegig. Doch das EuGH-Urteil vom 21.03.2023, Gz.: C 100/21, hat Überzeugungskraft.
"Die Rechtslage ist (…) von vornherein eindeutig" (BGH, Urt. vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19). "Weder Vorabentscheidungsersuchen einzelner Landgerichte noch die Stellungnahme der Europäischen Kommission (…) geben Anlass, an der Annahme eines acte clair zu zweifeln" (BGH, Urt. vom 16.09.2021 - VII ZR 190/20), sprach der Bundesgerichtshof (BGH) in völliger Selbstgewissheit.
Schadensersatzansprüche von Diesel-Käufern mit illegalem Thermofenster seien so abwegig, dass nach der acte-clair-Rechtsprechung nicht einmal eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angebracht sei. Ab heute ist klar: Diese Annahme des BGH war ein kolossaler Irrtum.
Millionen Diesel-Fahrer können sich wahrscheinlich bald bei unterinstanzlichen Gerichten bedanken, die weniger arrogant als die zuständigen BGH-Richter:innen sehr wohl Zweifel hatten. "Kann es wirklich richtig sein, dass der Einbau verbotener Abschalteinrichtungen in Diesel-Pkws, die die Abgasreinigung bei in Deutschland völlig üblichen Temperaturen herunterregeln, die Luft verpesten, keinen Schadensersatz für Käufer auslöst?", fragte etwa ein Einzelrichter am LG Ravensburg sinngemäß den EuGH.
Und der entschied jetzt: Ein Käufer eines Kfz hat einen "Anspruch darauf (…), dass dieses Fahrzeug nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet" ist. Denn Normen, die Autoherstellern untersagen, die Gesundheit der Bevölkerung zu schädigen, schützen nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch den Käufer von entsprechenden Pkws, denen die Rechtskonformität des Fahrzeugs durch eine sogenannte Übereinstimmungserklärung versichert wurde. Da Käufer solcher Fahrzeuge aktuell vom Risiko bedroht sind, dass ihre Fahrzeuge stillgelegt werden, eine alles andere als abwegige Ansicht.
Von Arroganz zur Zurückhaltung
Wenn der BGH keinen Drittschutz im Unionsrecht erkennen mochte, ist das angesichts der Normunklarheit in diesem Bereich natürlich gut vertretbar. Nicht nachvollziehbar ist allerdings die nicht zu irritierende Starrköpfigkeit des BGH, wenn die Gegenauffassung von mehreren Landgerichten vertreten wird. Stattdessen haben mehrere BGH-Senate diese nur kurz abgewatscht. Die Begründung des BGH zum mangelnden Drittschutz blieb hingegen selbst eher kursorisch.
Immerhin: In dem Moment als der BGH durch eine entsprechende Stellungnahme des Generalanwalts im Juni 2022 erkannte, dass auch in Luxemburg Zweifel bestehen, wurde die Notbremse gezogen. Laufende Verfahren auf "hold" gesetzt. Und nun will der BGH schon am 8. Mai darüber verhandeln, wie seine Rechtsprechung angepasst werden muss.
Fahrlässige Abschalteinrichtung reicht
Viel Spielraum lässt die EuGH-Rechtsprechung dem BGH wohl nicht. Klar ist: Das Erfordernis einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf Seiten der Autohersteller – diese bejahte der BGH im originären VW-Fall der "Umschaltlogik" im Jahre 2020 – ist keine Voraussetzung mehr. Es genügt für § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. mit dem Unionsrecht einfaches Verschulden, also auch Fahrlässigkeit (siehe § 276 BGB). Demnach muss also nicht einmal die positive Kenntnis einer illegalen Abschalteinrichtung auf Seiten der Automobilhersteller nachgewiesen werden. Eine fahrlässige Annahme der Legalität der Abschalteinrichtung genügt.
Diese dürfte vor dem Hintergrund, dass Abgaswerte im Realbetrieb hoffnungslos gerissen wurden, obwohl bessere Abgastechnik zur Verfügung stand und in vielen Fällen in den USA auch eingebaut wurde, wohl eher schwer zu verneinen sein. Insoweit hätten Hersteller auf Nummer sicher gehen können, hätten sie "up to date"-Abgasreinigungssysteme eingebaut. Genau dies unterblieb – aus Kostengründen.
Vor allem: Wie man ernsthaft davon ausgehen können sollte, eine Abgastechnik sei legal, die weite Teile des Jahres – wenn es kalt oder auch nur kälter ist – nicht funktioniert, dürfte jeden guten Glauben ausscheiden lassen.
Gewinner das Tages sind die Anwälte, auch diejenigen, die heute verloren haben. Denn auch wenn im Bereich der Dieselprozesse teilweise eine ausgewiesene Feindschaft zwischen den Anwälten beider Seiten besteht, von der neu zu erwartenden Klagewelle profitieren beide Lager. Es geht um viele Millionen, mindestens.
Realer Schaden in Sichtweite
"Der Dieselkunde" und damit der Verbraucher wird natürlich ebenfalls frohlocken, angesichts der Möglichkeit, Schadensersatz für ein Auto zu erhalten, was – jedenfalls bislang – ohne jede Einschränkung genutzt werden konnte.
Wenn man ehrlich ist, ist der monetäre Schaden auf Seiten der Diesel-Fahrer bisher eher ein hypothetisches Konstrukt des ungewollten Vertrages, das von einer rechtstreuen Behörde ausgeht, die durchgreift und Betriebsuntersagungen verhängt. Vor diesem Hintergrund war das VW-Urteil des BGH, in dem das Gericht Schadensersatzansprüche bei der VW-Abschaltautomatik bejahte, auch sehr verbraucherfreundlich, denn bekanntlich kam es faktisch selbst bei den VW-Abschalteinrichtung weder zu Betriebsuntersagungen, noch wurde eine Hardwarenachrüstung verlangt, sondern nur ein lächerliches Software-Update, das den Wagen im Regelfall kaum sauberer machte.
Doch nun haben sich die Vorzeichen geändert. Nach einem Urteil des VG Schleswig vom Februar 2023 droht die Stilllegung der Dieselfahrzeuge mit illegalem Thermofenster. Der Schaden der Dieselkäufer könnte also real werden. Auch von daher ist die verbraucherfreundliche Auslegung der Rechtslage durch den EuGH, neben seinem immer wieder betonten Bestreben Umweltschutz durchsetzen, von einiger Überzeugungskraft.
www.anwalt.de vom 25.02.2023
Abgasskandal - Thermofenster sind nach Urteil des VG Schleswig unzulässig
Das Verwaltungsgericht Schleswig hat mit Urteil vom 20. Februar 2023 deutlich gemacht, dass das Software-Update beim VW Golf 6 mit dem Dieselmotor des Typs EA 189 eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt eines Thermofensters enthält (Az.: 3 A 113/18). Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hatte zwar die Genehmigung für das Software-Update erteilt, jetzt muss es auf Anweisung des Gerichts aber erneut tätig werden und VW anweisen, die unzulässige Abschalteinrichtung zu entfernen.
Das heißt, dass sich die betroffenen Fahrzeughalter auf einen verpflichtenden Rückruf einstellen müssen, da das Fahrzeug nachgerüstet werden muss, damit es nicht seine Zulassung verliert. Konkret betroffen ist zunächst der VW Golf mit dem Dieselmotor EA 189. Denn in Folge des VW-Abgasskandals musste bei Fahrzeugen der Konzernmarken VW, Audi, Seat und Skoda bis zwei Liter Hubraum mit dem Dieselmotor EA 189 ein Software-Update aufgespielt werden. Bei diesen Modellen dürfte ein ähnliches Szenario drohen, nachdem das VG Schleswig entschieden hat, dass das Software-Update beim VW Golf rechtswidrig ist.
Nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sind 118 weitere Verfahren anhängig. Die betreffen nicht nur VW-Fahrzeuge mit Software-Update, wie die DUH mitteilt. Es geht auch um Modelle von Audi und Porsche mit größeren Dieselmotoren, um Fahrzeuge von BMW, Mercedes und ausländischen Herstellern mit der Abgasnorm Euro 5 bzw. Euro 6a und 6b. Im Kern steht das umstrittene Thermofenster bei der Abgasreinigung.
Der Europäische Gerichtshof hat schon in mehreren Verfahren erklärt, dass das Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt. Damit hat er der Argumentation der Autohersteller, dass das Thermofenster aus Motorschutzgründen notwendig ist, eine klare Absage erteilt. Das VG Schleswig ist nun der Rechtsprechung des EuGH gefolgt.
Das Urteil des VG Schleswig ist zwar noch nicht rechtskräftig, aber die Konsequenz dürfte sein, dass alle Fahrzeuge mit Thermofenster nachgerüstet werden müssen, damit sie die Grenzwerte für den Stickoxid-Ausstoß einhalten. Gelingt dies nicht, droht den Fahrzeugen am Ende die Stilllegung.
Ob eine technische Nachrüstung bei allen betroffenen Diesel-Fahrzeugen überhaupt möglich und sinnvoll ist, darf angezweifelt werden, denn ein Update kann zu anderen Problemen beim Motor wie höherem Verbrauch, höheren Verschleiß oder weniger Leistung führen.
www.anwalt.de vom 22.02.2023
Abgasskandal: Stilllegung von Dieselfahrzeugen droht
Die Deutsche Umwelthilfe hat vor dem Verwaltungsgericht Schleswig einen Erfolg zu vermelden: Das Kraftfahrt-Bundesamt hat Autos von VW zu Unrecht genehmigt. Nun droht möglicherweise der Rückruf oder die Stilllegung von Fahrzeugen - auch anderer Hersteller, denn die Deutsche Umwelthilfe führt und plant noch weitere Rechtsstreitigkeiten.
Die Abschaltung der Abgasreinigung bei Außentemperaturen unter zehn Grad, wie sie bei Dieselfahrzeugen, die Volkswagen (VW) unter anderem in den Jahren 2008 und 2009 für typgenehmigte zwei-Liter-Motoren des VW Golf, VW Touran verwendet hat, ist rechtswidrig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Schleswig entschieden (Urt. v. 20.02.22, Az. 3 A 113/18).
Die Deutschen Umwelthilfe (DUH) hat angekündigt, Rechtsstreitigkeiten gegen das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). auch gegen BMW, Mercedes-Benz, Volkswagen, Audi, Porsche sowie der ausländischen Dieselhersteller anzustrengen. Es seien bereits Klagen gegen 118 Freigabebescheide von Autos diverser Hersteller anhängig. Dabei geht es um die Freigabebescheide.
Nachdem der EuGH die zuvor streitige Klagebefugnis der Deutschen Umwelthilfe bejahrt hat, steht eine Klagewelle an.
Das VG Schleswig, verneinte bereits die Frage, ob Abschalteinrichtungen notwendig seien, um Beschädigungen am Motor zu verhindern. Der EuGH erfasse mit "Motor" nur die Kraftmaschine. Andere Bauteile seien nur relevant, wenn von deren Beschädigung unmittelbare Risiken für den Motor in Form von Beschädigungen oder Unfällen ausgehen und dies dann auch noch eine unmittelbare Bedrohung für die Betriebssicherheit beinhalte. Ein solche Gefahr bestehe nicht, der Vortrag von VW und dem KBA hierzu betreffe Extremszenarien, bei denen sich das Schadensereignis schon vorher abzeichne, so der Vorsitzende Richter Uwe Karstens in der Urteilsbegründung.
Das Verwaltungsgericht hat sowohl die Berufung als auch die Sprungrevision zugelassen. Es wird also noch einige Zeit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung vergehen.
Dieselfahrer sind gleichwohl schon jetzt gut beraten, ihre Ansprüche im sogenannten Dieselgate oder Abgasskandal geltend zu machen, bevor diese verjähren.
Gerne beraten und vertreten wir Sie bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche gegen Händler und Hersteller und gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt.
Bisher hatte zwar der Bundesgerichtshof eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung verneint und daher Ansprüche abgelehnt, die sich nicht auf die kaufrechtliche Gewährleistung, sondern auf § 826 BGB stützen. Allerdings ist auch hier zu erwarten, dass der EuGH anders entscheiden wird.
www.lto.de vom 14.07.2022
EuGH zum VW-Dieselskandal Thermofenster ist illegale Abschalteinrichtung
Der EuGH hat heute der Argumentation von VW und deutschen Behörden, wonach das Abschalten der Abgasreinigung bei bestimmten Temperaturen aus Motorschutzgründen zulässig sei, eine klare Absage erteilt. Verbraucher haben Ansprüche.
Eine Software für Dieselfahrzeuge, die die Abgasreinigung bei üblichen Temperaturen und während des überwiegenden Teils des Jahres verringert, stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu den sogenannten Thermofenstern entschieden (Urt. v. 14.7.22, Rs.: C-217/20, C-134-20, C-145/20).
Gegenstand der Verfahren ist eine Software von Volkswagen (VW), die aber auch von fast allen anderen Herstellern verwendet wird. Sie ist so programmiert, dass die Einhaltung von Grenzwerten nur im Bereich bestimmter Temperaturen gewährleistet ist - und zwar - laut EuGH - nach Feststellungen von österreichischen Gerichten nur im Bereich zwischen 15 und 33 Grad, das sogenannte Thermofenster. Demnach wird bei in Europa völlig üblichen Temperarturen von unter 15 Grad die Abgasreinigung bereits gedrosselt und dann weiter auf 0 gesenkt. Die Autos stoßen somit viel mehr giftiges und gesundheitsschädliches Stickstoffoxid aus, als gesetzlich vorgesehen.
21.02.2022
BGH-Entscheidung: Abgasskandal-Rechte lassen sich zehn Jahre lang durchsetzen
Am Bundesgerichtshof (BGH) haben die obersten Zivilrichter Deutschlands heute Zehntausenden PKW-Haltern, die ihre Rechte im Rahmen des VW-Abgasskandals nicht innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist durchgesetzt haben, eine zweite Chance ermöglicht. Die Karlsruher Richter entschieden nämlich, dass Neuwagenkäufer bis zu zehn Jahre nach dem Autokauf sogenannte Restschadensersatzansprüche wegen des Abgasskandals durchsetzen können.
Die Verjährungsfristen im Abgasskandal
Für zivilrechtliche Ansprüche gilt normalerweise eine dreijährige Verjährungsfrist zum Jahresende. Wer also bereits 2015 im Zusammenhang mit der von VW veröffentlichten Ad-Hoc-Meldung von der Manipulation des eigenen Fahrzeugs erfuhr, konnte bis zum 01. Januar 2019 Schadensersatzansprüche in der Sache geltend machen.
Da die Rückrufbescheide im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal in der Regel erst im Jahr 2016 bei den betroffenen PKW-Haltern eingingen, kann es im Einzelfall auch sein, dass die Verjährung der eigenen Rechtsansprüche erst am 01. Januar 2020 eingetreten ist.
Im Fall von Betrug bzw. sittenwidriger Handlung lassen sich jedoch auch Restschadensersatzansprüche nach § 852 BGB durchsetzen – auf den Tag genau bis zu zehn Jahre ab dem Zeitpunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung. Übertragen auf den Abgasskandal bedeutet dies, dass Restschadensersatzansprüche bis zu zehn Jahre nach dem Fahrzeugkauf bzw. der -übergabe geltend gemacht werden können. Das haben die Richter am Bundesgerichtshof heute bestätigt.
Das sind die Hintergründe der heutigen BGH-Verhandlungen
Die BGH-Richter haben sich mit den Verfahren zweier Kläger auseinandergesetzt. Beide besitzen ein VW-Auto, das den illegal manipulierten Motor der Baureihe EA189 enthält. Die Kläger haben ihre Fahrzeuge im Juli 2012 bzw. im April 2013 als Neuwagen erworben und sind im Jahr 2020 juristisch wegen des Abgasskandals gegen Volkswagen vorgegangen.
In der Vorinstanz hatten die PKW-Besitzer an den Oberlandesgerichten in Koblenz in Oldenburg keinen Erfolg mit ihren Klagen. Die Gerichte argumentierten, dass ihre Schadensersatzansprüche spätestens zum 01. Januar 2020 verjährt seien. Am Bundesgerichtshof entschieden die verantwortlichen Richter nun jedoch, dass Neuwagenkäufer wegen des Abgasskandals auch Anspruch auf Restschadensersatzansprüche haben. Dementsprechend muss Volkswagen die Kläger nun wegen des Abgasskandals entschädigen
So hoch fallen Restschadensersatzansprüche aus
Die Höhe des fälligen Restschadensersatzanspruches berechnet sich grundsätzlich genauso wie die Höhe von herkömmlichen Schadensersatzansprüchen. Demnach haben Verbraucher die Möglichkeit, ihre manipulierten Autos an den verantwortlichen Hersteller zurückzugeben, um im Gegenzug eine finanzielle Entschädigung zu erhalten, die sich an dem ursprünglichen Kaufpreis orientiert.
Betroffene Verbraucher müssen sich lediglich eine sogenannte Nutzungsentschädigung auf Basis der zurückgelegten Laufleistung ihres Autos sowie ggf. die Marge des jeweiligen Vertragshändlers von der fälligen Schadensersatzsumme abziehen lassen. Dafür haben Kläger ab dem Tag, an dem die jeweilige Klage eingereicht wurde, Anspruch Verzugszinsen, die die finale Entschädigungssumme erhöhen.
BGH-Urteil - VII ZR 38521 -: Verbrieftes Rückgaberecht lässt Schaden nicht entfallen
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshof hat in einer mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2021 - VII ZR 389/21 - entschieden, dass die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches wegen des Einbaus eines abgasmanipulierten EA896 G2/EA897-Motors in ein von der AUDI AG hergestelltes Fahrzeug bei einem verbrieften Rückgaberecht in einem Darlehensvertrag nicht ausgeschlossen sei. Der Schaden - so der BGH - sei durch Abschluss des ungewollten Kaufvertrages entstanden und entfalle nicht durch ein vertraglich vereinbartes Rückgaberecht. Allerdings konnte der BGH in der Sache nicht über den gegen die Audi AG geltend gemachten Schadensersatzanspruch entscheiden und hat den Rechtsstreit insofern an das OLG Celle zurückverwiesen.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger erwarb im Februar 2017 einen von der AUDI AG hergestellten Audi A6 Avant 3.0 TDI (Euro 6) als Gebrauchtfahrzeug zum Preis von 46.800 EUR. In dem Wagen ist ein von AUDI hergestellter Dieselmotor EA 896 G2 oder EA 897 verbaut.
Das - vorinstanzlich zuständige - OLG Celle entschied in seinem Urteil vom 31. März 2021 - 7 U 27/21 - zu Lasten des Klägers, dass ein Schaden in Form eines ungewollten Vertragsschlusses hier nicht mehr angenommen werden könne, weil der Kläger das ihm im Rahmen der Finanzierung gewährte Rückgaberecht nicht ausgeübt habe. Indem er durch bewusste Ablösung der Restschuld das Fahrzeug während des laufenden Berufungsverfahrens freiwillig übernommen habe, anstatt den Pkw zum Ende der Vertragslaufzeit gegen Erstattung des vertraglich vereinbarten Restwerts an die Händlerin zurückzugeben, habe er seine Handlungsfreiheit entsprechend ausgeübt. Da der Kläger nach Vollerwerb des Fahrzeugs den Schadensersatz durch Rückzahlung des Kaufpreises einschließlich der Finanzierungskosten Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs gewählt habe, setze er sich zu seinem eigenen vorherigen Verhalten in Widerspruch.
Dem Bundesgerichtshof lag unter VII ZR 256/21 ein zweiter Fall zum verbrieften Rückgaberecht zur Entscheidung vor. Hier hatte auch in der Berufungsinstanz das OLG Koblenz im Rückgaberecht kein Problem gesehen. In diesem Verfahren hatten die verklagten Audi AG und Volkswagen AG ihre Revision am 15. Dezember 2021 zurückgenommen, so dass das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 27. November 2019 - 2 O 40/19 - rechtskräftig geworden ist.
Abgasskandal: Audi verhindert BGH-Grundsatzurteil vorerst
Eigentlich sollte am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe heute geklärt werden, ob Audi wegen der Entwicklung und Inverkehrbringung von manipulierten Diesel-Motoren Schadensersatz an die betroffenen PKW-Besitzer zahlen muss. Der Ingolstädter Autobauer zog jedoch kurzfristig eine Revision zurück, um ein höchstrichterliches Urteil in der Sache zu verhindern.
Audi bewertet eigene Erfolgschancen vor dem BGH als schlecht
Indem Audi nun einem Kläger Schadensersatz zahlt, verhindert der Autobauer ein Grundsatzurteil durch die BGH-Richter und damit möglicherweise eine Klagewelle. Betroffene Verbraucher sollten dies aber als klares Signal wahrnehmen, dass Audi die eigenen Erfolgschancen vor dem BGH als so gering bewertet hat, dass sie ein Urteil aus der Vorinstanz anerkennen und Schadensersatz zahlen.
Früher oder später wird auch Audi wegen des Abgasskandals höchstrichterlich verurteilt. Betroffenen PKW-Besitzern raten wir daher dazu, sich nicht verunsichern zu lassen und sich stattdessen schnellstmöglich über die eigenen rechtlichen Möglichkeiten in der Sache zu informieren, um keine Verjährung der eigenen Ansprüche zu riskieren.
Gerne stehen wir Verbrauchern diesbezüglich für eine kostenfreie Erstberatung zur Verfügung.
Das sind die Hintergründe der heutigen BGH-Verhandlung
Eigentlich hätten sich die obersten Zivilrichter Deutschlands heute mit zwei Verfahren befassen müssen. In beiden Fällen ging es um ein Auto, das einen von Audi entwickelten Diesel-Motor enthält. Die Fahrzeuge wurden wegen des Abgasskandals vor mehreren Jahren von dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zurückgerufen.
Das Besondere an den Fällen war, dass beide Fahrzeuge mit einem Darlehensvertrag finanziert wurden, in dem ein Rückgaberecht verbrieft wurde. Dadurch hatten die Kläger nach der Tilgung des Darlehens die Möglichkeit, ihre Fahrzeuge zu einem vorab festgelegten Kaufpreis an die Audi Bank zurückzugeben.
Weil die Kläger dieses Rückgaberecht nicht genutzt hatten, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Celle in der Vorinstanz, dass deshalb auch keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden könnten. Das OLG Koblenz entschied jedoch zugunsten des Klägers und sprach diesem Schadensersatz zu. In diesem Fall zog Audi nun die Revision zurück und zahlte dem Kläger Schadensersatz.
Dadurch erreichte das Unternehmen, dass sich die BGH-Richter heute ausschließlich mit dem nicht genutzten Rückgaberecht auseinandersetzten. Diesbezüglich entschied der BGH, dass ein ungenutztes Rückgaberecht die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen nicht ausschließt und positionierte sich somit verbraucherfreundlich. Die Richter verwiesen den Fall an das Oberlandesgericht (OLG) Celle zurück, wo sich die dortigen Richter nun mit der Haftungsfrage befassen müssen.
Audi-Abgasskandal betrifft auch Porsche und VW
Bei den manipulierten Audi-Motoren handelt es sich um leistungsstarke 3.0- und 4.2-Liter-Motoren. Die Diesel-Motoren mit den Bezeichnungen EA896, EA897 und EA898 wurden in Fahrzeugen von Audi, Porsche und VW verbaut. Insgesamt wurden bisher allein in Deutschland fast eine halbe Million dieser Autos wegen des Audi-Abgasskandals zurückgerufen.
Im Zuge der Rückrufaktionen soll den Fahrzeugen ein Software-Update aufgespielt werden, um die Abgasreinigung der PKW zu normalisieren. Allerdings klagen viele Fahrzeughalter nach dem Aufspielen eines solchen Updates über Fahrzeugprobleme wie zum Beispiel ein erhöhter AdBlue-Verbrauch oder sogar Motorprobleme. Unter anderem deshalb haben die manipulierten Autos im Vergleich zu nicht-manipulierten Fahrzeugen stark an Wert verloren.
Diese Rechte haben betroffene Fahrzeughalter
Die Halter von illegal manipulierten Fahrzeugen haben die Möglichkeit, ihr Auto an den verantwortlichen Hersteller zurückzugeben. Im Gegenzug winkt eine finanzielle Entschädigung, die sich an dem ursprünglichen Kaufpreis orientiert. Alternativ ist es auch möglich, das manipulierte Fahrzeug zu behalten und eine Entschädigung in Höhe eines Teils des Kaufbeitrages durchzusetzen. Dadurch soll der Wertverlust, der durch den Abgasskandal entstanden ist, kompensiert werden.
Urteil vom 16. Dezember 2021 - VII ZR 389/21
BGH stärkt Diesel-Kläger – Haftung von Audi aber weiter ungeklärt
Bundesgerichtshof entscheidet über Schadensersatzansprüche gegen die AUDI AG im Zusammenhang mit einem "verbrieften Rückgaberecht"
Auch die VW-Tochter Audi hat bei ihren Motoren mit den Abgaswerten getrickst. Ob Autokäufer auf Schadenersatz hoffen können, bleibt vorerst offen.
Der Autobauer geht für sich davon aus, dass ein verbrieftes Rückgaberecht Klägerinnen und Klägern in einer niedrigen vierstelligen Anzahl von Verfahren zusteht.
Der Bundesgerichtshof (BGH) stärkt die Position von Diesel-Klägern, die ihr Auto per Ratenkauf finanziert haben. Ihnen kann auch dann Schadenersatz zustehen, wenn sie von einem Rückgaberecht im Darlehensvertrag keinen Gebrauch gemacht haben, urteilten die Karlsruher Richterinnen und Richter am Donnerstag in einem Audi-Fall. Die zentrale Frage, ob der VW-Tochterkonzern für Abgasmanipulationen an eigenen Motoren grundsätzlich haftet, blieb allerdings vorerst unbeantwortet. (Az. VII ZR 389/21)
Die Entscheidung zum sogenannten verbrieften Rückgaberecht ist auf andere vom Dieselskandal betroffene Automarken übertragbar. Es hält Kunden die Möglichkeit offen, das Auto mit Fälligkeit der Schlussrate zu einem festen Preis an den Händler zurück zu verkaufen.
25.11.2021
Schlappe vor BGH
Audi muss erstmals im Dieselskandal zahlen
Volkswagen hat die manipulierten Motoren zugeliefert, Audi hat sie verbaut - und muss auch dafür haften. Das entscheidet nun der Bundesgerichtshof und damit verliert Audi erstmals bei Diesel-Klagen. Die illegale Abgastechnik sei beim Ingolstädter Autobauer bekannt gewesen, erklärt der Richter.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Dieselskandal erstmals den Autohersteller Audi zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt. In vier Fällen muss die Volkswagen-Tochter nun Autokäufer dafür entschädigen, dass in ihre Fahrzeuge ein manipulierter VW-Motor eingebaut war. Der BGH bestätigte damit ein entsprechendes Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München und lehnte die von Audi beantragte Revision ab.
Der Vorsitzende Richter Rüdiger Pamp sagte in der Urteilsverkündung: "Das Oberlandesgericht München hat in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass Audi die Motoren in Kenntnis und in Bewusstsein ihrer Unzulässigkeit verwendete."
Die Münchner OLG-Richter waren im Jahr 2020 zu der Überzeugung gelangt, dass zumindest ein Verantwortlicher von Audi wusste, dass die vom Mutterkonzern bezogenen Motoren eine unzulässige Abschalteinrichtung enthielten und die Abgas-Emissionen dadurch manipulierte. Audi sei somit selbst beteiligt gewesen und müsse den Kunden den Kaufpreis des Fahrzeugs abzüglich einer Nutzungsentschädigung zurückzahlen. Diese Argumentation hielt der BGH für tragfähig. Bisher hatte der BGH alle Klagen gegen die VW-Tochter an die Vorinstanzen zurückverwiesen, weil er es nicht für ausreichend belegt hielt, dass führende Audi-Manager über die Manipulationen bei VW Bescheid wussten.
Im jetzigen Verfahren ging es um verschiedene Audi-Modelle, teils Gebrauchtwagen, die vier Käufer zum Preis zwischen 12.000 Euro und 30.000 Euro erworben hatten. In allen war der VW-Motor EA 189 verbaut. Als bekannt wurde, dass die Motoren bewusst manipuliert waren und die Abgaswerte im Straßenverkehr überschritten, wurde ein Software-Update entwickelt, das auch auf die Audi-Fahrzeuge aufgespielt wurde. Die meisten Käufer verklagten VW selbst auf Schadenersatz, manche aber auch Audi. Der Tochterkonzern bestreitet jedoch, etwas von den Manipulationen gewusst zu haben, als er Kauf und Einbau des VW-Dieselmotors beschloss.
Einigen Begründungen, die das OLG München für sein Urteil ebenfalls herangezogen hatte, folgte der BGH allerdings nicht. So verneinte der BGH in seinem Urteil, dass Audi schon deshalb ein Organisationsverschulden treffe, weil das Unternehmen dem Mutterkonzern VW die Typenzulassung des Motors vollständig übertrug. Diese und andere fehlerhafte Begründungen änderten laut BGH aber nichts daran, dass die Haftung von Audi im Ergebnis zu Recht bejaht wurde.
23.09.2021
EuGH-Generalanwalt stuft Thermofenster in Dieselmotoren als gesetzeswidrig ein
Jetzt wird es im Diesel-Abgasskandal für Autobauer, die die Abgasreinigung ihrer Dieselmotoren mit einem sogenannten Thermofenster regeln, sehr eng. Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) Athanasios Rantos bezeichnete Thermofenster als rechtswidrig. Volkswagen droht damit im Rechtsstreit um Abschalteinrichtungen am EuGH eine Schlappe. Der Generalanwalt stufte in einem Gutachten die bei Porsche und VW eingesetzten Thermofenster als gesetzeswidrig ein. Abgassysteme, bei denen die Abgasreinigung außerhalb eines vorgegebenen Temperaturbereichs und ab einer bestimmten Höhenlage gestoppt wird, verstießen gegen europäischer Recht (Az. C-134/20). In der Regel folgt das Gericht den Anträgen des Generalanwalts. Mit einem Urteil ist in einigen Monaten zu rechnen. Bereits im Dezember 2020 hat der EuGH Abschalteinrichtungen generell für illegal erklärt (Az. C-693/18).
Chancen der Verbraucher auf Schadensersatz steigen Dank EuGH
Der EuGH erweist seinem verbraucherfreundlichen Ruf mal wieder alle Ehre. Wenn das Thermofenster in Dieselmotoren vom Gericht für illegal erklärt wird, steigen für Verbraucher die Chancen, ihre berechtigten Ansprüche im Abgasskandal gegen Autobauer wie VW, Daimler, Fiat, BMW und Opel vor Gericht durchzusetzen. In der Regel folgt der Gerichtshof dem Plädoyer des Generalanwalts. Geschädigte müssen durch die Folgen und Auswirkungen des Abgasskandals mit enormen Geldeinbußen kämpfen: Ihnen drohen Fahrverbote, Stilllegungen und Wertverluste, sofern sie die Ansprüche nicht rechtzeitig vor Gericht geltend machen. Verbraucher sollten eine Individualklage erheben. Die Chancen stehen nach aktueller Rechtsprechung sehr gut.
Schon am 17. Dezember 2020 hatte der EuGH in einem französischen Verfahren gegen VW klar gemacht, dass Abschalteinrichtungen generell gegen geltendes Recht verstoßen. In einem neuen VW-Verfahren hat der Generalanwalt diese Sichtweise in seinem Schlussplädoyer für das sogenannte Thermofenster konkretisiert. In dem Verfahren geht es um drei Fälle, die vor österreichischen Gerichten verhandelt wurden, in denen Autos mit einer Software ausgestattet waren, die in einem bestimmten Thermofenster mehr Emissionen von Stickoxid (NOx) zulässt. Wie die ARD-Tagesschau am 23. September 2021 berichtete, fällt nach Ansicht des Generalanwalts das Thermofenster nicht unter die Ausnahme, die für Einrichtungen vorgesehen ist, die den Motor vor Schäden schützen sollen. Das Thermofenster schone vor allem Anbauteile, deren Funktionieren nicht den Schutz des Motors berühre.
VW argumentiert vor Gerichten seit Jahren, dass die Thermofenster dem Schutz des Motors dienen. Nach Angaben des EuGH ließ die Software höhere Stickoxid-Emissionen zu, wenn es kälter als 15 beziehungsweise wärmer als 33 Grad Celsius war oder das Auto in mehr als 1000 Höhenmetern gefahren wurde. Im Straßenverkehr bedeutet das jedoch, dass die Abgasreinigung die meiste Zeit ausgeschalten ist, weil in den vergangenen Jahren die Durchschnittstemperatur in Deutschland und Österreich deutlich unter 15 Grad Celsius lag und Autos vielfach in Höhen von mehr als 1000 Metern unterwegs waren.
Bundesgerichtshof ignoriert bisher Rechtsprechung des EuGH
Sind für den EuGH Abschalteinrichtungen generell illegal, so sieht der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe die Sache etwas anders – besonders beim Thermofenster. In verschiedenen Urteilen zu Daimler-Verfahren hat sich der sechste Senat dahingehend geäußert, dass der Einbau eines Thermofensters alleine keine sittenwidrige und vorsätzliche Schädigung der Verbraucher darstelle. Da müsse mehr dazukommen – zum Beispiel der Genehmigungsbehörde den Einbau der Abschalteinrichtung verschwiegen zu haben (Az.: VI ZR 433/19 vom 19. Januar 2021). Der siebte Senat geht noch einen Schritt weiter und urteilte am 16. September 2021, dass am Thermofenster generell nichts verwerflich sei und es bei Daimler keine Betrugsabsicht gegeben habe (Az. VII ZR 190/20 u.a.).
Am EuGH sind bereits mehrere Vorabentscheidungsverfahren aus Deutschland anhängig, die die bisherige Rechtsprechung des BGH im Abgasskandal auf den Prüfstand stellen sollen. Da geht es vor allem um das Thema Nutzungsentschädigung. Wenn Gerichte Verbrauchern im Abgasskandal Schadensersatz zusprechen, so müssen sie sich eine von Laufleistung und Kilometerstand abhängige Entschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs vom Schadensersatz abziehen lassen. Viele Juristen und auch Gerichte sehen darin eine Übervorteilung des Schädigers.
Verbraucherkanzleien prüfen darüber hinaus derzeit im Hinblick auf die Thermofenster-Entscheidungen des BGH verfassungsrechtliche Schritte. Insgesamt erweckt die BGH-Rechtsprechung in Teilen den Eindruck, als wolle die Justiz die Autoindustrie kostengünstig aus dem Abgasskandal entlassen. Mit dem Thermofenster will übrigens VW den Abgasskandal um dem Motor EA189 aus der Welt schaffen. In dem dazu gehörenden Software-Update soll nach Meinung von Experten ein Thermofenster stecken. Und das wird jetzt wohl vom EuGH für rechtswidrig erklärt. Ein alter Skandal wird so zu neuem Leben erweckt.
Das Thermofenster ist offensichtlich von allen Autobauern in Dieselmotoren eingesetzt worden. Von den Medien wird es jedoch hauptsächlich im Zusammenhang mit dem Daimler-Skandal gesehen. Daimler bestreitet wie auch VW schon jegliches illegales Handeln. Merkwürdigerweise hat Daimler im Abgasskandal ein Bußgeld über 870 Millionen Euro bezahlen müssen. Es geht dabei um die Verletzung der Aufsichtspflicht gegenüber Mitarbeitern. Gerade ist auch ein Prozess gegen Daimler-Mitarbeiter zu Ende gegangen. Hier gab es Strafbefehle in bisher unbekannter Höhe. Die drei Angestellten mussten sich nicht zu den Vorwürfen äußern und werden im Unternehmen weiterbeschäftigt, berichtete am 22. September 2021 die Stuttgarter Zeitung.
29.07.2021
BGH trifft verbraucherfreundliche Entscheidung in Bezug auf die Verjährungsfrage im Dieselskandal
Die Verjährungsfrist im Rahmen des Abgasskandals
Die Richter am Bundesgerichtshof (BGH) haben heute eine verbraucherfreundliche Entscheidung im Rahmen des Abgasskandals getroffen. Demnach hängt die Verjährung von Rechtsansprüchen im Abgasskandal davon ab, wann der jeweilige PKW-Besitzer Kenntnis von der Manipulation seines Fahrzeugs erhielt. Die allgemeine Berichterstattung über den Abgasskandal reiche laut BGH nicht aus, um sämtliche betroffene PKW-Besitzer über die Manipulation ihrer Fahrzeuge zu informieren.
Gleichzeitig gaben die BGH-Richter bekannt, dass die Teilnahme an einer Musterfeststellungsklage die Verjährung von Rechtsansprüchen auch dann hemmt, wenn der Eintrag in das Klageregister möglicherweise erst nach dem Eintritt der Verjährung erfolgte. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Teilnahme an der Musterklage nur erfolgte, um die eigenen Rechte später im Rahmen einer Individualklage durchzusetzen.
Rechtlicher Hintergrund: Die Verjährungsfrist im Rahmen des Abgasskandals
Im Fall von Betrug oder sittenwidriger Schädigung gilt in Deutschland eine Verjährungsfrist in Höhe von drei Jahren zum Jahresende ab Kenntnis der geschädigten Personen. Das bedeutet, dass die Schadensersatzansprüche innerhalb dieses Zeitraumes geltend gemacht werden müssen, da sie ansonsten verjähren.
VW veröffentlichte im Jahr 2015 eine Ad-Hoc-Meldung, in der der Konzern die Öffentlichkeit über die Fahrzeug-Manipulationen informierte. Deshalb verjährten die Rechte von betroffenen Verbrauchern am 01. Januar 2019, wenn diese bereits im Zuge der Ad-Hoc-Mitteilung von dem Abgasskandal wussten. Allerdings wussten nur die wenigsten betroffenen Fahrzeughalter bereits durch die Veröffentlichung dieser Meldung, dass auch ihr Fahrzeug illegal manipuliert wurde.
Mit diesem Sachverhalt haben sich die BGH-Richter befasst
In dem aktuellen Verfahren haben sich die BGH-Richter mit einem VW Tiguan befasst, der 2013 als Gebrauchtwagen gekauft wurde. Der PKW enthält den nachweislich manipulierten VW-Motor mit der Bezeichnung EA 189. Der Kläger schloss sich laut eigenen Angaben im Jahr 2018 der sogenannten VW-Musterfeststellungsklage an. Durch diese Verbandsklage sollte festgestellt werden, ob die Halter von manipulierten VW-Fahrzeugen Anspruch auf Schadensersatz haben.
2019 meldete der Verbraucher seine Teilnahme an der VW-Musterfeststellungsklage wieder ab und ließ seine Rechte individuell gegen VW durchsetzen. Er forderte den Konzern dazu auf, ihn finanziell zu entschädigen. Schließlich hätte er seinen mittlerweile verkauften PKW nicht zu denselben Konditionen erworben, wenn er zum Kaufzeitpunkt von dem Betrug gewusst hätte.
Am Landgericht (LG) Dessau-Roßlau sowie dem Oberlandesgericht (OLG) Naumburg hatte der Kläger keinen Erfolg. Demnach könne er nicht belegen, dass er sich bereits 2018 in das Klageregister eingetragen hatte. Am 01. Januar 2019 seien die Rechte von betroffenen PKW-Haltern hingegen bereits verjährt gewesen. Ohnehin sei die Teilnahme an der Musterfeststellungsklage demnach rechtswidrig gewesen, wenn diese nur erfolgte, um noch im Jahr 2019 eine Individualklage zu erheben.
BGH hebt OLG-Entscheidung auf und positioniert sich verbraucherfreundlich
Die BGH-Richter hoben das Urteil des Oberlandesgerichts nun jedoch auf. Die verantwortlichen Richter entschieden nun, dass sich die Teilnahme an der VW-Musterfeststellungsklage auch dann verjährungshemmend auswirkt, wenn der Eintrag in das Klageregister erst im Jahr 2019 erfolgte. Hierbei spielt es keine Rolle, ob Verbraucher nur an der Musterklage teilnehmen, um anschließend individuell gegen den verantwortlichen Autohersteller vorzugehen.
Darüber hinaus könne laut BGH nicht davon ausgegangen werden, dass sämtliche betroffene Halter bereits 2015 von dem Abgasskandal erfuhren. Insofern müsse der Eintritt der Verjährungsfrist in der Sache von der individuellen Kenntnis jedes Verbrauchers abhängig gemacht werden. Der BGH hat das Verfahren deshalb an das Berufungsgericht zurückverwiesen, wo nun ein verbraucherfreundliches Urteil erwartet wird.
Hunderttausende Verbraucher profitieren von der BGH-Entscheidung
Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass die meisten Verbraucher erst durch den amtlichen Rückruf von der Manipulation ihres Autos erfahren haben. Auch der Bundesgerichtshof hat nun eingesehen, dass die mediale Berichterstattung allein nicht ausreicht, um sämtliche Halter über den Abgasskandal zu informieren.
Die Entscheidung betrifft Hunderttausende Halter von VW-Autos mit manipulierten Motoren der Bezeichnungen EA 288, EA 896, EA 897 und EA 898 sowie die Besitzer manipulierter Autos von Herstellern wie Daimler, Fiat oder Opel. Diese Fahrzeuge wurden größtenteils seit 2018 wegen des Abgasskandals zurückgerufen. Betroffene PKW-Besitzer haben dementsprechend noch mindestens bis zum 01. Januar 2022 Zeit, um ihre Rechtsansprüche in der Sache durchzusetzen.
Restschadensersatzansprüche bestehen bis zu zehn Jahre nach Kauf
Tatsächlich können betroffene VW-Halter unabhängig von der dreijährigen Verjährungsfrist auch heute noch Schadensersatzansprüche geltend machen. Mehrere Oberlandesgerichte bestätigten nämlich bereits, dass im Rahmen des VW-Abgasskandals sogenannte Restschadensersatzansprüche bestehen, die erst zehn Jahre nach dem jeweiligen Kaufzeitpunkt verjähren.
Durch diese Restschadensersatzansprüche sollen betroffene Halter für die wirtschaftliche Bereicherung durch den Skandal entschädigt werden.
19.04.2021
Im Abgasskandal bei VW sind Klagen auch heute noch aussichtsreich Verlängerung im Diesel-Abgasskandal bei VW
OLG Koblenz verurteilt VW trotz eingetretener Verjährung
Kein Entrinnen in die Verjährung gibt es für VW im Diesel-Abgasskandal um den Motor EA189. Wie bereits die Oberlandesgerichte Oldenburg und Stuttgart so hat auch das Instanzgericht Koblenz am 31. März 2021 (Az. 7 U 1602/20) Volkswagen verurteilt. Und das obwohl die Klage erst im Juli 2020 eingereicht worden war, und der Bundesgerichtshof (BGH) in einem ersten Urteil davon ausgeht, dass bereits Ende 2018 der Abgasskandal verjährt war (Az. VI ZR 739/20). Hintergrund der verbraucherfreundlichen OLG-Urteile ist der Anspruch auf Restschadensersatz. Nach §852 BGB besteht dieser nach der eingetretenen üblichen dreijährigen Verjährung. Der Restschadensersatzanspruch erlischt erst zehn Jahre ab Kauf.
Im Abgasskandal von VW ist noch lange nichts verjährt
Was sich schon seit Monaten an Landgerichten angekündigt hatte, ist nun an den Oberlandesgerichten Koblenz, Oldenburg (Az. 4 O 195/20) und Stuttgart eingetreten. VW ist im Diesel-Abgasskandal trotz bereits eingetretener Verjährung verurteilt worden. Gerichte in Kiel, Magdeburg, Marburg, Hildesheim, Landshut und Trier hatten in den vergangenen Monaten eine Verurteilung nach §852 BGB von VW in Aussicht gestellt, obwohl die Ansprüche auf Schadensersatz aufgrund vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung (§826 BGB) in der üblichen Frist von drei Jahren ( §195, 199 BGB) verjährt sein dürften. Das Landgericht Karlsruhe war am 4. Dezember 2020 als erstes zu einer Verurteilung nach §852 BGB gekommen (Az. 4 O 195/20). Beim Restschadensersatz geht es um den finanziellen Vorteil, den sich der Schädiger – also VW – durch die Täuschung erschlichen hat.
Jetzt hat nach den Oberlandesgerichten Oldenburg und Stuttgart auch Koblenz mit seinem Urteil erneut Fakten in der zweiten Instanz geschaffen. Das Gericht erkannte den Anspruch auf Schadensersatz des klagenden VW-Kunden an. VW hat nach §826 BGB vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt. Allerdings sah das Gericht bereits die Verjährung nach §195, 199 BGB eingetreten. Die Klage war Mitte 2020 eingereicht worden und der VW-Skandal 2015 publik geworden. Nach Ansicht des Gerichts waren die VW-Fälle verjährt. Doch das Gericht erkannte den sogenannten Restschadensersatzanspruch nach §852 BGB an. Der Senat machte deutlich, dass der Verbraucher sich auf diesen Ersatzanspruch berufen kann. So kann der Kläger für seinen VW Polo 1.6 TDI noch mit rund 17.000 Euro rechnen. 2010 hatte er das Fahrzeug für rund 22.000 Euro gekauft. Das OLG Koblenz ließ die Revision zu. Daher ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.
Wer trickst und täuscht muss im deutschen Rechtssystem nicht hoffen, billig mittels Verjährung davonzukommen. Der Bundesgerichtshof hat sich bisher nicht abweisend zu den Ansprüchen aufgrund §852 BGB geäußert. In seinem VW-Urteil zum Thema Verjährung vom 17. Dezember 2020 (Az. VI ZR 739/20) gibt der Senat zu bedenken, dass ein Berufungsgericht die Möglichkeit des Restschadensanspruch nicht von sich aus prüfen müsse. Eine solche Prüfung setze einen Antrag des Klägers voraus. Die Kanzlei rät daher vom Abgasskandal betroffenen Verbrauchern dazu, sich anwaltlich beraten zu lassen. Klagen sind nach wie vor aussichtsreich – auch 2021. Erst recht nach dem OLG-Urteil und den Äußerungen des BGH. Die Fälle werden individuell geprüft, ehe man sich auf ein gemeinsames Vorgehen gegen den Autobauer einigt.
13.04.2021
Im Abgasskandal bei VW sind Klagen heute noch aussichtsreich
BGH fällt verbraucherfreundliches Urteil im Diesel-Abgasskandal
VW muss Kläger Finanzierungskosten erstatten
Der erste Diesel-Abgasskandal bei Volkswagen um den Motor EA189 ist noch längst nicht zu Ende. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 13. April 2020 ein verbraucherfreundliches Urteil zur Erstattung von Finanzierungskosten beim Autokauf verkündet (Az. VI ZR 274/20). Nach Ansicht des BGH sind die Kosten der Finanzierung wie etwa Zinsen und Gebühren dem Verbraucher zu erstatten, wenn seine Klage im Abgasskandal erfolgreich war. Für VW ist der erste Dieselskandal nicht ausgestanden. Erstens ist nichts verjährt. Zweitens gibt es Indizien, wonach das Software-Update zum EA189 unzulässig ist.
Deutliches Signal für mehr Verbraucherschutz durch den BGH
Für Kunden von Autobauern hat der BGH mit seinem vorliegenden Urteil ein verbraucherfreundliches Signal gesetzt. Sind Verbraucher sittenwidrig und vorsätzlich geschädigt worden, haben sie nicht nur ein Anrecht auf Rückabwicklung des Kaufvertrags, sondern auch auf die Erstattung der Finanzierungskosten für das Auto. Rund 65 Prozent der Neuwagen in Deutschland werden von Banken finanziert.
Hier die wichtigsten Eckdaten zum BGH-Urteil:
20.03.2021
Verjährungsfrist 10 Jahre seit Kauf
OLG Stuttgart verurteilt VW trotz eingetretener Verjährung
Für VW gibt es im ersten Diesel-Abgasskandal um den Motor EA189 kein Entrinnen in die Verjährung. Wie schon das Oberlandesgericht Oldenburg hat auch das Instanzgericht Stuttgart am 9. März 2021 (Az. 10 U 339/20) Volkswagen zur Rücknahme eines VW-Diesels verurteilt, obwohl die Klage erst 2020 eingereicht worden war und der Bundesgerichtshof (BGH) in einem ersten Urteil davon ausgeht, dass bereits Ende 2018 der Abgasskandal verjährt gewesen sein soll (Az. VI ZR 739/20). Hintergrund der verbraucherfreundlichen Urteile ist der Anspruch auf Restschadensersatz. Nach §852 BGB besteht der Anspruch nach der eingetretenen dreijährigen Verjährung. Beim Restschadensersatzanspruch tritt die Verjährung zehn Jahre ab Kauf ein.
Im Abgasskandal von VW ist noch lange nichts verjährt
Was sich schon seit Monaten an Landgerichten angekündigt hatte, ist nun an den Oberlandesgerichten Oldenburg (Az. 4 O 195/20) und Stuttgart eingetreten. VW ist im Diesel-Abgasskandal trotz bereits eingetretener Verjährung verurteilt worden. Gerichte in Kiel, Magdeburg, Marburg, Hildesheim, Landshut und Trier hatten in den vergangenen Monaten eine Verurteilung nach §852 BGB von VW in Aussicht gestellt, obwohl die Ansprüche auf Schadensersatz aufgrund vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung (§826 BGB) in der üblichen Frist von drei Jahren ( §195, 199 BGB) verjährt sein dürften. Das Landgericht Karlsruhe war am 4. Dezember 2020 als erstes zu einer Verurteilung nach §852 BGB gekommen (Az. 4 O 195/20). Beim Restschadensersatz geht es um den finanziellen Vorteil, den sich der Schädiger – also VW – durch die Täuschung erschlichen hat.
Jetzt hat nach dem Oberlandesgericht Oldenburg auch das OLG Stuttgart mit seinem Urteil erneut Fakten in der zweiten Instanz geschaffen. Das Gericht erkannte den Anspruch auf Schadensersatz des klagenden VW-Kunden an. VW hat nach §826 BGB vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt. Allerdings sah das Gericht bereits die Verjährung nach §195, 199 BGB eingetreten. Die Klage war Anfang 2020 eingereicht worden und der VW-Skandal 2015 publik geworden. Nach Ansicht des Gerichts waren die VW-Fälle Ende 2018 bereits verjährt. Doch das Gericht erkannte den sogenannten Restschadensersatzanspruch nach §852 BGB an. Der Senat machte deutlich, dass der Verbraucher sich auf diesen Ersatzanspruch berufen kann. So bekam der Kläger für seinen Anfang 2012 für 20.500 Euro gekauften VW Polo 1.6 TDI immerhin nach Abzug einer Nutzungsentschädigung noch 14.958,92 Euro zugesprochen. Er muss im Gegenzug VW den Polo aushändigen. Das Gericht hatte für den Diesel EA189 eine Laufleistung von 300.000 Euro festgesetzt.
Das Oberlandesgericht Stuttgart vertrat in dem Verfahren die Meinung, dass §852 BGB auch dann angewandt werden kann, wenn der Kläger das Fahrzeug nicht direkt von VW, sondern über einen Vertragshändler gekauft habe. Denn letztlich, so das Gericht, hat VW 85 Prozent des Kaufpreises nicht auf Kosten des Vertragshändlers erlangt, sondern auf Kosten des Käufers. Das Gericht folgte bei der Berechnung der Argumentation des Klägeranwalts. Von diesen 85 Prozent musste sich der Kläger die Nutzungsentschädigung abziehen lassen. Das OLG Stuttgart ließ die Revision zu. Daher ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.
§852 BGB lässt VW im Abgasskandal nicht aus der Verantwortung
Was bedeutet dieser Restschadensersatzanspruch in der Praxis:
09.03.2021
Im Diesel-Abgasskandal von VW ist nichts verjährt / OLG Oldenburg verurteilt Konzern trotz eingetretener Verjährung
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat im Diesel-Abgasskandal von VW endgültig ein neues Kapitel aufgeschlagen. Noch ist nichts verjährt, lautet die kurze und einfache Botschaft. Obwohl der berechtigte Anspruch auf Schadensersatz nach Ansicht des Gerichts bereits verjährt war, hat der 12. Zivilsenat am 2. März 2021 VW zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt (Az. 12 U 161/20). Hintergrund: Nach §852 BGB besteht nach der eingetretenen Verjährung aus §195, 199 BGB der Restschadensersatzanspruch.
Im Abgasskandal von VW ist noch lange nichts verjährt
Was sich schon seit Monaten an Landgerichten angekündigt hatte, ist nun am Oberlandesgericht Oldenburg eingetreten. VW ist im Diesel-Abgasskandal trotz bereits eingetretener Verjährung verurteilt worden (Az. 4 O 195/20).
Jetzt hat das Oberlandesgericht Oldenburg mit seinem Urteil erstmals Fakten in der zweiten Instanz geschaffen. Das Gericht erkannte den Anspruch auf Schadensersatz des klagenden VW-Kunden an. VW hat nach §826 BGB vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt. Allerdings sah das Gericht bereits die Verjährung nach §195, 199 BGB eingetreten. Die Klage war Anfang 2020 eingereicht worden und der VW-Skandal 2015 publik geworden. Nach Ansicht des Gerichts waren die VW-Fälle Ende 2019 bereits verjährt. Doch das Gericht erkannte den sogenannten Restschadensersatzanspruch nach §852 BGB an. Der Senat macht deutlich, dass der Verbraucher sich auf diesen Ersatzanspruch berufen kann – und zwar in gleicher Höhe wie in der bereits verjährten Höhe. So bekam der Kläger für seinen Anfang 2012 für 25.950 Euro gekauften VW Caddy 2.0 TDI immerhin nach Abzug einer Nutzungsentschädigung noch 16.376,87 Euro zugesprochen.
Der Bundesgerichtshof hat sich bisher nicht abweisend zu den Ansprüchen aufgrund §852 BGB geäußert. In seinem VW-Urteil zum Thema Verjährung vom 17. Dezember 2020 (Az. VI ZR 739/20) gibt der Senat zu bedenken, dass ein Berufungsgericht die Möglichkeit des Restschadensanspruch nicht von sich aus prüfen müsse. Eine solche Prüfung setze einen Antrag des Klägers voraus.
Wir raten daher vom Abgasskandal betroffenen Verbrauchern dazu, sich anwaltlich beraten zu lassen. Klagen sind nach wie vor aussichtsreich. Erst recht nach dem OLG-Urteil und den Äußerungen des BGH. Die Fälle werden individuell geprüft, ehe man sich auf ein gemeinsames Vorgehen gegen den Autobauer einigt.
08.03.2021
Bundesgerichtshof BGH: Audi haftet nicht automatisch für VW-Abgasbetrug
Im Diesel-Skandal verlangen die allermeisten Autobesitzer Schadenersatz von Volkswagen. Es gibt aber auch Betroffene, die gegen die Konzerntochter Audi klagen. Haben sie aufs falsche Pferd gesetzt?
Anmerkung der Kanzlei RA Heimann:
Unsere Mandanten sind hiervon nicht betroffen, da wir von vorneherein auf das richtige Pferd – VW – als Beklagte gesetzt haben.
Karlsruhe - Diesel-Besitzer, die anstelle von Volkswagen die Konzerntochter Audi auf Schadenersatz verklagt haben, dürften eher schlechte Karten haben.
Der Bundesgerichtshof (BGH) setzte in einem Urteil von Montag deutlich höhere Hürden für eine Haftung im Abgasskandal. Dass der von VW entwickelte Skandalmotor EA189 auch von Audi in einigen Modellen eingesetzt wurde, reiche allein noch nicht aus, entschieden die obersten Zivilrichter in Karlsruhe in einem Musterfall aus Sachsen-Anhalt. (Az. VI ZR 505/19)
Bei VW gehen die BGH-Richter davon aus, dass dem Einsatz der illegalen Abgastechnik in Millionen Fahrzeugen eine strategische Entscheidung auf hoher Ebene zugrunde gelegen haben muss. Behörden und Kunden seien systematisch hinters Licht geführt worden. Denn in Wirklichkeit stießen die Autos zu viele Schadstoffe aus - nur im Test sorgte eine Software dafür, dass die Grenzwerte eingehalten wurden.
Deshalb können Kläger, die die Voraussetzungen erfüllen, grundsätzlich ihr Auto an VW zurückgeben. Sie bekommen aber nicht den vollen Kaufpreis wieder, sondern müssen sich die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Vor diesem Hintergrund hat sich VW seit dem Grundsatz-Urteil im Mai 2020 konzernweit in rund 34 000 Verfahren auf einen Vergleich geeinigt, ohne eine gerichtliche Entscheidung abzuwarten. Diese Kläger dürfen ihr Auto behalten.
Außerdem hatten gut 245.000 Betroffene durch einen Mustervergleich zwischen Volkswagen und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen Summen von 1350 bis 6257 Euro bekommen. Darunter sind auch Diesel-Besitzer, die keinen VW fahren, sondern einen Audi.
Verglichen damit richten sich eher wenige Schadenersatz-Klagen direkt gegen Audi. Der Ingolstädter Autobauer spricht von einer niedrigen vierstelligen Zahl laufender Gerichtsverfahren.
Für den Kläger in dem Musterfall war es zunächst gut gelaufen. Zuletzt hatte ihm das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg rund 20.000 Euro Schadenersatz plus Zinsen zugesprochen: Audi habe die unzulässige Abschalteinrichtung mit in Verkehr gebracht und hafte deshalb genauso wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung.
Mit dieser Begründung könnten Schadenersatz-Ansprüche aber nicht bejaht werden, sagte der Vorsitzende BGH-Richter Stephan Seiters bei der Urteilsverkündung. Voraussetzung für eine Haftung sei, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter von Audi den Tatbestand der sittenwidrigen Schädigung persönlich verwirklicht habe. Eine "Wisse
nszurechnung" über die Grenzen der Konzerngesellschaften hinweg ist nach Ansicht des Senats grundsätzlich nicht möglich.
Heißt im Klartext: Die Kläger müssen konkrete Anhaltspunkte dafür liefern, dass Audi an der strategischen Entscheidung im VW-Konzern beteiligt war oder zumindest von dem Abgasbetrug wusste. Das ist sehr viel mehr, als in den Verfahren gegen Volkswagen zu leisten ist. "Deshalb wäre im vorliegenden Fall eine Klage gegen die Muttergesellschaft VW deutlich einfacher gewesen", sagte Seiters.
Der Kläger bekommt zwar noch einmal Gelegenheit, seine Anschuldigungen gegen Audi in Naumburg zu präzisieren. Erst dort wird der Fall dann endgültig entschieden. Das dürfte aber sehr schwierig werden, wie BGH-Sprecherin Dietlind Weinland sagte.
Audi zeigte sich zuversichtlich, dass das OLG nun "unserer Rechtsauffassung folgen wird und einen Anspruch des Klägers verneint". Die Hürden seien hoch, teilte das Unternehmen mit. "Es fehlt aus unserer Sicht klar an einer sittenwidrigen Täuschungshandlung der Audi AG, die den Motor nicht entwickelt hat."
08.03.2021
Im Abgasskandal bei VW sind Klagen heute noch aussichtsreich Im Diesel-Abgasskandal ist noch nichts verjährt
OLG Oldenburg verurteilt VW aufgrund § 852 BGB trotz eingetretener Verjährung
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat im Diesel-Abgasskandal von VW endgültig ein neues Kapitel aufgeschlagen. Noch ist nichts verjährt, lautet die kurze und einfache Botschaft. Obwohl der berechtigte Anspruch auf Schadensersatz nach Ansicht des Gerichts bereits verjährt war, hat der 12. Zivilsenat am 2. März 2021 VW zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt (Az. 12 U 161/20). Hintergrund: Nach § 852 BGB besteht nach der eingetretenen Verjährung aus §195, 199 BGB der Restschadensersatzanspruch. Beim Restschadensersatzanspruch tritt die Verjährung zehn Jahre ab Kauf ein.
Im Abgasskandal von VW ist noch lange nichts verjährt
Was sich schon seit Monaten an Landgerichten angekündigt hatte, ist nun am Oberlandesgericht Oldenburg eingetreten. VW ist im Diesel-Abgasskandal trotz bereits eingetretener Verjährung verurteilt worden (Az. 4 O 195/20). Gerichte in Kiel, Magdeburg, Marburg und Trier hatten in den vergangenen Monaten eine Verurteilung nach § 852 BGB von VW in Aussicht gestellt, obwohl die Ansprüche auf Schadensersatz nach der üblichen Frist von drei Jahren verjährt sein dürften. Am Landgericht Karlsruhe war es bereits zu einer Verurteilung nach § 852 BGB gekommen. Zum Beispiel stellte das Landgericht Trier in einer Verfügung vom 8. Oktober 2020 fest, dass nach § 852 BGB ein sogenannter Anspruch auf Restschadensersatz bestehen könnte (Az. 5 O 173/20). Der verjährt erst zehn Jahre nach Kauf des Fahrzeugs. Beim Restschadensersatz geht es um den finanziellen Vorteil, den sich der Schädiger – also VW – durch die Täuschung erschlichen hat. Wir weisen seit Monaten darauf hin, dass im VW-Skandal noch nichts verjährt ist.
Jetzt hat das Oberlandesgericht Oldenburg mit seinem Urteil erstmals Fakten in der zweiten Instanz geschaffen. Das Gericht erkannte den Anspruch auf Schadensersatz des klagenden VW-Kunden an. VW hat nach §826 BGB vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt. Allerdings sah das Gericht bereits die Verjährung nach § 195, 199 BGB eingetreten. Die Klage war Anfang 2020 eingereicht worden und der VW-Skandal 2015 publik geworden. Nach Ansicht des Gerichts waren die VW-Fälle Ende 2019 bereits verjährt. Doch das Gericht erkannte den sogenannten Restschadensersatzanspruch nach § 852 BGB an. Der Senat macht deutlich, dass der Verbraucher sich auf diesen Ersatzanspruch berufen kann – und zwar in gleicher Höhe wie in der bereits verjährten Höhe. So bekam der Kläger für seinen Anfang 2012 für 25.950 Euro gekauften VW Caddy 2.0 TDI immerhin nach Abzug einer Nutzungsentschädigung noch 16.376,87 Euro zugesprochen.
Wer trickst und täuscht muss im deutschen Rechtssystem nicht hoffen, billig mittels Verjährung davonzukommen. Der Bundesgerichtshof hat sich bisher nicht abweisend zu den Ansprüchen aufgrund § 852 BGB geäußert. In seinem VW-Urteil zum Thema Verjährung vom 17. Dezember 2020 (Az. VI ZR 739/20) gibt der Senat zu bedenken, dass ein Berufungsgericht die Möglichkeit des Restschadensanspruch nicht von sich aus prüfen müsse. Eine solche Prüfung setze einen Antrag des Klägers voraus. Wir raten daher vom Abgasskandal betroffenen Verbrauchern dazu, sich anwaltlich beraten zu lassen. Klagen sind nach wie vor aussichtsreich. Erst recht nach dem OLG-Urteil und den Äußerungen des BGH.
§ 852 BGB lässt VW im Abgasskandal nicht aus der Verantwortung
Was bedeutet dieser Restschadensersatzanspruch in der Praxis. Gerichte in Marburg, Magdeburg, Kiel und Trier haben eine Verurteilung von VW nach §852 BGB bereits angekündigt oder ziehen es in Betracht. Das Landgericht Karlsruhe hat jetzt VW verurteilt, ebenso das Oberlandesgericht in Oldenburg.
29. Januar 2021
Audi 3,0 l - Positive Urteile für Verbraucher am Landgericht Ingolstadt
Audi AG im Januar 2021 mehrfach zu Schadensersatz verurteilt.
In einem aktuellen Urteil vom 15.01.2021, AZ 41 O 2193/19, hat das Landgericht Ingolstadt einem Kläger, der 2016 einen Audi A6, 3 Liter Diesel mit Euro 6 Norm gekauft hatte, in einer Klage gegen die Audi AG einen Schadensersatz in Höhe von 30.350,00 EUR zugesprochen. In seinen Urteilsgründen stellt das Landgericht Ingolstadt fest: „…das streitgegenständliche Fahrzeug über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfügt, steht zur Überzeugung des Gerichts hinreichend durch den hier aus anderen anhängigen Verfahren gerichtsbekannten (…) Rückrufbescheid des Kraftfahrtbundesamtes für den gegenständlichen Fahrzeugtyp fest. Der Rückruf bezieht sich explizit auf die Entfernung einer unzulässigen Abschalteinrichtung.“
LG Ingolstadt sieht illegale Abschalteinrichtungen bei Audi A6 3 Liter Diesel Euro 6 Fahrzeug als erwiesen an
Tatsächlich sind fast alle 3.0 Liter Diesel-Fahrzeugmodelle der Marken VW, Audi und Porsche mit der Schadstoffklasse Euro 6 bereits wegen illegaler Abschaltvorrichtungen vom Kraftfahrtbundesamt zurückgerufen worden. Weitere Rückrufe ergingen seit Ende 2019 auch bei den 3.0 Liter Modellen des Konzerns der Schadstoffklasse Euro 5. Auch hier gibt es Klagen und Urteile gegen die Autohersteller.
LG Ingolstadt verurteilt Audi AG zu 27.863,00 EUR Schadensersatz bei einem Audi A6 3 Liter Euro 6
Erfolg hatte im Januar 2021 auch eine Klägerin, die ihren Audi A6, 3 Liter Diesel, Euro 6 im Oktober 2018 gebraucht gekauft hatte. Im Urteil vom 19.01.2021 verurteilte das Landgericht Ingolstadt (Az. 81 O 2310/19) die Audi AG in diesem Fall zu 27.863,00 EUR Schadensersatz. Besonderheit bei diesem Fall, der Kauf des Fahrzeugs erfolgte erst nach der Bekanntmachung durch das Kraftfahrtbundesamt im Juni 2018, dass Fahrzeuge dieses Typs zurückgerufen werden. Von der Audi AG wurde die Klägerin im Januar 2019 darüber informiert, dass ein Software Update an ihrem Fahrzeug vorgenommen werden muss. Nach Ansicht des Gerichts waren hier Mitteilungen der Audi AG an Vertragshändler und auch Pressemitteilungen über die Manipulationen an bestimmten Fahrzeugtypen nicht geeignet, den Vorwurf der Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Audi AG gegenüber der Klägerin entfallen zu lassen. Daher sah das Gericht den Anspruch auf Schadensersatz wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch die Audi AG auch bei einem Kauf des PKW erst Ende 2018 als gegeben an.
11. Januar 2021
Wieder Hoffnung in sogenannten Kauf nach Kenntnis Verfahren
Spektakuläres Urteil des OLG Köln.
Der 20. Senat des Oberlandesgerichts Köln (OLG Köln vom 18.12.2020, Az. 20 U 288/19) gibt Käufern von 2 Liter VW, Seat, Audi und Skoda Dieselfahrzeugen, die das Auto erst nach Herbst 2015 gekauft haben, wieder Hoffnung.
Das OLG Köln folgte dem Kläger und wies trotz des Urteils des BGH vom 30. Juli 2015 – VI ZR 5/20 die Berufung der in der ersten Instanz unterlegenen Volkswagen AG ab. In diesem Verfahren ging es um die Klage eines Tiguan-Fahrers, der sein Auto zwar nach der sog. ad-hoc-Mitteilung von VW im September 2015 jedoch bereits mit aufgespieltem Software-Update im Dezember 2016 gekauft hatte.
Der BGH schien im letzten Jahr die Tür für Ansprüche von Spätkäufern, die ihr Fahrzeug nach dem 22.09.2015 gekauft haben, zugemacht zu haben. Das OLG Köln hat nun erfreulicherweise gegen die allgemeine Tendenz der Obergerichte, die BGH-Rechtsprechung–blind, also ohne Berücksichtigung des konkreten Vortrags im jeweiligen Einzelfall zu übernehmen, pro Kläger entschieden. Das muss Schule machen, denn das BGH-Urteil beruht auf einem für viele Fälle unzutreffenden, also nicht übertragbaren Sachverhalt.
OLG Köln gibt Spätkäufern, also Käufern, die ihr Dieselfahrzeug erst nach Herbst 2015 erworben haben, wieder Hoffnung
Der BGH hatte im Juli 2020 noch angenommen, dass VW durch diese ad- hoc- Mitteilung reinen Tisch gemacht hatte und Käufer von 2 Liter Fahrzeugen mit Euro 5 Norm nach dieser Mitteilung nicht mehr arglos waren und deshalb kein sittenwidriges Verhalten mehr seitens VW gegeben sei, was aber die Voraussetzung ist, um Schadensersatz fordern zu können.
Das sieht das OLG Köln nun anders. Der 20. Senat spricht in seinem Urteil davon, dass das Software-Update nicht zu einem gesetzeskonformen Zustand des Fahrzeugs geführt und die Volkswagen AG dies durch eine weitere Manipulation des „On Board Diagnosis-Systems“ zu verschleiern versucht habe. Daher sei das von VW an den Tag gelegte Verhalten weiterhin als sittenwidrig zu bewerten und ein Schadensersatzanspruch weiter gegeben.
Software Update beseitigt die Mängel am Fahrzeug nicht und führt nicht zu gesetzmäßigem Zustand
Und die Richter am OLG Köln werden noch deutlicher: Im Gesamtzusammenhang des Verhaltens von Volkswagen zielte die Mitteilung im September 2015 tatsächlich im Gegenteil eher darauf ab, soviel wie möglich von dieser Arglosigkeit (bei den Käufern) zu erhalten, also sie über die Manipulationen an den Fahrzeugen weiter zu täuschen und mit der Zusage eines vom KBA genehmigten Updates, welches angeblich alle Mängel beseitigen würde, weiterhin- auf Deutsch gesagt- für dumm zu verkaufen.
Auch der zweite Satz der ad hoc Mitteilung „Die aktuell in der Europäischen Union angebotenen Neuwagen mit Dieselantrieb EU 6 aus dem Volkswagen Konzern erfüllen die gesetzlichen Anforderungen und Umweltnormen“ erscheint rückblickend wenig glaubwürdig.
Tatsächlich sind fast alle 3.0 Liter Diesel-Fahrzeugmodelle der Marken VW, Audi und Porsche, der Schadstoffklasse Euro 6, bereits wegen illegaler Abschaltvorrichtungen vom KBA zurückgerufen worden. Weitere Rückrufe ergehen derzeit auch bei den 3.0 Liter Modellen der Schadstoffklasse Euro 5.
Und auch da ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Es bestehen auch bei den 2.0 Liter Dieselmodellen des Konzerns berechtigte Zweifel daran, dass der Nachfolger des Skandalmotors EA189- der EA 288- sauber ist. Es gibt auch hier schon 15 Landgerichte, die VW diesbezüglich zu Schadensersatz in erster Instanz verurteilt haben.
18.12.2020
EuGH-Urteil: Abgasskandal holt gesamte Automobilindustrie ein
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich verbraucherfreundlich im Dieselskandal positioniert. Die verantwortlichen Richter bewerteten Abschalteinrichtungen in Fahrzeugen als illegal, sofern der Schadstoffausstoß dadurch im normalen Straßenbetrieb über den Werten auf dem Prüfstand liegt. Der Abgasskandal holt nun nahezu sämtliche namhafte Fahrzeughersteller ein. Der Automobilindustrie drohen Rekord-Rückruf- und –Klagewellen.
Das Urteil bringt fünf Jahre nach dem Bekanntwerden des Dieselskandals sehr viel Klarheit in die Sache. Schon lange steht fest, dass nicht nur Volkswagen die eigenen Automobile manipuliert hat. Auch weitere große Autobauer wie Daimler, BMW, Volvo und Fiat haben Abschalteinrichtungen in ihren Fahrzeugen verbaut. Nun ist klar: Diese Form der Manipulation war illegal. Für betroffene PKW-Halter standen die Chancen nie besser, erfolgreich Schadensersatzansprüche durchzusetzen.
Bislang rechtfertigten viele Hersteller die Verwendung von Abschalteinrichtungen mit dem Schutz des Motors. Dieser Argumentation folgten die EuGH-Richter jedoch nicht. So sei eine Abschalteinrichtung nur dann erlaubt, wenn der Motor ohne die Abschalteinrichtung unmittelbare Schäden erleidet oder wichtige Funktionen wie die Lenkung ausfallen würden. Im Normalfall schützen Abschalteinrichtungen jedoch höchstens vor dem Verschleiß oder der Verschmutzung des jeweiligen Motors.
Der Abgasskandal wird uns wohl trotz dieses Urteils noch einige Zeit begleiten. Die nationalen Gerichte müssen im nächsten Schritt die Legalität der verschiedenen Abschalteinrichtungen der unterschiedlichen Hersteller einzeln bewerten. Dabei werden sie sich an der verbraucherfreundlichen Rechtsauslegung des EuGH orientieren.
In Deutschland hat der Bundesgerichtshof diesbezüglich bereits zwei Verfahren angesetzt: Im Februar befassen sich die BGH-Richter mit der Zulässigkeit des VW-Software-Updates, das ebenfalls eine Abschalteinrichtung enthält. Im März steht dann ein Verfahren im Rahmen des Daimler-Dieselskandals an.
Deutsche PKW-Halter sollten sich schnell wehren – Verjährung droht
Für betroffene Verbraucher entsteht durch den Abgasskandal ein enormer Schaden. Die Nachfrage nach Dieselfahrzeugen ist in den vergangenen Jahren bereits stark eingebrochen und die Fahrzeuge haben aufgrund des Abgasskandals an Wert verloren. Dieser Wertverlust betrifft nachweislich manipulierte Autos umso mehr.
Die Halter von manipulierten Fahrzeugen können sich jedoch gegen den Betrug wehren und hohe Entschädigungen durchsetzen. Wir raten betroffenen PKW-Besitzern, ihre Ansprüche schnell geltend zu machen. Der deutsche Bundesgerichtshof positionierte sich nämlich zuletzt nicht sehr verbraucherfreundlich zum Thema Verjährung im Abgasskandal. Wer zu lange mit der Durchsetzung seiner Rechte wartet, hat demnach möglicherweise keinen vollen Schadensersatzanspruch mehr.
Das sind die Verbraucherrechte im Abgasskandal
Vom Abgasskandal betroffene Fahrzeughalter können die Auszahlung des vollständigen Kaufpreises ihres Fahrzeuges bei dem jeweiligen Hersteller geltend machen und ihr Auto dafür zurückgeben. Alternativ gibt es auch die Möglichkeit, das Fahrzeug weiter zu nutzen und einen Teil des Kaufpreises als Entschädigung zu erstreiten.
30.11.2020
BGH terminiert neues Dieselskandal-Verfahren
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute ein neues Verfahren im Rahmen des Dieselskandals terminiert. Am 23. Februar 2021 wollen die obersten Richter Deutschlands klären, ob Audi für den Einbau des manipulierten VW-Motors EA 189 haftbar gemacht werden kann. Ein Urteil in der Sache wird wenige Tage nach dem Verhandlungstermin erwartet.
Das sind die Hintergründe des Verfahrens
In dem Verfahren geht es um einen Audi A6, der 2015 gekauft und von Audi mit dem nachweislich manipulierten Dieselmotor EA 189 ausgestattet wurde. Dieser Motor wurde von VW entwickelt, aber auch in Fahrzeugen der Tochterunternehmen Audi, Seat, Skoda und Porsche verbaut.
Dem Kläger in dem aktuell terminierten BGH-Verfahren wurde in den beiden Vorinstanzen am Landgericht Halle sowie dem Oberlandesgericht Naumburg Schadensersatz zugesprochen. Audi soll den manipulierten PKW zurücknehmen und dem Kläger dafür den ursprünglichen Kaufpreis sowie Verzugszinsen auszahlen. Lediglich die bisherige Laufleistung muss sich der Kläger negativ anrechnen lassen. Der Bundesgerichtshof soll nun endgültig klären, ob Audi in der Sache haftbar gemacht werden kann, obwohl der eingebaute Motor von VW entwickelt wurde.
Weitere Abgasskandal-Verhandlungen vor dem BGH
Noch im Dezember befassen sich die Richter am Bundesgerichtshof mit der Verjährungsfrist im VW-Abgasskandal. Am selben Tag soll zudem geklärt werden, ob auch Daimler illegale Abschalteinrichtungen in diversen Mercedes-Benz-Modellen verbaut hat. Am 23. Februar 2021 befassen sich die obersten Richter Deutschlands zudem mit der Frage, ob auch das VW-Software-Update eine illegale Abschalteinrichtung enthält. Zahlreiche manipulierte VW-Fahrzeuge erhielten dieses Update eigentlich, um endlich sauber zu werden.
25.09.2020
Vier Monate nach dem BGH-Urteil: Das ist die aktuelle Lage
Seit genau vier Monaten herrscht für deutsche Verbraucher Rechtssicherheit im Dieselskandal: Am 25. Mai 2020 verurteilten die obersten deutschen Richter am Bundesgerichtshof (BGH) Volkswagen erstmals in der Sache und sprachen dem Kläger Schadensersatz zu. Seitdem haben betroffene Verbraucher hierzulande die Gewissheit, dass sie ihr manipuliertes Fahrzeug für eine hohe Entschädigung an VW zurückgeben können.
BGH-Urteil bringt Rechtssicherheit: Diese Entschädigungen stehen Verbrauchern zu
Vom Abgasskandal betroffene Fahrzeughalter können mit Hilfe einer Rechtsanwaltskanzlei die Auszahlung des vollständigen Kaufpreises ihres Fahrzeuges bei dem jeweiligen Hersteller geltend machen und ihr Auto dafür zurückgeben. Der individuelle Schadensersatz setzt sich aus dem ursprünglichen Kaufpreis des Fahrzeuges abzüglich einer sogenannten Nutzungsentschädigung zusammen. Letztere soll den Wertverlust des jeweiligen Fahrzeugs aufgrund der bisherigen Nutzung darstellen.
Die Höhe der Nutzungsentschädigung berechnet sich aus dem Anteil der bisher zurückgelegten Kilometer an der maximalen Laufleistung jedes Fahrzeuges. Diese maximale Laufleistung wird in der Regel mit etwa 250.000 bis 350.000 Kilometern beziffert. Hat ein Auto also 150.000 Kilometer zurückgelegt und es wird eine Maximalleistung von 300.000 Kilometern angenommen, wird eine Nutzungsentschädigung von 50 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises von der Entschädigungssumme abgezogen. Der Kläger bekäme folglich eine Entschädigung in Höhe der Hälfte des ursprünglichen Kaufpreises.
Verzugszinsen erhöhen die Entschädigungssumme
Während sich die Nutzungsentschädigung negativ auf die jeweilige Entschädigungssumme auswirkt, wird diese durch die Auszahlung von Verzugszinsen erhöht. Diese Zinsen in Höhe von aktuell 4,12 Prozent pro Jahr muss Volkswagen betroffenen Klägern ab dem Tag der Klage-Erhebung auszahlen, denn ab diesem Datum haben die jeweiligen Halter ihr Recht auf die Rückabwicklung ihres PKW geltend gemacht. Sie mussten ihren PKW demnach bis zum Ende des Verfahrens behalten, obwohl sie diesen eigentlich abgeben wollten.
Entschädigung sichern und PKW behalten
Alternativ gibt es auch die Möglichkeit, das Fahrzeug weiter zu nutzen und nur einen Teil des Kaufpreises als Entschädigung zu erstreiten. Dies ergibt vor allem für Vielfahrer Sinn, die bereits mehr als 200.000 Kilometer mit ihrem PKW zurückgelegt haben. In der Regel erhalten die PKW-Besitzer in diesem Fall höhere Schadensersatz-Summen als bei einer Fahrzeugrückgabe. In der Regel können betroffene Halter auf diesem Weg nämlich 20 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises durchsetzen.
Dieselskandal holt zahlreiche Hersteller ein
Bislang gilt das BGH-Urteil nur für VW-Fahrzeuge mit dem Motor EA 189. Doch grundsätzlich gilt es für sämtliche illegal manipulierten PKW und nahezu alle internationalen Fahrzeughersteller haben illegale Abschalteinrichtungen in ihren Fahrzeugen eingebaut.
Im Oktober muss sich die Mercedes-Benz-Muttergesellschaft Daimler deshalb bereits vor dem Bundesgerichtshof verantworten. Doch auch Autobauer wie BMW, Mitsubishi oder Volvo könnte der Dieselskandal noch in diesem Jahr endgültig einholen: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird wohl noch in diesem Jahr definieren, wann eine Abschalteinrichtung als illegal einzustufen ist. Diese Entscheidung könnte zu mehreren Millionen Fahrzeugrückrufen in ganz Europa führen.
Das sind die Verbraucherrechte im Abgasskandal
Vom Abgasskandal betroffene Fahrzeughalter können die Auszahlung des vollständigen Kaufpreises ihres Fahrzeuges bei dem jeweiligen Hersteller geltend machen und ihr Auto dafür zurückgeben. Alternativ gibt es auch die Möglichkeit, das Fahrzeug weiter zu nutzen und einen Teil des Kaufpreises als Entschädigung zu erstreiten.
So setzen sich die Entschädigung zusammen
Die jeweilige Entschädigungssumme im Abgasskandal setzt sich aus dem ursprünglichen Kaufpreis des Fahrzeuges abzüglich einer Nutzungsentschädigung zusammen. Letztere ist abhängig von der individuellen Laufleistung des jeweiligen Fahrzeuges. Darüber hinaus erhalten die betroffenen Kläger Verzugszinsen, die die Entschädigungssumme erhöhen.
07.09.2020
Sensationsurteil im Diesel-Abgasskandal: LG Dortmund verurteilt VW aufgrund des Software-Updates zum EA189 / Kauf ab 2015: Klagen auch nach BGH-Urteil möglich
Der Diesel-Abgasskandal ist für VW noch nicht zu Ende. Erstmals hat ein Gericht VW aufgrund des aufgespielten Software-Updates am Dieselmotor EA189 verurteilt. Das Landgericht Dortmund wertete das Update als illegale Abschalteinrichtung. Denn der Kläger hatte sein Fahrzeug erst nach Bekanntwerden des Abgasskandals erworben. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 30. Juli 2020 (Az. VI ZR 5/20) stünde ihm deshalb kein Anspruch auf Schadensersatz zu. Durch das Software-Update, so das Gericht in seiner Begründung, hat VW den Verbraucher jedoch sittenwidrig getäuscht.
Software-Update am EA189 ist laut Gericht illegales Thermofenster
Das Landgericht Dortmund hat im vorliegenden Fall mit Urteil vom 28. August 2020 (Az. 4 0 53/20) ein neues Kapitel im ersten Diesel-Abgasskandal geschrieben. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst die wichtigsten Fakten zum Urteil zusammen und weist auf Entwicklungen am Europäischen Gerichtshof (EuGH) hin:
30.07.2020
BGH: Software-Update behebt Schaden der Verbraucher im Diesel-Abgasskandal von VW nicht / Klagen sind weiter möglich
Das von der Volkswagen AG im Diesel-Abgasskandal angebotene und aufgespielte Software-Update für den Motor EA189 hat den Schaden der Verbraucher nicht behoben. Daran ließ der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 30. Juli 2020 keine Zweifel (Az. VI ZR 367/19) aufkommen. Damit können weiterhin betroffene VW-Kunden, die sich das Update haben aufspielen lassen, immer noch Schadensersatz von VW vor Gericht einfordern. VW hat die Verbraucher arglistig betrogen. Der BGH hat das bereits am 25. Mai 2020 festgestellt (VI ZR 252/19).
BGH sieht im Software-Update von VW keine Schadensbehebung
Im vorliegenden Verfahren (Az. 7 U 352/18) hatte das Oberlandesgericht Braunschweig die Ansicht vertreten, dass dem Kläger kein Schaden entstanden sei, da er die abgasbeeinflussende Software schon vor der erstmaligen Geltendmachung seines Anspruchs durch das Software-Update habe beseitigen lassen. Dem widersprach der BGH mit deutlichen Worten:
„Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der für einen Anspruch aus § 826 BGB erforderliche Schaden des Klägers nicht dadurch entfallen, dass dieser das von der Beklagten entwickelte Software-Update durchgeführt hat. Liegt der Schaden - wie das Berufungsgericht unterstellt hat - in einem unter Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des Klägers sittenwidrig herbeigeführten ungewollten Vertragsschluss, so entfällt dieser Schaden nicht dadurch, dass sich der Wert oder Zustand des Vertragsgegenstandes nachträglich verändern. Ein solcher Schaden fällt auch unter den Schutzzweck des § 826 BGB.“
Heißt: Der Schaden des Verbrauchers ist in dem Moment entstanden, als er den Kaufvertrag abgeschlossen hat. Niemals hätte er das Fahrzeug erworben, wenn er gewusst hätte, dass die Abgasreinigung auf illegaler Art und Weise manipuliert und das Auto von einer behördlichen Stilllegung bedroht war. VW ist in solchen Fällen nach Ansicht des BGH haftbar und zu Schadensersatz verpflichtet.